Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

Bild:
<< vorherige Seite

Lucidor.
in Städten/ in Feldern und Wäldern leistet/ vergebens/ und GOtt
dem Höchsten nicht angenehm sey/ so lang ihr das alte rachgierige
Hertz wider euren Cousin und Anverwandten behaltet. Diß alte
Liedlein muß ich jetzo widerholen/ weil ich sehe/ daß ihr noch immer-
dar mit deß Belials Tochter tantzet/ und in diesem langwirigen Tantz
biß an die Pforten der Höllen kommen seyd. Alle Schäfer in dieser
Gegend/ rühmen sonst euren hohen und von Natur reichlich geseg-
neten Verstand/ und sehen mit Verwunderung an eure hochgeseg-
nete Heerde/ wie hie tausend/ dort zehentausend von euren Lämmern
und Schaafen/ auff den Bergen und Hügeln weiden/ hüpffen und
springen/ wie eure Schäfer-Knechte ihre Häupter mit schönen
Kräntzen zieren; wie sie ihre Schalmeyen mit köstlichen Faveurn
und seidenen Bändern umbwinden; wie sie unter den schönen schat-
tichten Eychbäumen sitzen/ und ein Liedlein nach dem andern singen/
und unterdessen eure Heerde je mehr und mehr zunehmen/ also/ daß
keine Klage von Schaden oder Verlust in euren Angern und Schaaf-
ställen gehöret werde. Allein ein jeder verständiger Schäfer beklager
euch/ daß ihr eure Seele so gering achtet/ welche Christus mit seinem
Blut so theur erkaufft/ welche mehr werth ist als alle Schaafe in
gantz Arcadia und groß Britannien, mehr als das Orientalische
und Occidentalische Käyserthumb/ mehr als die gantze Welt. Jch
sehe zwar/ daß ihr offt zur Kirchen kommet/ und dencket/ ihr wollet
ein paar Lämmer von euer Heerde daran spendiren/ und nach ange-
hörter Predigt/ den armen Schäflein Christi etwas mittheilen/ in
Hoffnung der Sohn Gottes/ werde euch deßwegen am Jüngsten
Tag zu seiner Rechten unter seine Saafe stellen/ und sagen: Komm
her du gesegnet er meines Vaters/ ererbe das Reich/ welches dir
bereitet ist von Anbegin der Welt. Jch bin hungerig gewesen/ und
du hast mich gespeiset; Jch bin durstig gewesen/ und du hast mich
geträncket; Jch bin nackend gewesen/ und du hast mich bekleidet. Al-
les was du gethan hast einem unter diesen meinen geringsten Brü-
dern/ das hast du mir gethan. Aber wisset Edler Lucidor, daß
Gott keine Gabe achtet/ und nach keinem Opffer fragt/ das von
unversöhnlicher und rachgieriger Hand kombt. Wann ich all
mein Haab den Armen gebe/ und hätte der Liebe nicht/ so ist es mir
nichts nütze/ schreibet der Heyden Apostel an seine Zühörer/
1. Corinth. 23. Wollet ihr ein grosses Allmosen geben/ so ver-
traget euch miteurem Nechsten. Thut ihr das nicht/ so ist all
euer Allmosen geben und Kirchengehen umbsonst/ sondern
eben dieses Kirchengehen/ wenn ihr mit rachgierigen unversöhn-
lichen Hertzen in die Kirche und auß der Kirchen gehet/ wird

euch
S ij

Lucidor.
