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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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denzeit noch geraume Zeit nach Alexander dem Großen
den Freunden des Alterthums gezeigt.

Theseus, der jetzt König geworden war, zeigte bald,
daß er nicht nur ein Held in Kampf und Fehde sey,
sondern auch fähig einen Staat einzurichten und ein Volk
im Frieden zu beglücken. Hierin that er es selbst seinem
Vorbilde Herkules zuvor. Er unternahm nämlich ein
großes und bewundernswürdiges Werk. Vor seiner Re¬
gierung wohnten die meisten Einwohner Attika's zerstreut
um die Burg und kleine Stadt Athen herum, auf einzel¬
nen Bauerhöfen und weilerartigen Dörfern. Sie konnten
daher nur schwer zusammengebracht werden, um über öf¬
fentliche Angelegenheiten zu rathschlagen; ja bisweilen
geriethen sie auch über kleinliche Gegenstände des Nach¬
barbesitzes miteinander in Streit. Theseus nun war es,
der alle Bürger des attischen Gebietes in Eine Stadt
vereinigte, und so aus den zerstreuten Gemeinden einen
gemeinschaftlichen Staat bildete; und dieses große Werk
brachte er nicht wie ein Tyrann durch Gewalt zu Stande,
sondern er reiste bei den einzelnen Gemeinden und Ge¬
schlechtern herum, und suchte ihre freiwillige Einstimmung
zu erlangen. Die Armen und Niedrigen bedurften keiner lan¬
gen Ermahnung, sie konnten bei dem Zusammenleben mit den
Vermöglicheren nur gewinnen; den Mächtigen und Reichen
aber versprach er Beschränkung der Königsgewalt, die
bisher zu Athen unbeschränkt gewesen war, und eine
vollkommen freie Verfassung. "Ich selbst," sprach er,
"will nur euer Anführer im Kriege und Beschützer der
Gesetze seyn, im Uebrigen soll allen meinen Mitbürgern
Gleichheit der Rechte gestattet werden." Dieses leuchtete
vielen der Vornehmen ein; andere, denen die Umwand¬

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denzeit noch geraume Zeit nach Alexander dem Großen
den Freunden des Alterthums gezeigt.

Theſeus, der jetzt König geworden war, zeigte bald,
daß er nicht nur ein Held in Kampf und Fehde ſey,
ſondern auch fähig einen Staat einzurichten und ein Volk
im Frieden zu beglücken. Hierin that er es ſelbſt ſeinem
Vorbilde Herkules zuvor. Er unternahm nämlich ein
großes und bewundernswürdiges Werk. Vor ſeiner Re¬
gierung wohnten die meiſten Einwohner Attika's zerſtreut
um die Burg und kleine Stadt Athen herum, auf einzel¬
nen Bauerhöfen und weilerartigen Dörfern. Sie konnten
daher nur ſchwer zuſammengebracht werden, um über öf¬
fentliche Angelegenheiten zu rathſchlagen; ja bisweilen
geriethen ſie auch über kleinliche Gegenſtände des Nach¬
barbeſitzes miteinander in Streit. Theſeus nun war es,
der alle Bürger des attiſchen Gebietes in Eine Stadt
vereinigte, und ſo aus den zerſtreuten Gemeinden einen
gemeinſchaftlichen Staat bildete; und dieſes große Werk
brachte er nicht wie ein Tyrann durch Gewalt zu Stande,
ſondern er reiſte bei den einzelnen Gemeinden und Ge¬
ſchlechtern herum, und ſuchte ihre freiwillige Einſtimmung
zu erlangen. Die Armen und Niedrigen bedurften keiner lan¬
gen Ermahnung, ſie konnten bei dem Zuſammenleben mit den
Vermöglicheren nur gewinnen; den Mächtigen und Reichen
aber verſprach er Beſchränkung der Königsgewalt, die
bisher zu Athen unbeſchränkt geweſen war, und eine
vollkommen freie Verfaſſung. „Ich ſelbſt,“ ſprach er,
„will nur euer Anführer im Kriege und Beſchützer der
Geſetze ſeyn, im Uebrigen ſoll allen meinen Mitbürgern
Gleichheit der Rechte geſtattet werden.“ Dieſes leuchtete
vielen der Vornehmen ein; andere, denen die Umwand¬

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[291/0317] denzeit noch geraume Zeit nach Alexander dem Großen den Freunden des Alterthums gezeigt. Theſeus, der jetzt König geworden war, zeigte bald, daß er nicht nur ein Held in Kampf und Fehde ſey, ſondern auch fähig einen Staat einzurichten und ein Volk im Frieden zu beglücken. Hierin that er es ſelbſt ſeinem Vorbilde Herkules zuvor. Er unternahm nämlich ein großes und bewundernswürdiges Werk. Vor ſeiner Re¬ gierung wohnten die meiſten Einwohner Attika's zerſtreut um die Burg und kleine Stadt Athen herum, auf einzel¬ nen Bauerhöfen und weilerartigen Dörfern. Sie konnten daher nur ſchwer zuſammengebracht werden, um über öf¬ fentliche Angelegenheiten zu rathſchlagen; ja bisweilen geriethen ſie auch über kleinliche Gegenſtände des Nach¬ barbeſitzes miteinander in Streit. Theſeus nun war es, der alle Bürger des attiſchen Gebietes in Eine Stadt vereinigte, und ſo aus den zerſtreuten Gemeinden einen gemeinſchaftlichen Staat bildete; und dieſes große Werk brachte er nicht wie ein Tyrann durch Gewalt zu Stande, ſondern er reiſte bei den einzelnen Gemeinden und Ge¬ ſchlechtern herum, und ſuchte ihre freiwillige Einſtimmung zu erlangen. Die Armen und Niedrigen bedurften keiner lan¬ gen Ermahnung, ſie konnten bei dem Zuſammenleben mit den Vermöglicheren nur gewinnen; den Mächtigen und Reichen aber verſprach er Beſchränkung der Königsgewalt, die bisher zu Athen unbeſchränkt geweſen war, und eine vollkommen freie Verfaſſung. „Ich ſelbſt,“ ſprach er, „will nur euer Anführer im Kriege und Beſchützer der Geſetze ſeyn, im Uebrigen ſoll allen meinen Mitbürgern Gleichheit der Rechte geſtattet werden.“ Dieſes leuchtete vielen der Vornehmen ein; andere, denen die Umwand¬ 19 *

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/317>, abgerufen am 22.11.2024.