Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].De Lana Caprina die Doctores Bullatos, macht man denn auch jetzo Bullatos Con-siliarios? Aber was ist es Wunder/ wenn kluge und verständige Re- genten solcher Thorheit Gehör und Genügen geben? Die von Wind und Lufft leben können/ sind keiner andern Speise würdig. Als ich vor- zeiten meines Vaters Schaafe in Arcadia hütete/ kennete ich einen Medicum, der so viel Titul hatte/ daß ich diese schwerlich ohne Ta- belle oder sonsten Gedächtnüs-Zettelein zehlen könte/ Er war und nennete sich so vieler Fürsten Raht und Consiliarium; daß ich offters bey mir nachdachte/ was er doch immermehr solchen seinen Fürsten für Raht gebe? Die Lateiner nennen solche nicht allerdinges recht Consiliarios, sondern wenn man recht Teutsch reden wolte/ solte man sie das fünffte Rad an den Wagen nennen. Wenn demnach Ehre der Kunst und Geschickligkeit/ und hinwieder Kunst und Geschicklig- keit der Ehre geziemet und gebühret; fraget sichs nicht unrecht war- um heutiges Tages den Tituln weniger als in den Vorzeiten zu trauen ist? Worauß zu sehen/ was es umb alle Dinge für grosse Eytelkeit seye und habe! Die so andern Schuhe machen/ lauffen unterweilens selbst parfuß; und so schlecht und liederlich einer was gelernet/ desto besser lebet er davon und bringet sich damit auß. Wie kompts daß die Manufacturen und Handwercker von Tage zu Tage zunehmen? Freye Künste hergegen sind Wegweiser/ die der Wandersman zwar ansiehet/ aber von solchen nicht befördert wird? Wie kompts daß ein Handwerck seinen Mann nehre/ Freyer Künste Wissenschafft aber gibt ihren Liebhabern nichts als famam & famem; Gerücht und Dünfftigkeit? ja noch wol kaum daß man von ihnen wisse. Denn wie- viel herrliche ingenia liegen wol in verborgen/ dieweil sie von der Armuth gedruckt werden; oder weil etlicher Mißgunst so groß/ damit sie andere freye und treuere ingenia unterdrückten. Jch halte den für toll und unsinnig/ der sich an des Schiffes Löchern und Ritzen/ und wenn das Wasser allgemach hinein dringet/ ergetzet/ da er weiß/ da er auch bald sterben und untergehen müsse. Jch hörte und notirte noch andere Sachen mehr/ die der Corydon/ nach dem die Schäfer also müssig um- her stunden/ redete/ der ergriff denn seine Schalmeye und sange/ (in dem etliche Wägen und Gutschen frembder Leute vorbey fuhren) et- liche Dylle/ Dylle/ Dyllia. Der eine von den Schäfern fragete heim- lich auß einen/ wer doch die frembde Herren wären/ der antworte/ es wehre Heinrich VVoton auß Engeland/ der als er einsmals an die Herren von Venedig Gesandten weiß geschicket und durch Augspurg reisete/ auf Begehren in ein Stambuch geschrieben/ und was ein Legat oder Abgeschickter seye beschrieben; nemblich; ein Gesandter sey/ der so abgeschicket wird frey und tapffer zu Lügen um gemeinen Bestens. Jch lachte/ aber es ward mir dz Schreiben/ dz an edlen Marc. VVelser gegeben D d iiij
De Lana Caprina die Doctores Bullatos, macht man denn auch jetzo Bullatos Con-ſiliarios? Aber was iſt es Wunder/ wenn kluge und verſtaͤndige Re- genten ſolcher Thorheit Gehoͤr und Genuͤgen geben? Die von Wind und Lufft leben koͤnnen/ ſind keiner andern Speiſe wuͤrdig. Als ich vor- zeiten meines Vaters Schaafe in Arcadia huͤtete/ kennete ich einen Medicum, der ſo viel Titul hatte/ daß ich dieſe ſchwerlich ohne Ta- belle oder ſonſten Gedaͤchtnuͤs-Zettelein zehlen koͤnte/ Er war und nennete ſich ſo vieler Fuͤrſten Raht und Conſiliarium; daß ich offters bey mir nachdachte/ was er doch immermehr ſolchen ſeinen Fuͤrſten fuͤr Raht gebe? Die Lateiner nennen ſolche nicht allerdinges recht Conſiliarios, ſondern wenn man recht Teutſch reden wolte/ ſolte man ſie das fuͤnffte Rad an den Wagen nennen. Wenn demnach Ehre der Kunſt und Geſchickligkeit/ und hinwieder Kunſt und Geſchicklig- keit der Ehre geziemet und gebuͤhret; fraget ſichs nicht unrecht war- um heutiges Tages den Tituln weniger als in den Vorzeitẽ zu trauen iſt? Worauß zu ſehen/ was es umb alle Dinge fuͤr groſſe Eytelkeit ſeye und habe! Die ſo andern Schuhe machen/ lauffen unterweilens ſelbſt parfuß; und ſo ſchlecht und liederlich einer was gelernet/ deſto beſſer lebet er davon und bringet ſich damit auß. Wie kompts daß die Manufacturen und Handwercker von Tage zu Tage zunehmen? Freye Kuͤnſte hergegen ſind Wegweiſer/ die der Wandersman zwar anſiehet/ aber von ſolchen nicht befoͤrdert wird? Wie kompts daß