Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].zwischen Mann und Weib. dung die angenehmste Buhlschafft auff der Welt abgelegt/ die Ver-gnügung seiner sonst eyffrigverletzenden und unfreundlichen Seele gesuchet/ und empfunden/ darauß das lüstrende Liebes-Volck einen wolgefälligen Schluß herzu ziehen vermeint/ daß weil der gewalti- ge Würge- und Blut-Gott durch das Anschauen eines Frauen Bil- des seines Zornes Brunst geleget/ Jhre Liebe höher als sich selbst und seine eygene Wolfarth und Waffen-Preiß geachtet/ und Sie zu seiner Hertzens-Zwingerinn und Gemüths-Herrscherinn erweh- let. Wie solten dann die sterblichen Menschen-Bilder die Seelen der Männer nicht dergestalt durch jhre wunderliche Schönheiten anfeuren/ unnd durch Jhre empfindliche Behäglichkeiten zu jhrer Wolgewaltheit anlocken/ daß einer jhnen seine Seele zu verpflich- ten/ und das treu Liebes Pfand von jhren saubren Händen zu heischen/ und jhre Göttliche Abbildung in sein Hertz zu drücken gezwungen wird. Es muß zwar ein jeder so wol schmertzlich als ergetzlich be- kennen/ daß keine süssere Unterhaltung und Gesellschafft als seine Zeit mit denen Erd-Göttinnen zu bestatten/ eine frölich und adelich vertrauliche Wort-Wechslung mit Jhnen zu halten/ seiner Sin- nen ein Vergnügen zu schöpffen/ der Beseeligung deß Glücks Sie zubesitzen und die Himmelsüsse Liebes-Früchte zu schmecken/ theil- hafftig zu werden. Und weil die Venus sich nicht entsetzet das Blut- rüstige Schwerdt/ und von Blutes Schweiß besprützten Harnisch anzugreiffen/ und den Waffen-Gott selbst zuzwingen/ wie solten dann unsere Venus-Schwestern nicht ein fleischern Hertz anfallen und überwältigen können. Aber die jenigen werffen nur jhre Au- gen auff die äusserliche Gestalt/ schein Ergötzungen/ und falschen Umhang der Venus Kinder/ worunter lauter Listigkeiten und Tru- ges-volle Schalckheiten verdeckt liegen; dann wann einer alle das Unheil so darunter versteckt und die Scham-Schande und Verspot- tung so darunter hervor blicken/ in Betrachtung zieht und in Augen- genschein nimbt/ würde er die Venus-Töchter nicht vor seine Her- tzens-Königinnen erwehlen/ sondern vielmehr leibeygene deß Flei- sches und der schnöden Wollüste nennen/ würde sie nicht vor seiner Sinnen Sonne/ sondern Seelen Finsternüssen halten. Würde nicht so inniglich nach denen Stunden seufftzen/ die jhm jhre Ge- genwarten vorstellen/ sondern würde Sie vielmehr vermaledeyen/ und solche schöne Welt-Gesellschafft vor die Furcht- und grausam- sten Wüsteneyen der Seelenzerreissenden grimmigen Thiere achten. Er würde die schönen Gesichter nicht vor so grosse Welt-Wunder anschauen/ wann Er die Mängel von den Vollkommenheiten wolte unterscheiden/ und gedencken/ daß auch dieselbste Ungestalt sich vor schön könne außgeben/ wann sie unter der kalsch-angestrichenen Ant- litz-Farbe versteckt liegt. Er J vj
zwiſchen Mann und Weib. dung die angenehmſte Buhlſchafft auff der Welt abgelegt/ die Ver-gnuͤgung ſeiner ſonſt eyffrigverletzenden und unfreundlichen Seele geſuchet/ und empfunden/ darauß das luͤſtrende Liebes-Volck einen wolgefaͤlligen Schluß herzu ziehen vermeint/ daß weil der gewalti- ge Wuͤrge- und Blut-Gott durch das Anſchauen eines Frauen Bil- des ſeines Zornes Brunſt geleget/ Jhre Liebe hoͤher als ſich ſelbſt und ſeine eygene Wolfarth und Waffen-Preiß geachtet/ und Sie zu ſeiner Hertzens-Zwingerinn und Gemuͤths-Herrſcherinn erweh- let. Wie ſolten dann die ſterblichen Menſchen-Bilder die Seelen der Maͤnner nicht dergeſtalt durch jhre wunderliche Schoͤnheiten anfeuren/ unnd durch Jhre empfindliche Behaͤglichkeiten zu jhrer Wolgewaltheit anlocken/ daß einer jhnen ſeine Seele zu verpflich- ten/ und das treu Liebes Pfand von jhren ſaubꝛen Haͤnden zu heiſchẽ/ und jhre Goͤttliche Abbildung in ſein Hertz zu druͤcken gezwungen wird. Es muß zwar ein jeder ſo wol