kann. Denn meinen Freunden gebe ich das Recht Alles zu benützen."
Als Herkules diese lockenden Anerbietungen hörte, sprach er verwundert: "O Weib, wie ist denn aber dein Name?" "Meine Freunde," antwortete sie, "nennen mich die Glückseligkeit; meine Feinde hingegen, die mich he¬ rabsetzen wollen, geben mir den Namen der Liederlichkeit."
Mittlerweile war auch die andre Frau herzugetre¬ ten. "Auch ich," sagte sie, "komme zu dir, lieber Herkules, denn ich kenne deine Eltern, deine Anlagen und deine Erziehung. Dieß Alles gibt mir die Hoffnung, du wür¬ dest, wenn du meine Bahn einschlagen wolltest, ein Mei¬ ster in allem Guten und Großen werden. Doch will ich dir keine Genüsse vorspiegeln, will dir die Sache dar¬ stellen, wie die Götter sie gewollt haben. Wisse also, daß von allem was gut und wünschenswerth ist, die Götter den Menschen nichts ohne Arbeit und Mühe gewähren. Wünschest du, daß die Götter dir gnädig seyen, so mußt du die Götter verehren; willst du, daß deine Freunde dich lieben, so mußt du deinen Freunden nützlich werden; strebst du von einem Staate geehrt zu werden, so mußt du ihm Dienste leisten; willst du, daß ganz Griechenland dich um deiner Tugend willen bewundere, so mußt du Griechenlands Wohlthäter werden; willst du erndten, so mußt du säen; willst du kriegen und siegen, so mußt du die Kriegskunst erlernen; willst du deinen Körper in der Gewalt haben, so mußt du ihn durch Arbeit und Schweiß abhärten." Hier fiel ihr die Liederlichkeit in die Rede. "Siehst du wohl, lieber Herkules", sprach sie, "was für ei¬ nen langen mühseligen Weg dich dieses Weib zur Zu¬ friedenheit führt? Ich hingegen werde dich auf dem kür¬
kann. Denn meinen Freunden gebe ich das Recht Alles zu benützen.“
Als Herkules dieſe lockenden Anerbietungen hörte, ſprach er verwundert: „O Weib, wie iſt denn aber dein Name?“ „Meine Freunde,“ antwortete ſie, „nennen mich die Glückſeligkeit; meine Feinde hingegen, die mich he¬ rabſetzen wollen, geben mir den Namen der Liederlichkeit.“
Mittlerweile war auch die andre Frau herzugetre¬ ten. „Auch ich,“ ſagte ſie, „komme zu dir, lieber Herkules, denn ich kenne deine Eltern, deine Anlagen und deine Erziehung. Dieß Alles gibt mir die Hoffnung, du wür¬ deſt, wenn du meine Bahn einſchlagen wollteſt, ein Mei¬ ſter in allem Guten und Großen werden. Doch will ich dir keine Genüſſe vorſpiegeln, will dir die Sache dar¬ ſtellen, wie die Götter ſie gewollt haben. Wiſſe alſo, daß von allem was gut und wünſchenswerth iſt, die Götter den Menſchen nichts ohne Arbeit und Mühe gewähren. Wünſcheſt du, daß die Götter dir gnädig ſeyen, ſo mußt du die Götter verehren; willſt du, daß deine Freunde dich lieben, ſo mußt du deinen Freunden nützlich werden; ſtrebſt du von einem Staate geehrt zu werden, ſo mußt du ihm Dienſte leiſten; willſt du, daß ganz Griechenland dich um deiner Tugend willen bewundere, ſo mußt du Griechenlands Wohlthäter werden; willſt du erndten, ſo mußt du ſäen; willſt du kriegen und ſiegen, ſo mußt du die Kriegskunſt erlernen; willſt du deinen Körper in der Gewalt haben, ſo mußt du ihn durch Arbeit und Schweiß abhärten.“ Hier fiel ihr die Liederlichkeit in die Rede. „Siehſt du wohl, lieber Herkules“, ſprach ſie, „was für ei¬ nen langen mühſeligen Weg dich dieſes Weib zur Zu¬ friedenheit führt? Ich hingegen werde dich auf dem kür¬
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kann. Denn meinen Freunden gebe ich das Recht Alles
zu benützen.“
Als Herkules dieſe lockenden Anerbietungen hörte,
ſprach er verwundert: „O Weib, wie iſt denn aber dein
Name?“ „Meine Freunde,“ antwortete ſie, „nennen mich
die Glückſeligkeit; meine Feinde hingegen, die mich he¬
rabſetzen wollen, geben mir den Namen der Liederlichkeit.“
Mittlerweile war auch die andre Frau herzugetre¬
ten. „Auch ich,“ ſagte ſie, „komme zu dir, lieber Herkules,
denn ich kenne deine Eltern, deine Anlagen und deine
Erziehung. Dieß Alles gibt mir die Hoffnung, du wür¬
deſt, wenn du meine Bahn einſchlagen wollteſt, ein Mei¬
ſter in allem Guten und Großen werden. Doch will ich
dir keine Genüſſe vorſpiegeln, will dir die Sache dar¬
ſtellen, wie die Götter ſie gewollt haben. Wiſſe alſo, daß
von allem was gut und wünſchenswerth iſt, die Götter
den Menſchen nichts ohne Arbeit und Mühe gewähren.
Wünſcheſt du, daß die Götter dir gnädig ſeyen, ſo mußt
du die Götter verehren; willſt du, daß deine Freunde dich
lieben, ſo mußt du deinen Freunden nützlich werden;
ſtrebſt du von einem Staate geehrt zu werden, ſo mußt
du ihm Dienſte leiſten; willſt du, daß ganz Griechenland
dich um deiner Tugend willen bewundere, ſo mußt du
Griechenlands Wohlthäter werden; willſt du erndten, ſo
mußt du ſäen; willſt du kriegen und ſiegen, ſo mußt du
die Kriegskunſt erlernen; willſt du deinen Körper in der
Gewalt haben, ſo mußt du ihn durch Arbeit und Schweiß
abhärten.“ Hier fiel ihr die Liederlichkeit in die Rede.
„Siehſt du wohl, lieber Herkules“, ſprach ſie, „was für ei¬
nen langen mühſeligen Weg dich dieſes Weib zur Zu¬
friedenheit führt? Ich hingegen werde dich auf dem kür¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/232>, abgerufen am 22.11.2024.
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