ein Handwerck ſeinen Mann nehre/ Freyer Kuͤnſte Wiſſenſchafft aber gibt ihren Liebhabern nichts als famam & famem; Geruͤcht und Duͤnfftigkeit? ja noch wol kaum daß man von ihnen wiſſe. Denn wie- viel herꝛliche ingenia liegen wol in verborgen/ dieweil ſie von der Armuth gedruckt werden; oder weil etlicher Mißgunſt ſo groß/ damit ſie andere freye und treuere ingenia unterdruͤckten. Jch halte den fuͤr toll und unſinnig/ der ſich an des Schiffes Loͤchern und Ritzẽ/ uñ wenn das Waſſer allgemach hinein dringet/ ergetzet/ da er weiß/ da er auch bald ſterben und untergehen muͤſſe. Jch hoͤrte und notirte noch andere Sachen mehr/ die der Corydon/ nach dem die Schaͤfer alſo muͤſſig um- her ſtunden/ redete/ der ergriff denn ſeine Schalmeye und ſange/ (in dem etliche Waͤgen und Gutſchen frembder Leute vorbey fuhren) et- liche Dylle/ Dylle/ Dyllia. Der eine von den Schaͤfern fragete heim- lich auß einen/ wer doch die frembde Herꝛen waͤren/ der antworte/ es wehre Heinrich VVoton auß Engeland/ der als er einsmals an die Herꝛen von Venedig Geſandten weiß geſchicket und durch Augſpurg reiſete/ auf Begehren in ein Stambuch geſchrieben/ und was ein Legat oder Abgeſchickter ſeye beſchrieben; nemblich; ein Geſandter ſey/ der ſo abgeſchicket wird frey und tapffer zu Luͤgen um gemeinen Beſtens. Jch lachte/ aber es ward mir dz Schreibẽ/ dz an edlẽ Marc. VVelſer gegeben D d iiij
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De Lana Caprina
die Doctores Bullatos, macht man denn auch jetzo Bullatos Con-
ſiliarios? Aber was iſt es Wunder/ wenn kluge und verſtaͤndige Re-
genten ſolcher Thorheit Gehoͤr und Genuͤgen geben? Die von Wind
und Lufft leben koͤnnen/ ſind keiner andern Speiſe wuͤrdig. Als ich vor-
zeiten meines Vaters Schaafe in Arcadia huͤtete/ kennete ich einen
Medicum, der ſo viel Titul hatte/ daß ich dieſe ſchwerlich ohne Ta-
belle oder ſonſten Gedaͤchtnuͤs-Zettelein zehlen koͤnte/ Er war und
nennete ſich ſo vieler Fuͤrſten Raht und Conſiliarium; daß ich offters
bey mir nachdachte/ was er doch immermehr ſolchen ſeinen Fuͤrſten
fuͤr Raht gebe? Die Lateiner nennen ſolche nicht allerdinges recht
Conſiliarios, ſondern wenn man recht Teutſch reden wolte/ ſolte
man ſie das fuͤnffte Rad an den Wagen nennen. Wenn demnach Ehre
der Kunſt und Geſchickligkeit/ und hinwieder Kunſt und Geſchicklig-
keit der Ehre geziemet und gebuͤhret; fraget ſichs nicht unrecht war-
um heutiges Tages den Tituln weniger als in den Vorzeitẽ zu trauen
iſt? Worauß zu ſehen/ was es umb alle Dinge fuͤr groſſe Eytelkeit
ſeye und habe! Die ſo andern Schuhe machen/ lauffen unterweilens
ſelbſt parfuß; und ſo ſchlecht und liederlich einer was gelernet/ deſto
beſſer lebet er davon und bringet ſich damit auß. Wie kompts daß die
Manufacturen und Handwercker von Tage zu Tage zunehmen?
Freye Kuͤnſte hergegen ſind Wegweiſer/ die der Wandersman zwar
anſiehet/ aber von ſolchen nicht befoͤrdert wird? Wie kompts daß ein
Handwerck ſeinen Mann nehre/ Freyer Kuͤnſte Wiſſenſchafft aber
gibt ihren Liebhabern nichts als famam & famem; Geruͤcht und
Duͤnfftigkeit? ja noch wol kaum daß man von ihnen wiſſe. Denn wie-
viel herꝛliche ingenia liegen wol in verborgen/ dieweil ſie von der
Armuth gedruckt werden; oder weil etlicher Mißgunſt ſo groß/ damit
ſie andere freye und treuere ingenia unterdruͤckten. Jch halte den fuͤr
toll und unſinnig/ der ſich an des Schiffes Loͤchern und Ritzẽ/ uñ wenn
das Waſſer allgemach hinein dringet/ ergetzet/ da er weiß/ da er auch
bald ſterben und untergehen muͤſſe. Jch hoͤrte und notirte noch andere
Sachen mehr/ die der Corydon/ nach dem die Schaͤfer alſo muͤſſig um-
her ſtunden/ redete/ der ergriff denn ſeine Schalmeye und ſange/ (in
dem etliche Waͤgen und Gutſchen frembder Leute vorbey fuhren) et-
liche Dylle/ Dylle/ Dyllia. Der eine von den Schaͤfern fragete heim-
lich auß einen/ wer doch die frembde Herꝛen waͤren/ der antworte/ es
wehre Heinrich VVoton auß Engeland/ der als er einsmals an die
Herꝛen von Venedig Geſandten weiß geſchicket und durch Augſpurg
reiſete/ auf Begehren in ein Stambuch geſchrieben/ und was ein Legat
oder Abgeſchickter ſeye beſchrieben; nemblich; ein Geſandter ſey/ der
ſo abgeſchicket wird frey und tapffer zu Luͤgen um gemeinen Beſtens.
Jch lachte/ aber es ward mir dz Schreibẽ/ dz an edlẽ Marc. VVelſer
gegeben
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/465>, abgerufen am 03.07.2024. |