Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

Bild:
<< vorherige Seite


Von dem Lobe und Würde
deß Wörtlein

Nichts.


GLeichwie gönstige liebe Zuhörer mir nichts
liebers ist/ als eure hertzliche Zuneigung die ihr zu mir
traget/ also solle mir nichts höhers noch mehrers an-
gelegen seyn/ als euer tragendes Verlangen und
Wunsch mit meinem Fleiß zu erfüllen/ es wird aber
dieses nicht genug seyn/ sondern werdet bey dieser instehenden Neuen
Jahrszeit auch ein Neu Jahr Geschencke von mir erwarten wollen/
dieweil ihr aber bißhero zimlich nachlässig im studiren gewesen/ also
sollet ihr haben Nichts.

Als dem großmächtigen Dario, Könige in Persien von allen sei-
nen Unterthanen Geschencke zugetragen ward/ brachte unter andern
ein armer Mann einen Hut voll Wassers/ welches der König nicht
verachtet/ sondern hochgehalten hat; wann ich mich zu euch recht ver-
sehe/ und eurer Liebe mich versichere/ werdet ihr auch in gleichem nicht
verachten mein Nichts: Sondern werdet vielmehr betrachten was
das vor einen herrlichen Nutzen durch das gantze menschliche Leben
hindurch habe/ und was vor eine Fürtreffligkeit. Es ist viel daran ge-
legen/ wo und an welchem Orte einer gezeuget und geboren/ so gar daß
ein vornehmer Rechtsgelehrter darfür gehalten hat/ man hätte auß
deß Menschen Vaterlande/ wann dieses berüchtiget oder nicht/ abezu-
nehmen und zu schliessen/ ob einer unter die Folter zu legen seye oder
nicht? Nicht weniger ist angelegen/ von welchen Eltern jemanden ge-
boren; ob er von einem Agamemnone und tapffern Helden/ oder
von Thersite einem schlechten und geringen Manne gezeuget und
geboren? Dann die Tugend von den Eltern in die Kinder/ auch von
Pferden und Löwen in die Jungen gepflantzet und eingetrucket wird.
Gleichwie nun auß Tapffern/ tapffere/ auß Frommen/ fromme ent-
spriessen/ also entspringet und enspriesset sich Nichts auß Nichts.
Es pflegen die Oratores und Redener in ihren Discursen, dardurch
sie den Zuhörer zu bewegen sich befleissigen/ nicht das geringste fun-

dament


Von dem Lobe und Wuͤrde
deß Woͤrtlein

Nichts.


GLeichwie goͤnſtige liebe Zuhoͤrer mir nichts
liebers iſt/ als eure hertzliche Zuneigung die ihr zu mir
traget/ alſo ſolle mir nichts hoͤhers noch mehrers an-
gelegen ſeyn/ als euer tragendes Verlangen und
Wunſch mit meinem Fleiß zu erfuͤllen/ es wird aber
dieſes nicht genug ſeyn/ ſondern werdet bey dieſer inſtehenden Neuen
Jahrszeit auch ein Neu Jahr Geſchencke von mir erwarten wollen/
dieweil ihr aber bißhero zimlich nachlaͤſſig im ſtudiren geweſen/ alſo
ſollet ihr haben Nichts.

