Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schurz, Karl: Der Studentencongreß zu Eisenach am 25. September 1848. Bonn, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

ist, hat sie nicht zum großen Theil ihre vereinzelten Forderungen in Systeme gefügt, welche, wenn auch mangelhaft und bedeutender Vervollkommnung fähig, von dem gewaltigen demokratischen Geiste unserer Tage gebaut und belebt sind! Und das konnte sie nur auf dem einen Wege, daß sie dem fortschreitenden Volksgeist ein freies Organ bot, empfänglich genug, um den Fingerzeig der Zeit zu verstehn, kräftig und kühn genug, um das gewonnene Prinzip systematisch in seinen Consequenzen auszuführen.

Wir haben schon angedeutet, wie wenig zu hoffen steht, wenn eine Corporation sich in sich selbst reorganisiren will; der ehrliche Theil der Reformpartei ging durch jenes vermittelnde Organ aus sich heraus, und hat so die Möglichkeit eines ausgedehnten Erfolges gewonnen. Und wer kann dieses Organ sein? Nicht etwa jene Classe von Lehrern, die, in andrer längst verfaulter Athmosphäre aufgewachsen, den Hauch der jungen Zeit zu würdigen nicht mehr im Stande sind; nicht etwa jene, welche mit dukatengoldnen Ketten an das Alte angeschmiedet, auf dem Boden des Bestehenden als auf dem Boden ihrer Existenz stehn; wohl aber jene frische Schaar voll rücksichtslosen Freiheitssinnes, welche kühn dem Edlen nachstrebend den revolutionären Grundsatz der unbedingten Möglichkeit nicht für eine Chimäre hält, weil sie gesunde Kraft und warme Entschlossenheit in ihrer Brust fühlt; sie ist es, welche offnen Sinnes den Geist der neuen Zeit in sich aufnehmend und verarbeitend die künftige Reorganisation praktisch und lebendig in sich heranbilden muß und kann.

Es sei ferne, das auf die Studenten allein beschränken zu wollen; denn redlicher Wille und frische Thatkraft sind in keinem Ding so exklusiv, daß sie nicht über die Schranken einer bestimmten Classe der Gesellschaft hinausreichten; wir haben an vielen Greisen ebensowohl edles Feuer und frische Entschlossenheit zu bewundern, als es unter der Jugend leider viel vornehme Altklugheit und kalten Indifferentismus giebt. - Doch bilden

ist, hat sie nicht zum großen Theil ihre vereinzelten Forderungen in Systeme gefügt, welche, wenn auch mangelhaft und bedeutender Vervollkommnung fähig, von dem gewaltigen demokratischen Geiste unserer Tage gebaut und belebt sind! Und das konnte sie nur auf dem einen Wege, daß sie dem fortschreitenden Volksgeist ein freies Organ bot, empfänglich genug, um den Fingerzeig der Zeit zu verstehn, kräftig und kühn genug, um das gewonnene Prinzip systematisch in seinen Consequenzen auszuführen.

Wir haben schon angedeutet, wie wenig zu hoffen steht, wenn eine Corporation sich in sich selbst reorganisiren will; der ehrliche Theil der Reformpartei ging durch jenes vermittelnde Organ aus sich heraus, und hat so die Möglichkeit eines ausgedehnten Erfolges gewonnen. Und wer kann dieses Organ sein? Nicht etwa jene Classe von Lehrern, die, in andrer längst verfaulter Athmosphäre aufgewachsen, den Hauch der jungen Zeit zu würdigen nicht mehr im Stande sind; nicht etwa jene, welche mit dukatengoldnen Ketten an das Alte angeschmiedet, auf dem Boden des Bestehenden als auf dem Boden ihrer Existenz stehn; wohl aber jene frische Schaar voll rücksichtslosen Freiheitssinnes, welche kühn dem Edlen nachstrebend den revolutionären Grundsatz der unbedingten Möglichkeit nicht für eine Chimäre hält, weil sie gesunde Kraft und warme Entschlossenheit in ihrer Brust fühlt; sie ist es, welche offnen Sinnes den Geist der neuen Zeit in sich aufnehmend und verarbeitend die künftige Reorganisation praktisch und lebendig in sich heranbilden muß und kann.

