Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].zwischen Mann und Weib. Schnabler Liebe und unreine Geilheit gepflogen/ welche nicht besserkan gestillet werden/ als durch offtere Freundschafft- und Freundinnen Abwechselung und verschwiegene Geniessung/ oder haben keine vor ih- nen gefunden die sie zu felt und beständiger ehrlichen Liebe anlocken/ und ihr Vergnügen befördern können. Wann sich aber ein alter in sei- ner Jugend in ein Frauenbilde verliebet/ hat er solches ja wol mit gu- tem Verstande und Bedacht gethan/ und hat sie seiner und sich ihrer würdig geschätzet/ und würde schwerlich zugelassen haben (dieweil es alsdann ein unvernünfftiger Fehler gewesen) daß selbige einem an- dern/ und nicht ihme zu theil worden. Ob auch weiter alle Menschen nach einem allgemein durchgehenden Ursprungswesen/ und auff eine selbst ehnliche Weise geboren werden/ so ist doch die von der allgemei- nen Zeugemutter eingeflöste Natur und Eigenschafft nicht einerley/ wiewol sie niemaln anders als gar fest würckt: so ist doch der Wille und Gemüthsregung gleich geebenmässiget/ daß sie alle gleiche Kräffte und Tugend in sich solten eingepflantzet haben/ denen Bewegungen und Reitzungen deß Gemüths und Willens Begierden zu widerstre- ben. Daher wann gleich ein Vater einen Sohn gezeuget der ihm der eusserlichen Statur und Gestalt nach gleich/ so hat er doch nit einen andern sich selbst der seine selbst eigene Natur und sinnliche Empfin- dungen in sich geschlossen/ von der allgemeinen Mutter empfangen/ und an das Weltliecht bracht/ derowegen muß er ihn deren Eigen- schafften nach annehmen und haben/ wie ihm die Natur einen Unter- scheid der Complexion und Gemüthswürckungen eingesencket/ dar- umb niemand die Schrancken der Natur überschreiten kan/ welche dann in aller ihrer Zerstörung und Verenderung hefftig widerstrebet/ und ob sie auch gewaltsam außgetrieben würde/ kehr sie doch wider an ihre Geburtsstelle. Wann demnach wegen einer ohne der Eltern vorbewusten und völlich ertheilten consens getroffen ehelichen Lie- besvermählung/ ein Unwille und Abneigung von den Kindern ent- steht/ ist solches nicht denen Kindern schlechter Dinge zuzumassen/ son- dern die Schuld ist vielmehr der Natur beyzumessen/ der Natur sa- ge ich/ als welche sie nicht geschickt und starck genug außgerüstet/ denen Hefftigkeiten/ Betrohungen und Gegenspott der Liebe zu widerstehn/ und auß ihrem Geiste zu bannen. Wann auch die Person der Eigen- schafft und Gestalt/ so in allen der Erbarkeit/ Zucht und Tugend ge- mäß/ daß anders keine Hindernüs und Beschwerde könne darbey ge- funden werden/ als daß sie ihre Vaterlandswohnung nit an dem Orte/ da die Eltern ihre Behausung haben/ daselbst dann deßwegen kein Ge- schrey noch Verdruß entstanden/ so geschicht denen ehrliebenden Leuten anderer Orten Gewalt und Unrecht/ wann die ihren auß den Ursachen daß sie sich ehr- und ehelich verbunden/ geschimpfet und belastert werden/ dieweil ausser dem ein Sohn nit allzeit zu Hauß bey den seinigen ligen/ und L ij