Als dem großmaͤchtigen Dario, Koͤnige in Perſien von allen ſei-
nen Unterthanen Geſchencke zugetragen ward/ brachte unter andern
ein armer Mann einen Hut voll Waſſers/ welches der Koͤnig nicht
verachtet/ ſondern hochgehalten hat; wann ich mich zu euch recht ver-
ſehe/ und eurer Liebe mich verſichere/ werdet ihr auch in gleichem nicht
verachten mein Nichts: Sondern werdet vielmehr betrachten was
das vor einen herrlichen Nutzen durch das gantze menſchliche Leben
hindurch habe/ und was vor eine Fuͤrtreffligkeit. Es iſt viel daran ge-
legen/ wo und an welchem Orte einer gezeuget und geboren/ ſo gar daß
ein vornehmer Rechtsgelehrter darfuͤr gehalten hat/ man haͤtte auß
deß Menſchen Vaterlande/ wann dieſes beruͤchtiget oder nicht/ abezu-
nehmen und zu ſchlieſſen/ ob einer unter die Folter zu legen ſeye oder
nicht? Nicht weniger iſt angelegen/ von welchen Eltern jemanden ge-
boren; ob er von einem Agamemnone und tapffern Helden/ oder
von Therſite einem ſchlechten und geringen Manne gezeuget und
geboren? Dann die Tugend von den Eltern in die Kinder/ auch von
Pferden und Loͤwen in die Jungen gepflantzet und eingetrucket wird.
Gleichwie nun auß Tapffern/ tapffere/ auß Frommen/ fromme ent-
ſprieſſen/ alſo entſpringet und enſprieſſet ſich Nichts auß Nichts.
Es pflegen die Oratores und Redener in ihren Diſcurſen, dardurch
ſie den Zuhoͤrer zu bewegen ſich befleiſſigen/ nicht das geringſte fun-