in Staͤdten/ in Feldern und Waͤldern leiſtet/ vergebens/ und GOtt
dem Hoͤchſten nicht angenehm ſey/ ſo lang ihr das alte rachgierige
Hertz wider euren Couſin und Anverwandten behaltet. Diß alte
Liedlein muß ich jetzo widerholen/ weil ich ſehe/ daß ihr noch immer-
dar mit deß Belials Tochter tantzet/ und in dieſem langwirigen Tantz
biß an die Pforten der Hoͤllen kommen ſeyd. Alle Schaͤfer in dieſer
Gegend/ ruͤhmen ſonſt euren hohen und von Natur reichlich geſeg-
neten Verſtand/ und ſehen mit Verwunderung an eure hochgeſeg-
nete Heerde/ wie hie tauſend/ dort zehentauſend von euren Laͤmmern
und Schaafen/ auff den Bergen und Huͤgeln weiden/ huͤpffen und
ſpringen/ wie eure Schaͤfer-Knechte ihre Haͤupter mit ſchoͤnen
Kraͤntzen zieren; wie ſie ihre Schalmeyen mit koͤſtlichen Faveurn
und ſeidenen Baͤndern umbwinden; wie ſie unter den ſchoͤnen ſchat-
tichten Eychbaͤumen ſitzen/ und ein Liedlein nach dem andern ſingen/
und unterdeſſen eure Heerde je mehr und mehr zunehmen/ alſo/ daß
keine Klage von Schaden oder Verluſt in euren Angern und Schaaf-
ſtaͤllen gehoͤret werde. Allein ein jeder verſtaͤndiger Schaͤfer beklager
euch/ daß ihr eure Seele ſo gering achtet/ welche Chriſtus mit ſeinem
Blut ſo theur erkaufft/ welche mehr werth iſt als alle Schaafe in
gantz Arcadia und groß Britannien, mehr als das Orientaliſche
und Occidentaliſche Kaͤyſerthumb/ mehr als die gantze Welt. Jch
ſehe zwar/ daß ihr offt zur Kirchen kommet/ und dencket/ ihr wollet
ein paar Laͤmmer von euer Heerde daran ſpendiren/ und nach ange-
hoͤrter Predigt/ den armen Schaͤflein Chriſti etwas mittheilen/ in
Hoffnung der Sohn Gottes/ werde euch deßwegen am Juͤngſten
Tag zu ſeiner Rechten unter ſeine Saafe ſtellen/ und ſagen: Komm
her du geſegnet er meines Vaters/ ererbe das Reich/ welches dir
bereitet iſt von Anbegin der Welt. Jch bin hungerig geweſen/ und
du haſt mich geſpeiſet; Jch bin durſtig geweſen/ und du haſt mich
getraͤncket; Jch bin nackend geweſen/ und du haſt mich bekleidet. Al-
les was du gethan haſt einem unter dieſen meinen geringſten Bruͤ-
dern/ das haſt du mir gethan. Aber wiſſet Edler Lucidor, daß
Gott keine Gabe achtet/ und nach keinem Opffer fragt/ das von
unverſoͤhnlicher und rachgieriger Hand kombt. Wann ich all
mein Haab den Armen gebe/ und haͤtte der Liebe nicht/ ſo iſt es mir
nichts nuͤtze/ ſchreibet der Heyden Apoſtel an ſeine Zuͤhoͤrer/
1. Corinth. 23. Wollet ihr ein groſſes Allmoſen geben/ ſo ver-
traget euch miteurem Nechſten. Thut ihr das nicht/ ſo iſt all
euer Allmoſen geben und Kirchengehen umbſonſt/ ſondern
eben dieſes Kirchengehen/ wenn ihr mit rachgierigen unverſoͤhn-
lichen Hertzen in die Kirche und auß der Kirchen gehet/ wird

euch
S ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0317" n="275"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Lucidor.</hi></fw><lb/>
in Sta&#x0364;dten/ in Feldern und Wa&#x0364;ldern lei&#x017F;tet/ vergebens/ und GOtt<lb/>
dem Ho&#x0364;ch&#x017F;ten nicht angenehm &#x017F;ey/ &#x017F;o lang ihr das alte rachgierige<lb/>
Hertz wider euren <hi rendition="#aq">Cou&#x017F;in</hi> und Anverwandten behaltet. Diß alte<lb/>
Liedlein muß ich jetzo widerholen/ weil ich &#x017F;ehe/ daß ihr noch immer-<lb/>
dar mit deß Belials Tochter tantzet/ und in die&#x017F;em langwirigen Tantz<lb/>
