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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Kunst reich zu werden.
mir eines Narren Privilegia gabest/ siege ich gantz frey/ was die gros-
sen Herren nicht leyden/ was ein Priester nicht darff/ was ein Raths-
herr nicht will/ was ein Unterthan nicht kan sagen/ und da doch alle
Sachen müssen an dem Jüngsten Gericht/ vor der gantzen Welt her-
sür kommen. Aber Apollo der ware dem Namen/ Narr/ zuwider. Und
antwortete gar. Du bist würdig/ O liebste/ eines besseren Glücks. Du
wirst unter den Weisen ein Ort haben/ und will dich die Kunst wahr-
zusagen lehren. Demnach aber ich vermerckt diese Kunst verstanden zu
haben/ hab ich die Bitte Apollonis offentlich widersprochen. Der
Apollo hat die Kunst wahrzusagen/ die er mir einmal mitgetheilt
hat/ auff kein Weiß mehr können revociren. Aber es hat ihn verdros-
sen/ daß er von einem Weibsbild betrogen worden/ und ist also mit
grosser Begierd deß Rachs angezündet worden. Letztlich hat er gemacht/
daß ich jetzunder zwar alles wahrsage/ aber mir niemands Glauben
gibt. Bißhero bin ich bey den Antipodes an unterschiedlichen Hö-
fen herumb gefahren/ und habe die Stimm nicht inhalten können/ da
ich das Elend sahe/ mit welchem bißweilen meine Schwestern in dem
unteren halben Circkel/ betrangt seyn. Jch sahe daß alles dermassen
voller Narrenwerck ware/ daß es euren Ohren und meiner Stimm
unwürdig ist zu erzehlen. Jch sahe unterweilen Leut/ die dem Teuffel
Opffer brachten/ wenigst/ daß er nicht schade. Jch ersahe andere/ wel-
che die Unschuldigen nicht beschützeten/ weil sie ein forchtsamen re-
spect
hätten/ ich sahe letztlichen viel/ welche mit dienstbarem Ge-
müth alles lobeten/ damit sie nicht Hunger leydeten/ oder in Bann
kamen. Wann das andere zu erzehlen were/ kundtest du leichtlich la-
chen oder zürnen. Aber mein Auffrichtigkeit hat mich aller Orten ver-
hast gemacht. Bin derowegen einist in die Wüsten gewichen/ daß ich
möchte wol verborgen seyn/ wol schweigen/ und wol leben. Allda hat
mich mit gar keuschen Armen umbfangen der Nullus (keiner) und
Nemo (der Niemand) viel waren/ die den Neminem mein zukünffti-
gen Bräutigam mir verständlich befalchen. Dann sprachen sie/ wer
kan alles? Nemo, der Niemand. Wer ist zu allen Stunden und Or-
ten gescheid! Nemo, der Niemand. Wer hat kein Mangel? Nemo,
der Niemand. Wer fliecht den Todt? Nemo, der Niemaud. Wer ist
der alles gegenwertige/ das seyn wird/ und zukünfftige weist? Nemo,
der Niemand. Wer kan zweyen Herren dienen? Nemo, der Niemand?
Wer ehret Gott und die Reichthumb zugleich? Nemo, der Nie-
mand. Wer ist mit seinem Glück zu frieden/ wer ist in der Lieb verstän-
dig und treu? Nemo, der Niemand. Wer hat ein grösser Patrimo-
nium
als er hofft/ und so offt er will? Wer ist allerseits glückselig?
Nemo, der Niemand. Wer kompt durch Unschuld übersich/ wer last

ihme
A a a v

Von der Kunſt reich zu werden.
mir eines Narꝛen Privilegia gabeſt/ ſiege ich gantz frey/ was die groſ-
ſen Herꝛen nicht leyden/ was ein Prieſter nicht darff/ was ein Raths-
herꝛ nicht will/ was ein Unterthan nicht kan ſagen/ und da doch alle
Sachen muͤſſen an dem Juͤngſten Gericht/ vor der gantzen Welt her-
ſuͤr kommen. Aber Apollo der ware dem Namen/ Narꝛ/ zuwider. Und
antwortete gar. Du biſt wuͤrdig/ O liebſte/ eines beſſeren Gluͤcks. Du
wirſt unter den Weiſen ein Ort haben/ und will dich die Kunſt wahr-
zuſagen lehren. Demnach aber ich vermerckt dieſe Kunſt verſtanden zu
haben/ hab ich die Bitte Apollonis offentlich widerſprochen. Der
Apollo hat die Kunſt wahrzuſagen/ die er mir einmal mitgetheilt
hat/ auff kein Weiß mehr koͤnnen revociren. Aber es hat ihn verdroſ-
ſen/ daß er von einem Weibsbild betrogen worden/ und iſt alſo mit
groſſer Begierd deß Rachs angezuͤndet wordẽ. Letztlich hat er gemacht/
daß ich jetzunder zwar alles wahrſage/ aber mir niemands Glauben
gibt. Bißhero bin ich bey den Antipodes an unterſchiedlichen Hoͤ-
fen herumb gefahren/ und habe die Stimm nicht inhalten koͤnnen/ da
ich das Elend ſahe/ mit welchem bißweilen meine Schweſtern in dem
unteren halben Circkel/ betrangt ſeyn. Jch ſahe daß alles dermaſſen
voller Narꝛenwerck ware/ daß es euren Ohren und meiner Stimm
unwuͤrdig iſt zu erzehlen. Jch ſahe unterweilen Leut/ die dem Teuffel
Opffer brachten/ wenigſt/ daß er nicht ſchade. Jch erſahe andere/ wel-
che die Unſchuldigen nicht beſchuͤtzeten/ weil ſie ein forchtſamen re-
ſpect
haͤtten/ ich ſahe letztlichen viel/ welche mit dienſtbarem Ge-
muͤth alles lobeten/ damit ſie nicht Hunger leydeten/ oder in Bann
kamen. Wann das andere zu erzehlen were/ kundteſt du leichtlich la-
chen oder zuͤrnen. Aber mein Auffrichtigkeit hat mich aller Orten ver-
haſt gemacht. Bin derowegen einiſt in die Wuͤſten gewichen/ daß ich
moͤchte wol verborgen ſeyn/ wol ſchweigen/ und wol leben. Allda hat
mich mit gar keuſchen Armen umbfangen der Nullus (keiner) und
Nemo (der Niemand) viel waren/ die den Neminem mein zukuͤnffti-
gen Braͤutigam mir verſtaͤndlich befalchen. Dann ſprachen ſie/ wer
kan alles? Nemo, der Niemand. Wer iſt zu allen Stunden und Or-
ten geſcheid! Nemo, der Niemand. Wer hat kein Mangel? Nemo,
der Niemand. Wer fliecht den Todt? Nemo, der Niemaud. Wer iſt
der alles gegenwertige/ das ſeyn wird/ und zukuͤnfftige weiſt? Nemo,
der Niemand. Wer kan zweyen Herꝛen dienen? Nemo, der Niemand?
Wer ehret Gott und die Reichthumb zugleich? Nemo, der Nie-
mand. Wer iſt mit ſeinem Gluͤck zu frieden/ wer iſt in der Lieb verſtaͤn-
dig und treu? Nemo, der Niemand. Wer hat ein groͤſſer Patrimo-
nium
als er hofft/ und ſo offt er will? Wer iſt allerſeits gluͤckſelig?
Nemo, der Niemand. Wer kompt durch Unſchuld uͤberſich/ wer laſt

