die guten Phäaken und ihr frommer König Alcinous wohnte.
Neue Verfolgung der Kolchier.
Hier waren sie aufs gastlichste aufgenommen worden und wollten sich eben recht gütlich thun als plötzlich an der Küste ein furchtbares Heer der Kolchier erschien, de¬ ren Flotte auf einem anderen Wege bis hierher vorge¬ drungen war. Sie verlangten die Königstochter Medea, um sie in das väterliche Haus zurückzuführen, oder be¬ drohten die Griechen mit einer mörderischen Schlacht schon jetzt, und noch mehr, wenn Aeetes selbst mit einem noch gewaltigeren Heere nachkommen würde. Der gute König Alcinous aber hielt sie, da sie schon in die Schlacht eil¬ ten, zurück, und Medea umfaßte die Kniee seiner Gemah¬ lin Arete: "Herrin, ich flehe dich an," sprach sie, "laß mich nicht zu meinem Vater bringen; wenn du anders dem menschlichen Geschlechte angehörst, das allzumal durch leich¬ ten Irrthum in schnelles Unglück stürzt. So ist auch mir die Besonnenheit entschwunden. Doch nicht Leichtsinn, son¬ dern nur entsetzliche Furcht hat mich zur Flucht mit die¬ sem Manne bewogen. Als Jungfrau führt er mich in seine Heimath. Darum erbarme dich meiner, und die Götter mögen dir langes Leben und Kinder, und deiner Stadt unsterbliche Zier gewähren." Auch den einzelnen Helden warf sie sich flehend zu Füßen: ein Jeder aber, den sie anrief, hieß sie gutes Muthes seyn, schüttelte die Lanze, zog sein Schwerdt und versprach ihr beizustehen, wenn Alcinous sie ausliefern wollte.
die guten Phäaken und ihr frommer König Alcinous wohnte.
Neue Verfolgung der Kolchier.
Hier waren ſie aufs gaſtlichſte aufgenommen worden und wollten ſich eben recht gütlich thun als plötzlich an der Küſte ein furchtbares Heer der Kolchier erſchien, de¬ ren Flotte auf einem anderen Wege bis hierher vorge¬ drungen war. Sie verlangten die Königstochter Medea, um ſie in das väterliche Haus zurückzuführen, oder be¬ drohten die Griechen mit einer mörderiſchen Schlacht ſchon jetzt, und noch mehr, wenn Aeetes ſelbſt mit einem noch gewaltigeren Heere nachkommen würde. Der gute König Alcinous aber hielt ſie, da ſie ſchon in die Schlacht eil¬ ten, zurück, und Medea umfaßte die Kniee ſeiner Gemah¬ lin Arete: „Herrin, ich flehe dich an,“ ſprach ſie, „laß mich nicht zu meinem Vater bringen; wenn du anders dem menſchlichen Geſchlechte angehörſt, das allzumal durch leich¬ ten Irrthum in ſchnelles Unglück ſtürzt. So iſt auch mir die Beſonnenheit entſchwunden. Doch nicht Leichtſinn, ſon¬ dern nur entſetzliche Furcht hat mich zur Flucht mit die¬ ſem Manne bewogen. Als Jungfrau führt er mich in ſeine Heimath. Darum erbarme dich meiner, und die Götter mögen dir langes Leben und Kinder, und deiner Stadt unſterbliche Zier gewähren.“ Auch den einzelnen Helden warf ſie ſich flehend zu Füßen: ein Jeder aber, den ſie anrief, hieß ſie gutes Muthes ſeyn, ſchüttelte die Lanze, zog ſein Schwerdt und verſprach ihr beizuſtehen, wenn Alcinous ſie ausliefern wollte.
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die guten Phäaken und ihr frommer König Alcinous
wohnte.
Neue Verfolgung der Kolchier.
Hier waren ſie aufs gaſtlichſte aufgenommen worden
und wollten ſich eben recht gütlich thun als plötzlich an
der Küſte ein furchtbares Heer der Kolchier erſchien, de¬
ren Flotte auf einem anderen Wege bis hierher vorge¬
drungen war. Sie verlangten die Königstochter Medea,
um ſie in das väterliche Haus zurückzuführen, oder be¬
drohten die Griechen mit einer mörderiſchen Schlacht ſchon
jetzt, und noch mehr, wenn Aeetes ſelbſt mit einem noch
gewaltigeren Heere nachkommen würde. Der gute König
Alcinous aber hielt ſie, da ſie ſchon in die Schlacht eil¬
ten, zurück, und Medea umfaßte die Kniee ſeiner Gemah¬
lin Arete: „Herrin, ich flehe dich an,“ ſprach ſie, „laß mich
nicht zu meinem Vater bringen; wenn du anders dem
menſchlichen Geſchlechte angehörſt, das allzumal durch leich¬
ten Irrthum in ſchnelles Unglück ſtürzt. So iſt auch mir
die Beſonnenheit entſchwunden. Doch nicht Leichtſinn, ſon¬
dern nur entſetzliche Furcht hat mich zur Flucht mit die¬
ſem Manne bewogen. Als Jungfrau führt er mich in ſeine
Heimath. Darum erbarme dich meiner, und die Götter
mögen dir langes Leben und Kinder, und deiner Stadt
unſterbliche Zier gewähren.“ Auch den einzelnen Helden
warf ſie ſich flehend zu Füßen: ein Jeder aber, den ſie
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/186>, abgerufen am 24.11.2024.
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