zwiſchen Mann und Weib. Schnabler Liebe und unreine Geilheit gepflogen/ welche nicht beſſerkan geſtillet werden/ als durch offtere Freundſchafft- und Freundinnen Abwechſelung und verſchwiegene Genieſſung/ oder haben keine voꝛ ih- nen gefunden die ſie zu felt und beſtaͤndiger ehrlichen Liebe anlocken/ und ihr Vergnuͤgen befoͤrdern koͤnnen. Wann ſich aber ein alter in ſei- ner Jugend in ein Frauenbilde verliebet/ hat er ſolches ja wol mit gu- tem Verſtande und Bedacht gethan/ und hat ſie ſeiner und ſich ihrer wuͤrdig geſchaͤtzet/ und wuͤrde ſchwerlich zugelaſſen haben (dieweil es alsdann ein unvernuͤnfftiger Fehler geweſen) daß ſelbige einem an- dern/ und nicht ihme zu theil worden. Ob auch weiter alle Menſchen nach einem allgemein durchgehenden Urſprungsweſen/ und auff eine ſelbſt ehnliche Weiſe geboren werden/ ſo iſt doch die von der allgemei- nen Zeugemutter eingefloͤſte Natur und Eigenſchafft nicht einerley/ wiewol ſie niemaln anders als gar feſt wuͤrckt: ſo iſt doch der Wille uñ Gemuͤthsregung gleich geebenmaͤſſiget/ daß ſie alle gleiche Kraͤffte und Tugend in ſich ſolten eingepflantzet haben/ denen Bewegungen und Reitzungen deß Gemuͤths und Willens Begierden zu widerſtre- ben. Daher wann gleich ein Vater einen Sohn gezeuget der ihm der euſſerlichen Statur und Geſtalt nach gleich/ ſo hat er doch nit einen andern ſich ſelbſt der ſeine ſelbſt eigene Natur und ſinnliche Empfin- dungen in ſich geſchloſſen/ von der allgemeinen Mutter empfangen/ und an das Weltliecht bracht/ derowegen muß er ihn deren Eigen- ſchafften nach annehmen und haben/ wie ihm die Natur einen Unter- ſcheid der Complexion und Gemuͤthswuͤrckungen eingeſencket/ dar- umb niemand die Schrancken der Natur uͤberſchreiten kan/ welche dann in aller ihrer Zerſtoͤrung und Verenderung hefftig widerſtrebet/ und ob ſie auch gewaltſam außgetrieben wuͤrde/ kehr ſie doch wider an ihre Geburtsſtelle. Wann demnach wegen einer ohne der Eltern vorbewuſten und voͤllich ertheilten conſens getroffen ehelichen Lie- besvermaͤhlung/ ein Unwille und Abneigung von den Kindern ent- ſteht/ iſt ſolches nicht denen Kindern ſchlechter Dinge zuzumaſſen/ ſon- dern die Schuld iſt vielmehr der Natur beyzumeſſen/ der Natur ſa- ge ich/ als welche ſie nicht geſchickt und ſtarck genug außgeruͤſtet/ denen Hefftigkeiten/ Betrohungen und Gegenſpott der Liebe zu widerſtehn/ und auß ihrem Geiſte zu bannen. Wann auch die Perſon der Eigen- ſchafft und Geſtalt/ ſo in allen der Erbarkeit/ Zucht und Tugend ge- maͤß/ daß anders keine Hindernuͤs und Beſchwerde koͤnne darbey ge- funden werdẽ/ als daß ſie ihre Vaterlandswohnung nit an dem Orte/ da die Eltern ihre Behauſung haben/ daſelbſt dañ deßwegen kein Ge- ſchrey noch Verdruß entſtanden/ ſo geſchicht denen ehrliebenden Leutẽ anderer Orten Gewalt und Unrecht/ wann die ihren auß den Urſachẽ daß ſie ſich ehr- und ehelich verbundẽ/ geſchimpfet und belaſtert werdẽ/ dieweil auſſer dem ein Sohn nit allzeit zu Hauß bey den ſeinigen ligẽ/ und L ij
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zwiſchen Mann und Weib.