biß an die Pforten der Ho&#x0364;llen kommen &#x017F;eyd. Alle Scha&#x0364;fer in die&#x017F;er<lb/>
Gegend/ ru&#x0364;hmen &#x017F;on&#x017F;t euren hohen und von Natur reichlich ge&#x017F;eg-<lb/>
neten Ver&#x017F;tand/ und &#x017F;ehen mit Verwunderung an eure hochge&#x017F;eg-<lb/>
nete Heerde/ wie hie tau&#x017F;end/ dort zehentau&#x017F;end von euren La&#x0364;mmern<lb/>
und Schaafen/ auff den Bergen und Hu&#x0364;geln weiden/ hu&#x0364;pffen und<lb/>
&#x017F;pringen/ wie eure Scha&#x0364;fer-Knechte ihre Ha&#x0364;upter mit &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Kra&#x0364;ntzen zieren; wie &#x017F;ie ihre Schalmeyen mit ko&#x0364;&#x017F;tlichen <hi rendition="#aq">Faveurn</hi><lb/>
und &#x017F;eidenen Ba&#x0364;ndern umbwinden; wie &#x017F;ie unter den &#x017F;cho&#x0364;nen &#x017F;chat-<lb/>
tichten Eychba&#x0364;umen &#x017F;itzen/ und ein Liedlein nach dem andern &#x017F;ingen/<lb/>
und unterde&#x017F;&#x017F;en eure Heerde je mehr und mehr zunehmen/ al&#x017F;o/ daß<lb/>
keine Klage von Schaden oder Verlu&#x017F;t in euren Angern und Schaaf-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;llen geho&#x0364;ret werde. Allein ein jeder ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger Scha&#x0364;fer beklager<lb/>
euch/ daß ihr eure Seele &#x017F;o gering achtet/ welche Chri&#x017F;tus mit &#x017F;einem<lb/>
Blut &#x017F;o theur erkaufft/ welche mehr werth i&#x017F;t als alle Schaafe in<lb/>
gantz <hi rendition="#aq">Arcadia</hi> und groß <hi rendition="#aq">Britannien,</hi> mehr als das <hi rendition="#aq">Orientali</hi>&#x017F;che<lb/>
und <hi rendition="#aq">Occidentali</hi>&#x017F;che Ka&#x0364;y&#x017F;erthumb/ mehr als die gantze Welt. Jch<lb/>
&#x017F;ehe zwar/ daß ihr offt zur Kirchen kommet/ und dencket/ ihr wollet<lb/>
ein paar La&#x0364;mmer von euer Heerde daran &#x017F;pendiren/ und nach ange-<lb/>
ho&#x0364;rter Predigt/ den armen Scha&#x0364;flein Chri&#x017F;ti etwas mittheilen/ in<lb/>
Hoffnung der Sohn Gottes/ werde euch deßwegen am Ju&#x0364;ng&#x017F;ten<lb/>
Tag zu &#x017F;einer Rechten unter &#x017F;eine Saafe &#x017F;tellen/ und &#x017F;agen: Komm<lb/>
her du ge&#x017F;egnet er meines Vaters/ ererbe das Reich/ welches dir<lb/>
bereitet i&#x017F;t von Anbegin der Welt. Jch bin hungerig gewe&#x017F;en/ und<lb/>
du ha&#x017F;t mich ge&#x017F;pei&#x017F;et; Jch bin dur&#x017F;tig gewe&#x017F;en/ und du ha&#x017F;t mich<lb/>
getra&#x0364;ncket; Jch bin nackend gewe&#x017F;en/ und du ha&#x017F;t mich bekleidet. Al-<lb/>
les was du gethan ha&#x017F;t einem unter die&#x017F;en meinen gering&#x017F;ten Bru&#x0364;-<lb/>
dern/ das ha&#x017F;t du mir gethan. Aber wi&#x017F;&#x017F;et Edler <hi rendition="#aq">Lucidor,</hi> daß<lb/>
Gott keine Gabe achtet/ und nach keinem Opffer fragt/ das von<lb/>
unver&#x017F;o&#x0364;hnlicher und rachgieriger Hand kombt. Wann ich all<lb/>
mein Haab den Armen gebe/ und ha&#x0364;tte der Liebe nicht/ &#x017F;o i&#x017F;t es mir<lb/>
nichts nu&#x0364;tze/ &#x017F;chreibet der Heyden Apo&#x017F;tel an &#x017F;eine Zu&#x0364;ho&#x0364;rer/<lb/>
1. Corinth. 23. Wollet ihr ein gro&#x017F;&#x017F;es Allmo&#x017F;en geben/ &#x017F;o ver-<lb/>
traget euch miteurem Nech&#x017F;ten. Thut ihr das nicht/ &#x017F;o i&#x017F;t all<lb/>