dament
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0444" n="402"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Von dem Lobe und Wu&#x0364;rde<lb/>
deß Wo&#x0364;rtlein</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Nichts.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">G</hi><hi rendition="#fr">Leichwie go&#x0364;n&#x017F;tige liebe Zuho&#x0364;rer mir nichts</hi><lb/>
liebers i&#x017F;t/ als eure hertzliche Zuneigung die ihr zu mir<lb/>
traget/ al&#x017F;o &#x017F;olle mir nichts ho&#x0364;hers noch mehrers an-<lb/>
gelegen &#x017F;eyn/ als euer tragendes Verlangen und<lb/>
Wun&#x017F;ch mit meinem Fleiß zu erfu&#x0364;llen/ es wird aber<lb/>
die&#x017F;es nicht genug &#x017F;eyn/ &#x017F;ondern werdet bey die&#x017F;er in&#x017F;tehenden Neuen<lb/>
Jahrszeit auch ein Neu Jahr Ge&#x017F;chencke von mir erwarten wollen/<lb/>
dieweil ihr aber bißhero zimlich nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig im &#x017F;tudiren gewe&#x017F;en/ al&#x017F;o<lb/>
&#x017F;ollet ihr haben <hi rendition="#fr">Nichts.</hi></p><lb/>
        <p>Als dem großma&#x0364;chtigen <hi rendition="#aq">Dario,</hi> Ko&#x0364;nige in Per&#x017F;ien von allen &#x017F;ei-<lb/>
nen Unterthanen Ge&#x017F;chencke zugetragen ward/ brachte unter andern<lb/>
ein armer Mann einen Hut voll Wa&#x017F;&#x017F;ers/ welches der Ko&#x0364;nig nicht<lb/>
verachtet/ &#x017F;ondern hochgehalten hat; wann ich mich zu euch recht ver-<lb/>
&#x017F;ehe/ und eurer Liebe mich ver&#x017F;ichere/ werdet ihr auch in gleichem nicht<lb/>
verachten mein <hi rendition="#fr">Nichts:</hi> Sondern werdet vielmehr betrachten was<lb/>
das vor einen herrlichen Nutzen durch das gantze men&#x017F;chliche Leben<lb/>
hindurch habe/ und was vor eine Fu&#x0364;rtreffligkeit. Es i&#x017F;t viel daran ge-<lb/>
legen/ wo und an welchem Orte einer gezeuget und geboren/ &#x017F;o gar daß<lb/>
ein vornehmer Rechtsgelehrter darfu&#x0364;r gehalten hat/ man ha&#x0364;tte auß<lb/>
deß Men&#x017F;chen Vaterlande/ wann die&#x017F;es beru&#x0364;chtiget oder nicht/ abezu-<lb/>
nehmen und zu &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ ob einer unter die Folter zu legen &#x017F;eye oder<lb/>
nicht? Nicht weniger i&#x017F;t angelegen/ von welchen Eltern jemanden ge-<lb/>
boren; ob er von einem <hi rendition="#aq">Agamemnone</hi> und tapffern Helden/ oder<lb/>
von <hi rendition="#aq">Ther&#x017F;ite</hi> einem &#x017F;chlechten und geringen Manne gezeuget und<lb/>
geboren? Dann die Tugend von den Eltern in die Kinder/ auch von<lb/>
Pferden und Lo&#x0364;wen in die Jungen gepflantzet und eingetrucket wird.<lb/>
Gleichwie nun auß Tapffern/ tapffere/ auß Frommen/ fromme ent-<lb/>
&#x017F;prie&#x017F;&#x017F;en/ al&#x017F;o ent&#x017F;pringet und en&#x017F;prie&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Nichts</hi> auß <hi rendition="#fr">Nichts.</hi><lb/>
Es pflegen die <hi rendition="#aq">Oratores</hi> und Redener in ihren <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cur&#x017F;en,</hi> dardurch<lb/>
&#x017F;ie den Zuho&#x0364;rer zu bewegen &#x017F;ich beflei&#x017F;&#x017F;igen/ nicht das gering&#x017F;te <hi rendition="#aq">fun-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">dament</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0444] Von dem Lobe und Wuͤrde deß Woͤrtlein Nichts. GLeichwie goͤnſtige liebe Zuhoͤrer mir nichts liebers iſt/ als eure hertzliche Zuneigung die ihr zu mir traget/ alſo ſolle mir nichts hoͤhers noch mehrers an- gelegen ſeyn/ als euer tragendes Verlangen und Wunſch mit meinem Fleiß zu erfuͤllen/ es wird aber dieſes nicht genug ſeyn/ ſondern werdet bey dieſer inſtehenden Neuen Jahrszeit auch ein Neu Jahr Geſchencke von mir erwarten wollen/ dieweil ihr aber bißhero zimlich nachlaͤſſig im ſtudiren geweſen/ alſo ſollet ihr haben Nichts. Als dem großmaͤchtigen Dario, Koͤnige in Perſien von allen ſei- nen Unterthanen Geſchencke zugetragen ward/ brachte unter andern ein armer Mann einen Hut voll Waſſers/ welches der Koͤnig nicht verachtet/ ſondern hochgehalten hat; wann ich mich zu euch recht ver- ſehe/ und eurer Liebe mich verſichere/ werdet ihr auch in gleichem nicht verachten mein Nichts: Sondern werdet vielmehr betrachten was das vor einen herrlichen Nutzen durch das gantze menſchliche Leben hindurch habe/ und was vor eine Fuͤrtreffligkeit. Es iſt viel daran ge- legen/ wo und an welchem Orte einer gezeuget und geboren/ ſo gar daß ein vornehmer Rechtsgelehrter darfuͤr gehalten hat/ man haͤtte auß deß Menſchen Vaterlande/ wann dieſes beruͤchtiget oder nicht/ abezu- nehmen und zu ſchlieſſen/ ob einer unter die Folter zu legen ſeye oder nicht? Nicht weniger iſt angelegen/ von welchen Eltern jemanden ge- boren; ob er von einem Agamemnone und tapffern Helden/ oder von Therſite einem ſchlechten und geringen Manne gezeuget und geboren? Dann die Tugend von den Eltern in die Kinder/ auch von Pferden und Loͤwen in die Jungen gepflantzet und eingetrucket wird. Gleichwie nun auß Tapffern/ tapffere/ auß Frommen/ fromme ent- ſprieſſen/ alſo entſpringet und enſprieſſet ſich Nichts auß Nichts. Es pflegen die Oratores und Redener in ihren Diſcurſen, dardurch ſie den Zuhoͤrer zu bewegen ſich befleiſſigen/ nicht das geringſte fun- dament

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/444
Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/444>, abgerufen am 19.05.2024.