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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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An den Leser.
vae, non sine risu prudentiorum Satyricorum productas? Jch
will wie der Apelles so lang hinter dieser geringen Tafel stehen/ und
mit Verlangen warten/ biß einer auffstehe/ von Hans Sachsen
Schuster Geist regiert/ der mir Anlaß gebe/ ihm meine Meynung/
teutsch und auffrichtig zu sagen/ von dem heutigen teutschen Reimen
reissen/ darin offt ist mare verborum & guttula rerum. Jch hätte
diese Lieder leichtlich ändern/ und nach Opitii Gehirn richten können.
Allein ich will es mit Fleiß nicht thun. Jch wil es also haben/ wie ich es
damals hab drucken lassen. Und was fragstu darnach? Jch hab
offt gesehen/ daß ein junger Lautenist in eine Compagnie kommen/
vnd hat ihm grosse Ding eingebildet/ und man hat ihn weder mit
freundlichen Worten oder reichen Geschencken bewegen können/ daß
er ein gut Stücklein geschlagen. Wann er aber einen alten Leyrenträ-
her gehört/ der nach seiner Einfalt etwas gespielet/ hat er seine Lauten
ergriffen/ und mit einem sonderlichen neuen Stücklein sich hören las-
sen. Macht es auch also ihr jungen Leut. Und in dem ihr diese Lie-
der hört/ last euere Galateen, euer Rosemund, euer andere Salba-
dereyen fahren/ und übet euch in andern Geistlichen Dingen. Macht
es wie die alte Lateinische und Griechische Kirchen-Väter/ welche sich
in der Jugend geübt haben in der Poesi/ und allerhand schöne Geist-
liche Lieder gemacht haben. A Poetis loqui discunt Oratores.
Wann sie in solchen lieblichen Liedern geübt sind gewesen/ haben sie sich
hernach begeben auff die Eloquentiam sacram, und sich in schönen
Geistlichen Orationen geübt. Zum Exempel wie etwa Noa ge-
redet hab/ als er itzo in die Arcam treten/ und dem gantzen menschli-
chen Geschlecht hab valediciren wollen? Wie etwa Abraham gere-
det/ als er seinen Sohn Jsaac gebunden/ und auffs Holtz gelegt/ daß
er den Halß herauß strecken/ und sich vor seinem Schwerdt nicht
förchten solle/ etc. Was ist ein guter Prediger anders als ein Orator
Ecclesiasticus?
Was ists/ wann lang ein Dorffprediger weiß/ wie
er einen Photinianer resutiren solle/ und er bekombt wol in zehen
Jahren keinen Photinianer zu sehen? Allein wie er einen Betrübten
trösten/ einem Epicurer die höllische Flamm recht abmahlen solle/ da-
zu hat er alle Tag Gelegenheit. Ein Jurist der auff der Catheder von
diesem oder jenem lege reden kan/ wie Bartholus oder Baldus, der
kan nicht alsobald einen reum in foro accusiren, oder excusiren,
wie Cicero, oder andere Oratores gethan haben. Eben also ist nit ein
jeder Theologus, der von Controversien reden kan/ geschickt/ einen
Epicurer zu schrecken/ einen Trostlosen zu erquicken/ einem Ubel-
thäter/ der jetzt sterben sol/ einen Muth zuzusprechen/ daß er nichts
nach Galgen/ Feuer oder Rad srage/ etc. Dieses hat zu unsern Zeiten

unter

An den Leſer.
væ, non ſine riſu prudentiorum Satyricorum productas? Jch
will wie der Apelles ſo lang hinter dieſer geringen Tafel ſtehen/ und
mit Verlangen warten/ biß einer auffſtehe/ von Hans Sachſen
Schuſter Geiſt regiert/ der mir Anlaß gebe/ ihm meine Meynung/
teutſch und auffrichtig zu ſagen/ von dem heutigen teutſchen Reimen
reiſſen/ darin offt iſt mare verborum & guttula rerum. Jch haͤtte
dieſe Lieder leichtlich aͤndern/ und nach Opitii Gehirn richten koͤnnen.
Allein ich will es mit Fleiß nicht thun. Jch wil es alſo haben/ wie ich es
damals hab drucken laſſen. Und was fragſtu darnach? Jch hab
offt geſehen/ daß ein junger Lauteniſt in eine Compagnie kommen/
vnd hat ihm groſſe Ding eingebildet/ und man hat ihn weder mit
freundlichen Worten oder reichen Geſchencken bewegen koͤnnen/ daß
er ein gut Stuͤcklein geſchlagen. Wann er aber einen alten Leyrentraͤ-
her gehoͤrt/ der nach ſeiner Einfalt etwas geſpielet/ hat er ſeine Lauten
ergriffen/ und mit einem ſonderlichen neuen Stuͤcklein ſich hoͤren laſ-
ſen. Macht es auch alſo ihr jungen Leut. Und in dem ihr dieſe Lie-
der hoͤrt/ laſt euere Galateen, euer Roſemund, euer andere Salba-
dereyen fahren/ und uͤbet euch in andern Geiſtlichen Dingen. Macht
es wie die alte Lateiniſche und Griechiſche Kirchen-Vaͤter/ welche ſich
in der Jugend geuͤbt haben in der Poeſi/ und allerhand ſchoͤne Geiſt-
liche Lieder gemacht haben. A Poetis loqui diſcunt Oratores.
Wann ſie in ſolchen lieblichen Liedern geuͤbt ſind geweſen/ habẽ ſie ſich
hernach begeben auff die Eloquentiam ſacram, und ſich in ſchoͤnen
Geiſtlichen Orationen geuͤbt. Zum Exempel wie etwa Noa ge-
redet hab/ als er itzo in die Arcam treten/ und dem gantzen menſchli-
chen Geſchlecht hab valediciren wollen? Wie etwa Abraham gere-
det/ als er ſeinen Sohn Jſaac gebunden/ und auffs Holtz gelegt/ daß
er den Halß herauß ſtrecken/ und ſich vor ſeinem Schwerdt nicht
foͤrchten ſolle/ etc. Was iſt ein guter Prediger anders als ein Orator
Eccleſiaſticus?
Was iſts/ wann lang ein Dorffprediger weiß/ wie
er einen Photinianer reſutiren ſolle/ und er bekombt wol in zehen
Jahren keinen Photinianer zu ſehen? Allein wie er einen Betruͤbten
troͤſten/ einem Epicurer die hoͤlliſche Flamm recht abmahlen ſolle/ da-
zu hat er alle Tag Gelegenheit. Ein Juriſt der auff der Catheder von
dieſem oder jenem lege reden kan/ wie Bartholus oder Baldus, der
kan nicht alſobald einen reum in foro accuſiren, oder excuſiren,
wie Cicero, oder andere Oratores gethan haben. Eben alſo iſt nit ein
jeder Theologus, der von Controverſien reden kan/ geſchickt/ einen
Epicurer zu ſchrecken/ einen Troſtloſen zu erquicken/ einem Ubel-
thaͤter/ der jetzt ſterben ſol/ einen Muth zuzuſprechen/ daß er nichts
nach Galgen/ Feuer oder Rad ſrage/ ꝛc. Dieſes hat zu unſern Zeiten

