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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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SALOMO oder Regenten-Spiegel.

Jch weiß zwar wol daß viel Naseweise Judicia von dieser Art zu
schreiben gefället werden. Allein ich frage dich/ ob du niemals eine
Comoedi gelesen habst von dem Tobia/ von Judith und Holofer-
nes/ oder dergleichen/ da die Person/ das Thema oder die proposi-
tion
ist genommen auß H. Schrifft/ und ist Ethice und Politice tra-
ctiret
worden/ und hat sich niemand daran geärgert/ sondern man-
cher ist durch gute/ bey solcher occasion angeführte moralia erlu-
stiget und erbauet worden? Die VVARHEIT ist wie ein kalter
Bräten. Wann man den einen armen hungerigen Manne fürsetzt/
so sättiget er seinen Hunger damit/ und dancket GOtt für das niedli-
che Bißlein. Aber wann man ihn einem reichen Schlemmer/ einen
grossen Herrn zum Frühstück vorsetzt/ so wil er offt nicht davon fres-
sen/ sondern der Koch soll alsbald kleine Pasteten oder etwas anders
dar auß machen. Das hat vielleicht der Prophet Nathan gemerckt.
Als der zum Könige David kam/ da sagt er nicht alsbald/ König Da-
vid/ du bist ein Mörder und ein Ehebrecher. Und die Mörder und E-
hebrecher werden das Reich G Ottes nicht ererben/ wann sie nicht
Busse thun. Sondern er erzehlte ihm ein Parabol/ wor auß der Kö-
nig endlich merckete/ was die Glocke geschlagen habe. Es mag ein je-
der von diesen oder dergleichen Tractatlein judiciren wie er wil. Jch
verweise inzwischen solche Klüglinge zu der Vorrede in den LUCI.
DOR,
und werde ihnen/ geliebtes Gott/ zu anderer Zeit weitläuff-
tiger antworten. Jch gebe unterdessen auß Krafft eines sonderba-
ren Diplomatis einem jeden dieses Privilegium und Freyheit/ daß
er Macht und Gewalt haben soll/ diese Tractätlein zu lesen/ oder
nach seinem Belieben liegen zu lassen. Weil nichts darinne ist/ wel-
ches Gottes Wort/ der Augspurgischen Confession und andern li-
bris Symbolicis
zuwieder laufft/ verhoffe ich/ es werde kein Römi-
scher Käyser oder ander Potentat mich zwingen/ daß ich meinen
Stylum in politischen Schrifften regulire nach eines andern lyri-
pipio.
Es sind noch viel vornehme grosse Leute/ bey welchen et-
was mehr als Schulwitz ist/ welche wol wissen/ wie sie von solchen ge-
würtzten Tractamenten judiciren sollen. Denselben wünsche ich al-
les was ihr Hertz begehret/ und ihnen nütz und gut ist. Wann die
übrige/ welche/ wie der König Midas, unterweilens von einem Din-
ge judiciren/ wollen dieses Königes Reichthumb und seine andere
Herrligkeit haben/ so wünsche ich ihnen/ daß sie wol dabey fahren/
und des Nestoris Jahr und Lebens-Ziel erreichen
mögen.

Gehab dich wohl.

Der
SALOMO oder Regenten-Spiegel.