Schnabler Liebe und unreine Geilheit gepflogen/ welche nicht beſſer
kan geſtillet werden/ als durch offtere Freundſchafft- und Freundinnen
Abwechſelung und verſchwiegene Genieſſung/ oder haben keine voꝛ ih-
nen gefunden die ſie zu felt und beſtaͤndiger ehrlichen Liebe anlocken/
und ihr Vergnuͤgen befoͤrdern koͤnnen. Wann ſich aber ein alter in ſei-
ner Jugend in ein Frauenbilde verliebet/ hat er ſolches ja wol mit gu-
tem Verſtande und Bedacht gethan/ und hat ſie ſeiner und ſich ihrer
wuͤrdig geſchaͤtzet/ und wuͤrde ſchwerlich zugelaſſen haben (dieweil es
alsdann ein unvernuͤnfftiger Fehler geweſen) daß ſelbige einem an-
dern/ und nicht ihme zu theil worden. Ob auch weiter alle Menſchen
nach einem allgemein durchgehenden Urſprungsweſen/ und auff eine
ſelbſt ehnliche Weiſe geboren werden/ ſo iſt doch die von der allgemei-
nen Zeugemutter eingefloͤſte Natur und Eigenſchafft nicht einerley/
wiewol ſie niemaln anders als gar feſt wuͤrckt: ſo iſt doch der Wille uñ
Gemuͤthsregung gleich geebenmaͤſſiget/ daß ſie alle gleiche Kraͤffte
und Tugend in ſich ſolten eingepflantzet haben/ denen Bewegungen
und Reitzungen deß Gemuͤths und Willens Begierden zu widerſtre-
ben. Daher wann gleich ein Vater einen Sohn gezeuget der ihm der
euſſerlichen Statur und Geſtalt nach gleich/ ſo hat er doch nit einen
andern ſich ſelbſt der ſeine ſelbſt eigene Natur und ſinnliche Empfin-
dungen in ſich geſchloſſen/ von der allgemeinen Mutter empfangen/
und an das Weltliecht bracht/ derowegen muß er ihn deren Eigen-
ſchafften nach annehmen und haben/ wie ihm die Natur einen Unter-
ſcheid der Complexion und Gemuͤthswuͤrckungen eingeſencket/ dar-
umb niemand die Schrancken der Natur uͤberſchreiten kan/ welche
dann in aller ihrer Zerſtoͤrung und Verenderung hefftig widerſtrebet/
und ob ſie auch gewaltſam außgetrieben wuͤrde/ kehr ſie doch wider an
ihre Geburtsſtelle. Wann demnach wegen einer ohne der Eltern
vorbewuſten und voͤllich ertheilten conſens getroffen ehelichen Lie-
besvermaͤhlung/ ein Unwille und Abneigung von den Kindern ent-
ſteht/ iſt ſolches nicht denen Kindern ſchlechter Dinge zuzumaſſen/ ſon-
dern die Schuld iſt vielmehr der Natur beyzumeſſen/ der Natur ſa-
ge ich/ als welche ſie nicht geſchickt und ſtarck genug außgeruͤſtet/ denen
Hefftigkeiten/ Betrohungen und Gegenſpott der Liebe zu widerſtehn/
und auß ihrem Geiſte zu bannen. Wann auch die Perſon der Eigen-
ſchafft und Geſtalt/ ſo in allen der Erbarkeit/ Zucht und Tugend ge-
maͤß/ daß anders keine Hindernuͤs und Beſchwerde koͤnne darbey ge-
funden werdẽ/ als daß ſie ihre Vaterlandswohnung nit an dem Orte/
da die Eltern ihre Behauſung haben/ daſelbſt dañ deßwegen kein Ge-
ſchrey noch Verdruß entſtanden/ ſo geſchicht denen ehrliebenden Leutẽ
anderer Orten Gewalt und Unrecht/ wann die ihren auß den Urſachẽ
daß ſie ſich ehr- und ehelich verbundẽ/ geſchimpfet und belaſtert werdẽ/
dieweil auſſer dem ein Sohn nit allzeit zu Hauß bey den ſeinigen ligẽ/
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/1197>, abgerufen am 03.07.2024. |