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[936/0978] An den Leſer. væ, non ſine riſu prudentiorum Satyricorum productas? Jch will wie der Apelles ſo lang hinter dieſer geringen Tafel ſtehen/ und mit Verlangen warten/ biß einer auffſtehe/ von Hans Sachſen Schuſter Geiſt regiert/ der mir Anlaß gebe/ ihm meine Meynung/ teutſch und auffrichtig zu ſagen/ von dem heutigen teutſchen Reimen reiſſen/ darin offt iſt mare verborum & guttula rerum. Jch haͤtte dieſe Lieder leichtlich aͤndern/ und nach Opitii Gehirn richten koͤnnen. Allein ich will es mit Fleiß nicht thun. Jch wil es alſo haben/ wie ich es damals hab drucken laſſen. Und was fragſtu darnach? Jch hab offt geſehen/ daß ein junger Lauteniſt in eine Compagnie kommen/ vnd hat ihm groſſe Ding eingebildet/ und man hat ihn weder mit freundlichen Worten oder reichen Geſchencken bewegen koͤnnen/ daß er ein gut Stuͤcklein geſchlagen. Wann er aber einen alten Leyrentraͤ- her gehoͤrt/ der nach ſeiner Einfalt etwas geſpielet/ hat er ſeine Lauten ergriffen/ und mit einem ſonderlichen neuen Stuͤcklein ſich hoͤren laſ- ſen. Macht es auch alſo ihr jungen Leut. Und in dem ihr dieſe Lie- der hoͤrt/ laſt euere Galateen, euer Roſemund, euer andere Salba- dereyen fahren/ und uͤbet euch in andern Geiſtlichen Dingen. Macht es wie die alte Lateiniſche und Griechiſche Kirchen-Vaͤter/ welche ſich in der Jugend geuͤbt haben in der Poeſi/ und allerhand ſchoͤne Geiſt- liche Lieder gemacht haben. A Poetis loqui diſcunt Oratores. Wann ſie in ſolchen lieblichen Liedern geuͤbt ſind geweſen/ habẽ ſie ſich hernach begeben auff die Eloquentiam ſacram, und ſich in ſchoͤnen Geiſtlichen Orationen geuͤbt. Zum Exempel wie etwa Noa ge- redet hab/ als er itzo in die Arcam treten/ und dem gantzen menſchli- chen Geſchlecht hab valediciren wollen? Wie etwa Abraham gere- det/ als er ſeinen Sohn Jſaac gebunden/ und auffs Holtz gelegt/ daß er den Halß herauß ſtrecken/ und ſich vor ſeinem Schwerdt nicht foͤrchten ſolle/ etc. Was iſt ein guter Prediger anders als ein Orator Eccleſiaſticus? Was iſts/ wann lang ein Dorffprediger weiß/ wie er einen Photinianer reſutiren ſolle/ und er bekombt wol in zehen Jahren keinen Photinianer zu ſehen? Allein wie er einen Betruͤbten troͤſten/ einem Epicurer die hoͤlliſche Flamm recht abmahlen ſolle/ da- zu hat er alle Tag Gelegenheit. Ein Juriſt der auff der Catheder von dieſem oder jenem lege reden kan/ wie Bartholus oder Baldus, der kan nicht alſobald einen reum in foro accuſiren, oder excuſiren, wie Cicero, oder andere Oratores gethan haben. Eben alſo iſt nit ein jeder Theologus, der von Controverſien reden kan/ geſchickt/ einen Epicurer zu ſchrecken/ einen Troſtloſen zu erquicken/ einem Ubel- thaͤter/ der jetzt ſterben ſol/ einen Muth zuzuſprechen/ daß er nichts nach Galgen/ Feuer oder Rad ſrage/ ꝛc. Dieſes hat zu unſern Zeiten unter

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 936. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/978>, abgerufen am 22.11.2024.