Es sei ferne, das auf die Studenten allein beschränken zu wollen; denn redlicher Wille und frische Thatkraft sind in keinem Ding so exklusiv, daß sie nicht über die Schranken einer bestimmten Classe der Gesellschaft hinausreichten; wir haben an vielen Greisen ebensowohl edles Feuer und frische Entschlossenheit zu bewundern, als es unter der Jugend leider viel vornehme Altklugheit und kalten Indifferentismus giebt. – Doch bilden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0009" n="7"/>
ist, hat sie nicht zum großen Theil ihre vereinzelten Forderungen in Systeme gefügt, welche, wenn auch mangelhaft und bedeutender Vervollkommnung fähig, von dem gewaltigen demokratischen Geiste unserer Tage gebaut und belebt sind! Und das konnte sie nur auf dem <hi rendition="#g">einen</hi> Wege, daß sie dem fortschreitenden Volksgeist ein freies Organ bot, empfänglich genug, um den Fingerzeig der Zeit zu verstehn, kräftig und kühn genug, um das gewonnene Prinzip systematisch in seinen Consequenzen auszuführen.</p>
        <p>Wir haben schon angedeutet, wie wenig zu hoffen steht, wenn eine Corporation sich in sich selbst reorganisiren will; der ehrliche Theil der Reformpartei ging durch jenes vermittelnde Organ aus sich heraus, und hat so die Möglichkeit eines ausgedehnten Erfolges gewonnen. Und wer kann dieses Organ sein? Nicht etwa jene Classe von Lehrern, die, in andrer längst verfaulter Athmosphäre aufgewachsen, den Hauch der jungen Zeit zu würdigen nicht mehr im Stande sind; nicht etwa jene, welche mit dukatengoldnen Ketten an das Alte angeschmiedet, auf dem Boden des Bestehenden als auf dem Boden ihrer Existenz stehn; wohl aber jene frische Schaar voll rücksichtslosen Freiheitssinnes, welche kühn dem Edlen nachstrebend den <hi rendition="#g">revolutionären Grundsatz der unbedingten Möglichkeit</hi> nicht für eine Chimäre hält, weil sie gesunde Kraft und warme Entschlossenheit in ihrer Brust fühlt; sie ist es, welche offnen Sinnes den Geist der neuen Zeit in sich aufnehmend und verarbeitend die künftige Reorganisation praktisch und lebendig in sich heranbilden muß und kann.</p>
        <p>Es sei ferne, das auf die Studenten allein beschränken zu wollen; denn redlicher Wille und frische Thatkraft sind in keinem Ding so exklusiv, daß sie nicht über die Schranken einer bestimmten Classe der Gesellschaft hinausreichten; wir haben an vielen Greisen ebensowohl edles Feuer und frische Entschlossenheit zu bewundern, als es unter der Jugend leider viel vornehme Altklugheit und kalten Indifferentismus giebt. &#x2013; Doch bilden
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0009] ist, hat sie nicht zum großen Theil ihre vereinzelten Forderungen in Systeme gefügt, welche, wenn auch mangelhaft und bedeutender Vervollkommnung fähig, von dem gewaltigen demokratischen Geiste unserer Tage gebaut und belebt sind! Und das konnte sie nur auf dem einen Wege, daß sie dem fortschreitenden Volksgeist ein freies Organ bot, empfänglich genug, um den Fingerzeig der Zeit zu verstehn, kräftig und kühn genug, um das gewonnene Prinzip systematisch in seinen Consequenzen auszuführen. Wir haben schon angedeutet, wie wenig zu hoffen steht, wenn eine Corporation sich in sich selbst reorganisiren will; der ehrliche Theil der Reformpartei ging durch jenes vermittelnde Organ aus sich heraus, und hat so die Möglichkeit eines ausgedehnten Erfolges gewonnen. Und wer kann dieses Organ sein? Nicht etwa jene Classe von Lehrern, die, in andrer längst verfaulter Athmosphäre aufgewachsen, den Hauch der jungen Zeit zu würdigen nicht mehr im Stande sind; nicht etwa jene, welche mit dukatengoldnen Ketten an das Alte angeschmiedet, auf dem Boden des Bestehenden als auf dem Boden ihrer Existenz stehn; wohl aber jene frische Schaar voll rücksichtslosen Freiheitssinnes, welche kühn dem Edlen nachstrebend den revolutionären Grundsatz der unbedingten Möglichkeit nicht für eine Chimäre hält, weil sie gesunde Kraft und warme Entschlossenheit in ihrer Brust fühlt; sie ist es, welche offnen Sinnes den Geist der neuen Zeit in sich aufnehmend und verarbeitend die künftige Reorganisation praktisch und lebendig in sich heranbilden muß und kann. Es sei ferne, das auf die Studenten allein beschränken zu wollen; denn redlicher Wille und frische Thatkraft sind in keinem Ding so exklusiv, daß sie nicht über die Schranken einer bestimmten Classe der Gesellschaft hinausreichten; wir haben an vielen Greisen ebensowohl edles Feuer und frische Entschlossenheit zu bewundern, als es unter der Jugend leider viel vornehme Altklugheit und kalten Indifferentismus giebt. – Doch bilden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-04-18T11:04:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-04-18T11:04:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-04-18T11:04:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schurz_studentencongress_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schurz_studentencongress_1848/9
Zitationshilfe: Schurz, Karl: Der Studentencongreß zu Eisenach am 25. September 1848. Bonn, 1848, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schurz_studentencongress_1848/9>, abgerufen am 03.05.2024.