euer Allmo&#x017F;en geben und Kirchengehen umb&#x017F;on&#x017F;t/ &#x017F;ondern<lb/>
eben die&#x017F;es Kirchengehen/ wenn ihr mit rachgierigen unver&#x017F;o&#x0364;hn-<lb/>
lichen Hertzen in die Kirche und auß der Kirchen gehet/ wird<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S ij</fw><fw place="bottom" type="catch">euch</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0317] Lucidor. in Staͤdten/ in Feldern und Waͤldern leiſtet/ vergebens/ und GOtt dem Hoͤchſten nicht angenehm ſey/ ſo lang ihr das alte rachgierige Hertz wider euren Couſin und Anverwandten behaltet. Diß alte Liedlein muß ich jetzo widerholen/ weil ich ſehe/ daß ihr noch immer- dar mit deß Belials Tochter tantzet/ und in dieſem langwirigen Tantz biß an die Pforten der Hoͤllen kommen ſeyd. Alle Schaͤfer in dieſer Gegend/ ruͤhmen ſonſt euren hohen und von Natur reichlich geſeg- neten Verſtand/ und ſehen mit Verwunderung an eure hochgeſeg- nete Heerde/ wie hie tauſend/ dort zehentauſend von euren Laͤmmern und Schaafen/ auff den Bergen und Huͤgeln weiden/ huͤpffen und ſpringen/ wie eure Schaͤfer-Knechte ihre Haͤupter mit ſchoͤnen Kraͤntzen zieren; wie ſie ihre Schalmeyen mit koͤſtlichen Faveurn und ſeidenen Baͤndern umbwinden; wie ſie unter den ſchoͤnen ſchat- tichten Eychbaͤumen ſitzen/ und ein Liedlein nach dem andern ſingen/ und unterdeſſen eure Heerde je mehr und mehr zunehmen/ alſo/ daß keine Klage von Schaden oder Verluſt in euren Angern und Schaaf- ſtaͤllen gehoͤret werde. Allein ein jeder verſtaͤndiger Schaͤfer beklager euch/ daß ihr eure Seele ſo gering achtet/ welche Chriſtus mit ſeinem Blut ſo theur erkaufft/ welche mehr werth iſt als alle Schaafe in gantz Arcadia und groß Britannien, mehr als das Orientaliſche und Occidentaliſche Kaͤyſerthumb/ mehr als die gantze Welt. Jch ſehe zwar/ daß ihr offt zur Kirchen kommet/ und dencket/ ihr wollet ein paar Laͤmmer von euer Heerde daran ſpendiren/ und nach ange- hoͤrter Predigt/ den armen Schaͤflein Chriſti etwas mittheilen/ in Hoffnung der Sohn Gottes/ werde euch deßwegen am Juͤngſten Tag zu ſeiner Rechten unter ſeine Saafe ſtellen/ und ſagen: Komm her du geſegnet er meines Vaters/ ererbe das Reich/ welches dir bereitet iſt von Anbegin der Welt. Jch bin hungerig geweſen/ und du haſt mich geſpeiſet; Jch bin durſtig geweſen/ und du haſt mich getraͤncket; Jch bin nackend geweſen/ und du haſt mich bekleidet. Al- les was du gethan haſt einem unter dieſen meinen geringſten Bruͤ- dern/ das haſt du mir gethan. Aber wiſſet Edler Lucidor, daß Gott keine Gabe achtet/ und nach keinem Opffer fragt/ das von unverſoͤhnlicher und rachgieriger Hand kombt. Wann ich all mein Haab den Armen gebe/ und haͤtte der Liebe nicht/ ſo iſt es mir nichts nuͤtze/ ſchreibet der Heyden Apoſtel an ſeine Zuͤhoͤrer/ 1. Corinth. 23. Wollet ihr ein groſſes Allmoſen geben/ ſo ver- traget euch miteurem Nechſten. Thut ihr das nicht/ ſo iſt all euer Allmoſen geben und Kirchengehen umbſonſt/ ſondern eben dieſes Kirchengehen/ wenn ihr mit rachgierigen unverſoͤhn- lichen Hertzen in die Kirche und auß der Kirchen gehet/ wird euch S ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/317
Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/317>, abgerufen am 25.11.2024.