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[745/0787] Von der Kunſt reich zu werden. mir eines Narꝛen Privilegia gabeſt/ ſiege ich gantz frey/ was die groſ- ſen Herꝛen nicht leyden/ was ein Prieſter nicht darff/ was ein Raths- herꝛ nicht will/ was ein Unterthan nicht kan ſagen/ und da doch alle Sachen muͤſſen an dem Juͤngſten Gericht/ vor der gantzen Welt her- ſuͤr kommen. Aber Apollo der ware dem Namen/ Narꝛ/ zuwider. Und antwortete gar. Du biſt wuͤrdig/ O liebſte/ eines beſſeren Gluͤcks. Du wirſt unter den Weiſen ein Ort haben/ und will dich die Kunſt wahr- zuſagen lehren. Demnach aber ich vermerckt dieſe Kunſt verſtanden zu haben/ hab ich die Bitte Apollonis offentlich widerſprochen. Der Apollo hat die Kunſt wahrzuſagen/ die er mir einmal mitgetheilt hat/ auff kein Weiß mehr koͤnnen revociren. Aber es hat ihn verdroſ- ſen/ daß er von einem Weibsbild betrogen worden/ und iſt alſo mit groſſer Begierd deß Rachs angezuͤndet wordẽ. Letztlich hat er gemacht/ daß ich jetzunder zwar alles wahrſage/ aber mir niemands Glauben gibt. Bißhero bin ich bey den Antipodes an unterſchiedlichen Hoͤ- fen herumb gefahren/ und habe die Stimm nicht inhalten koͤnnen/ da ich das Elend ſahe/ mit welchem bißweilen meine Schweſtern in dem unteren halben Circkel/ betrangt ſeyn. Jch ſahe daß alles dermaſſen voller Narꝛenwerck ware/ daß es euren Ohren und meiner Stimm unwuͤrdig iſt zu erzehlen. Jch ſahe unterweilen Leut/ die dem Teuffel Opffer brachten/ wenigſt/ daß er nicht ſchade. Jch erſahe andere/ wel- che die Unſchuldigen nicht beſchuͤtzeten/ weil ſie ein forchtſamen re- ſpect haͤtten/ ich ſahe letztlichen viel/ welche mit dienſtbarem Ge- muͤth alles lobeten/ damit ſie nicht Hunger leydeten/ oder in Bann kamen. Wann das andere zu erzehlen were/ kundteſt du leichtlich la- chen oder zuͤrnen. Aber mein Auffrichtigkeit hat mich aller Orten ver- haſt gemacht. Bin derowegen einiſt in die Wuͤſten gewichen/ daß ich moͤchte wol verborgen ſeyn/ wol ſchweigen/ und wol leben. Allda hat mich mit gar keuſchen Armen umbfangen der Nullus (keiner) und Nemo (der Niemand) viel waren/ die den Neminem mein zukuͤnffti- gen Braͤutigam mir verſtaͤndlich befalchen. Dann ſprachen ſie/ wer kan alles? Nemo, der Niemand. Wer iſt zu allen Stunden und Or- ten geſcheid! Nemo, der Niemand. Wer hat kein Mangel? Nemo, der Niemand. Wer fliecht den Todt? Nemo, der Niemaud. Wer iſt der alles gegenwertige/ das ſeyn wird/ und zukuͤnfftige weiſt? Nemo, der Niemand. Wer kan zweyen Herꝛen dienen? Nemo, der Niemand? Wer ehret Gott und die Reichthumb zugleich? Nemo, der Nie- mand. Wer iſt mit ſeinem Gluͤck zu frieden/ wer iſt in der Lieb verſtaͤn- dig und treu? Nemo, der Niemand. Wer hat ein groͤſſer Patrimo- nium als er hofft/ und ſo offt er will? Wer iſt allerſeits gluͤckſelig? Nemo, der Niemand. Wer kompt durch Unſchuld uͤberſich/ wer laſt ihme A a a v

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 745. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/787>, abgerufen am 22.11.2024.