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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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vom Boden heben können; er aber ergriff ihn leicht mit
der Hand und warf ihn springend weit hin mitten unter
die bodenentsprossenen Krieger. Er selbst barg sich, ins
Knie geworfen, kühn und vorsichtig unter seinem Schilde.
Die Kolchier schrieen laut auf, wie das Meer braust,
wenn es sich an spitzen Klippen bricht: Aeetes selbst
starrte voll Verwunderung dem Wurfe des ungeheuren
Steines nach. Die Erdgebornen, wie schnelle Hunde,
fingen auf einmal an herumzuhüpfen, gingen auf einan¬
der los, brachten sich gegenseitig mit dumpfem Knirschen
um, sie fielen auf ihre Mutter Erde unter ihren Lanzen
nieder, wie Tannenbäume oder Eichen, welche Windwirbel
umgerissen haben. Als sie mitten im Gefechte begriffen
waren, stürzte Jason unter sie, wie ein fallender Stern,
der als Wunderzeichen mitten durch die dunkle Nachtluft
schießt. Jetzt zog er sein Schwert aus der Scheide,
theilte hier und dort Wunden aus, hieb Manche, die schon
standen, nieder, mähte Andere, die erst bis zu den Schul¬
tern hervorgewachsen waren, wie Gras ab; Andern spal¬
tete er das Haupt, als sie schon zum Kampfe rannten.
Die Furchen strömten von Blute, wie ein Abzugsbach,
die Verwundeten und Todten stürzten nach allen Seiten
hin und Viele sanken mit blutigen Köpfen wieder so tief
in den Boden, als sie hervorgetaucht waren.

An der Seele des Königes Aeetes nagte zehrender
Aerger; ohne ein Wort zu sprechen drehte er sich um und
kehrte zur Stadt zurück, nur darauf sinnend, auf welche
Weise er wirksamer gegen Jason verfahren könnte. Un¬
ter diesen Begebenheiten war der Tag zu Ende gegangen
und der Held ruhte unter den Glückwünschen seiner Freunde
von der Arbeit.


vom Boden heben können; er aber ergriff ihn leicht mit
der Hand und warf ihn ſpringend weit hin mitten unter
die bodenentſproſſenen Krieger. Er ſelbſt barg ſich, ins
Knie geworfen, kühn und vorſichtig unter ſeinem Schilde.
Die Kolchier ſchrieen laut auf, wie das Meer braust,
wenn es ſich an ſpitzen Klippen bricht: Aeetes ſelbſt
ſtarrte voll Verwunderung dem Wurfe des ungeheuren
Steines nach. Die Erdgebornen, wie ſchnelle Hunde,
fingen auf einmal an herumzuhüpfen, gingen auf einan¬
der los, brachten ſich gegenſeitig mit dumpfem Knirſchen
um, ſie fielen auf ihre Mutter Erde unter ihren Lanzen
nieder, wie Tannenbäume oder Eichen, welche Windwirbel
umgeriſſen haben. Als ſie mitten im Gefechte begriffen
waren, ſtürzte Jaſon unter ſie, wie ein fallender Stern,
der als Wunderzeichen mitten durch die dunkle Nachtluft
ſchießt. Jetzt zog er ſein Schwert aus der Scheide,
theilte hier und dort Wunden aus, hieb Manche, die ſchon
ſtanden, nieder, mähte Andere, die erſt bis zu den Schul¬
tern hervorgewachſen waren, wie Gras ab; Andern ſpal¬
tete er das Haupt, als ſie ſchon zum Kampfe rannten.
Die Furchen ſtrömten von Blute, wie ein Abzugsbach,
die Verwundeten und Todten ſtürzten nach allen Seiten
hin und Viele ſanken mit blutigen Köpfen wieder ſo tief
in den Boden, als ſie hervorgetaucht waren.

An der Seele des Königes Aeetes nagte zehrender
Aerger; ohne ein Wort zu ſprechen drehte er ſich um und
kehrte zur Stadt zurück, nur darauf ſinnend, auf welche
Weiſe er wirkſamer gegen Jaſon verfahren könnte. Un¬
ter dieſen Begebenheiten war der Tag zu Ende gegangen
und der Held ruhte unter den Glückwünſchen ſeiner Freunde
von der Arbeit.


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[143/0169] vom Boden heben können; er aber ergriff ihn leicht mit der Hand und warf ihn ſpringend weit hin mitten unter die bodenentſproſſenen Krieger. Er ſelbſt barg ſich, ins Knie geworfen, kühn und vorſichtig unter ſeinem Schilde. Die Kolchier ſchrieen laut auf, wie das Meer braust, wenn es ſich an ſpitzen Klippen bricht: Aeetes ſelbſt ſtarrte voll Verwunderung dem Wurfe des ungeheuren Steines nach. Die Erdgebornen, wie ſchnelle Hunde, fingen auf einmal an herumzuhüpfen, gingen auf einan¬ der los, brachten ſich gegenſeitig mit dumpfem Knirſchen um, ſie fielen auf ihre Mutter Erde unter ihren Lanzen nieder, wie Tannenbäume oder Eichen, welche Windwirbel umgeriſſen haben. Als ſie mitten im Gefechte begriffen waren, ſtürzte Jaſon unter ſie, wie ein fallender Stern, der als Wunderzeichen mitten durch die dunkle Nachtluft ſchießt. Jetzt zog er ſein Schwert aus der Scheide, theilte hier und dort Wunden aus, hieb Manche, die ſchon ſtanden, nieder, mähte Andere, die erſt bis zu den Schul¬ tern hervorgewachſen waren, wie Gras ab; Andern ſpal¬ tete er das Haupt, als ſie ſchon zum Kampfe rannten. Die Furchen ſtrömten von Blute, wie ein Abzugsbach, die Verwundeten und Todten ſtürzten nach allen Seiten hin und Viele ſanken mit blutigen Köpfen wieder ſo tief in den Boden, als ſie hervorgetaucht waren. An der Seele des Königes Aeetes nagte zehrender Aerger; ohne ein Wort zu ſprechen drehte er ſich um und kehrte zur Stadt zurück, nur darauf ſinnend, auf welche Weiſe er wirkſamer gegen Jaſon verfahren könnte. Un¬ ter dieſen Begebenheiten war der Tag zu Ende gegangen und der Held ruhte unter den Glückwünſchen ſeiner Freunde von der Arbeit.

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/169>, abgerufen am 27.11.2024.