Jch weiß zwar wol daß viel Naſeweiſe Judicia von dieſer Art zu
ſchreiben gefaͤllet werden. Allein ich frage dich/ ob du niemals eine
Comœdi geleſen habſt von dem Tobia/ von Judith und Holofer-
nes/ oder dergleichen/ da die Perſon/ das Thema oder die propoſi-
tion
iſt genommen auß H. Schrifft/ und iſt Ethicè und Politicè tra-
ctiret
worden/ und hat ſich niemand daran geaͤrgert/ ſondern man-
cher iſt durch gute/ bey ſolcher occaſion angefuͤhrte moralia erlu-
ſtiget und erbauet worden? Die VVARHEIT iſt wie ein kalter
Braͤten. Wann man den einen armen hungerigen Manne fuͤrſetzt/
ſo ſaͤttiget er ſeinen Hunger damit/ und dancket GOtt fuͤr das niedli-
che Bißlein. Aber wann man ihn einem reichen Schlemmer/ einen
groſſen Herꝛn zum Fruͤhſtuͤck vorſetzt/ ſo wil er offt nicht davon freſ-
ſen/ ſondern der Koch ſoll alsbald kleine Paſteten oder etwas anders
dar auß machen. Das hat vielleicht der Prophet Nathan gemerckt.
Als der zum Koͤnige David kam/ da ſagt er nicht alsbald/ Koͤnig Da-
vid/ du biſt ein Moͤrder und ein Ehebrecher. Und die Moͤrder und E-
hebrecher werden das Reich G Ottes nicht ererben/ wann ſie nicht
Buſſe thun. Sondern er erzehlte ihm ein Parabol/ wor auß der Koͤ-
nig endlich merckete/ was die Glocke geſchlagen habe. Es mag ein je-
der von dieſen oder dergleichen Tractatlein judiciren wie er wil. Jch
verweiſe inzwiſchen ſolche Kluͤglinge zu der Vorrede in den LUCI.
DOR,
und werde ihnen/ geliebtes Gott/ zu anderer Zeit weitlaͤuff-
tiger antworten. Jch gebe unterdeſſen auß Krafft eines ſonderba-
ren Diplomatis einem jeden dieſes Privilegium und Freyheit/ daß
er Macht und Gewalt haben ſoll/ dieſe Tractaͤtlein zu leſen/ oder
nach ſeinem Belieben liegen zu laſſen. Weil nichts darinne iſt/ wel-
ches Gottes Wort/ der Augſpurgiſchen Confeſſion und andern li-
bris Symbolicis
zuwieder laufft/ verhoffe ich/ es werde kein Roͤmi-
ſcher Kaͤyſer oder ander Potentat mich zwingen/ daß ich meinen
Stylum in politiſchen Schrifften regulire nach eines andern lyri-
pipio.
Es ſind noch viel vornehme groſſe Leute/ bey welchen et-
was mehr als Schulwitz iſt/ welche wol wiſſen/ wie ſie von ſolchen ge-
wuͤrtzten Tractamenten judiciren ſollen. Denſelben wuͤnſche ich al-
les was ihr Hertz begehret/ und ihnen nuͤtz und gut iſt. Wann die
uͤbrige/ welche/ wie der Koͤnig Midas, unterweilens von einem Din-
ge judiciren/ wollen dieſes Koͤniges Reichthumb und ſeine andere
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und des Neſtoris Jahr und Lebens-Ziel erreichen
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[128/0170] SALOMO oder Regenten-Spiegel. Jch weiß zwar wol daß viel Naſeweiſe Judicia von dieſer Art zu ſchreiben gefaͤllet werden. Allein ich frage dich/ ob du niemals eine Comœdi geleſen habſt von dem Tobia/ von Judith und Holofer- nes/ oder dergleichen/ da die Perſon/ das Thema oder die propoſi- tion iſt genommen auß H. Schrifft/ und iſt Ethicè und Politicè tra- ctiret worden/ und hat ſich niemand daran geaͤrgert/ ſondern man- cher iſt durch gute/ bey ſolcher occaſion angefuͤhrte moralia erlu- ſtiget und erbauet worden? Die VVARHEIT iſt wie ein kalter Braͤten. Wann man den einen armen hungerigen Manne fuͤrſetzt/ ſo ſaͤttiget er ſeinen Hunger damit/ und dancket GOtt fuͤr das niedli- che Bißlein. Aber wann man ihn einem reichen Schlemmer/ einen groſſen Herꝛn zum Fruͤhſtuͤck vorſetzt/ ſo wil er offt nicht davon freſ- ſen/ ſondern der Koch ſoll alsbald kleine Paſteten oder etwas anders dar auß machen. Das hat vielleicht der Prophet Nathan gemerckt. Als der zum Koͤnige David kam/ da ſagt er nicht alsbald/ Koͤnig Da- vid/ du biſt ein Moͤrder und ein Ehebrecher. Und die Moͤrder und E- hebrecher werden das Reich G Ottes nicht ererben/ wann ſie nicht Buſſe thun. Sondern er erzehlte ihm ein Parabol/ wor auß der Koͤ- nig endlich merckete/ was die Glocke geſchlagen habe. Es mag ein je- der von dieſen oder dergleichen Tractatlein judiciren wie er wil. Jch verweiſe inzwiſchen ſolche Kluͤglinge zu der Vorrede in den LUCI. DOR, und werde ihnen/ geliebtes Gott/ zu anderer Zeit weitlaͤuff- tiger antworten. Jch gebe unterdeſſen auß Krafft eines ſonderba- ren Diplomatis einem jeden dieſes Privilegium und Freyheit/ daß er Macht und Gewalt haben ſoll/ dieſe Tractaͤtlein zu leſen/ oder nach ſeinem Belieben liegen zu laſſen. Weil nichts darinne iſt/ wel- ches Gottes Wort/ der Augſpurgiſchen Confeſſion und andern li- bris Symbolicis zuwieder laufft/ verhoffe ich/ es werde kein Roͤmi- ſcher Kaͤyſer oder ander Potentat mich zwingen/ daß ich meinen Stylum in politiſchen Schrifften regulire nach eines andern lyri- pipio. Es ſind noch viel vornehme groſſe Leute/ bey welchen et- was mehr als Schulwitz iſt/ welche wol wiſſen/ wie ſie von ſolchen ge- wuͤrtzten Tractamenten judiciren ſollen. Denſelben wuͤnſche ich al- les was ihr Hertz begehret/ und ihnen nuͤtz und gut iſt. Wann die uͤbrige/ welche/ wie der Koͤnig Midas, unterweilens von einem Din- ge judiciren/ wollen dieſes Koͤniges Reichthumb und ſeine andere Herꝛligkeit haben/ ſo wuͤnſche ich ihnen/ daß ſie wol dabey fahren/ und des Neſtoris Jahr und Lebens-Ziel erreichen moͤgen. Gehab dich wohl. Der

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/170>, abgerufen am 22.11.2024.