ſchmertzlich als ergetzlich be- kennen/ daß keine ſuͤſſere Unterhaltung und Geſellſchafft als ſeine Zeit mit denen Erd-Goͤttinnen zu beſtatten/ eine froͤlich und adelich vertrauliche Wort-Wechslung mit Jhnen zu halten/ ſeiner Sin- nen ein Vergnuͤgen zu ſchoͤpffen/ der Beſeeligung deß Gluͤcks Sie zubeſitzen und die Himmelſuͤſſe Liebes-Fruͤchte zu ſchmecken/ theil- hafftig zu werden. Und weil die Venus ſich nicht entſetzet das Blut- ruͤſtige Schwerdt/ und von Blutes Schweiß beſpruͤtzten Harniſch anzugreiffen/ und den Waffen-Gott ſelbſt zuzwingen/ wie ſolten dann unſere Venus-Schweſtern nicht ein fleiſchern Hertz anfallen und uͤberwaͤltigen koͤnnen. Aber die jenigen werffen nur jhre Au- gen auff die aͤuſſerliche Geſtalt/ ſchein Ergoͤtzungen/ und falſchen Umhang der Venus Kinder/ worunter lauter Liſtigkeiten und Tru- ges-volle Schalckheiten verdeckt liegen; dann wann einer alle das Unheil ſo darunter verſteckt und die Scham-Schande und Verſpot- tung ſo darunter hervor blicken/ in Betrachtung zieht und in Augen- genſchein nimbt/ wuͤrde er die Venus-Toͤchter nicht vor ſeine Her- tzens-Koͤniginnen erwehlen/ ſondern vielmehr leibeygene deß Flei- ſches und der ſchnoͤden Wolluͤſte nennen/ wuͤrde ſie nicht vor ſeiner Sinnen Sonne/ ſondern Seelen Finſternuͤſſen halten. Wuͤrde nicht ſo inniglich nach denen Stunden ſeufftzen/ die jhm jhre Ge- genwarten vorſtellen/ ſondern wuͤrde Sie vielmehr vermaledeyen/ und ſolche ſchoͤne Welt-Geſellſchafft vor die Furcht- und grauſam- ſten Wuͤſteneyen der Seelenzerreiſſenden grimmigen Thiere achten. Er wuͤrde die ſchoͤnen Geſichter nicht vor ſo groſſe Welt-Wunder anſchauen/ wann Er die Maͤngel von den Vollkommenheiten wolte unterſcheiden/ und gedencken/ daß auch dieſelbſte Ungeſtalt ſich vor ſchoͤn koͤnne außgeben/ wañ ſie unter der kalſch-angeſtrichenen Ant- litz-Farbe verſteckt liegt. Er J vj
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gnuͤgung ſeiner ſonſt eyffrigverletzenden und unfreundlichen Seele
geſuchet/ und empfunden/ darauß das luͤſtrende Liebes-Volck einen
wolgefaͤlligen Schluß herzu ziehen vermeint/ daß weil der gewalti-
ge Wuͤrge- und Blut-Gott durch das Anſchauen eines Frauen Bil-
des ſeines Zornes Brunſt geleget/ Jhre Liebe hoͤher als ſich ſelbſt
und ſeine eygene Wolfarth und Waffen-Preiß geachtet/ und Sie
zu ſeiner Hertzens-Zwingerinn und Gemuͤths-Herrſcherinn erweh-
let. Wie ſolten dann die ſterblichen Menſchen-Bilder die Seelen
der Maͤnner nicht dergeſtalt durch jhre wunderliche Schoͤnheiten
anfeuren/ unnd durch Jhre empfindliche Behaͤglichkeiten zu jhrer
Wolgewaltheit anlocken/ daß einer jhnen ſeine Seele zu verpflich-
ten/ und das treu Liebes Pfand von jhren ſaubꝛen Haͤnden zu heiſchẽ/
und jhre Goͤttliche Abbildung in ſein Hertz zu druͤcken gezwungen
wird. Es muß zwar ein jeder ſo wol ſchmertzlich als ergetzlich be-
kennen/ daß keine ſuͤſſere Unterhaltung und Geſellſchafft als ſeine
Zeit mit denen Erd-Goͤttinnen zu beſtatten/ eine froͤlich und adelich
vertrauliche Wort-Wechslung mit Jhnen zu halten/ ſeiner Sin-
nen ein Vergnuͤgen zu ſchoͤpffen/ der Beſeeligung deß Gluͤcks Sie
zubeſitzen und die Himmelſuͤſſe Liebes-Fruͤchte zu ſchmecken/ theil-
hafftig zu werden. Und weil die Venus ſich nicht entſetzet das Blut-
ruͤſtige Schwerdt/ und von Blutes Schweiß beſpruͤtzten Harniſch
anzugreiffen/ und den Waffen-Gott ſelbſt zuzwingen/ wie ſolten
dann unſere Venus-Schweſtern nicht ein fleiſchern Hertz anfallen
und uͤberwaͤltigen koͤnnen. Aber die jenigen werffen nur jhre Au-
gen auff die aͤuſſerliche Geſtalt/ ſchein Ergoͤtzungen/ und falſchen
Umhang der Venus Kinder/ worunter lauter Liſtigkeiten und Tru-
ges-volle Schalckheiten verdeckt liegen; dann wann einer alle das
Unheil ſo darunter verſteckt und die Scham-Schande und Verſpot-
tung ſo darunter hervor blicken/ in Betrachtung zieht und in Augen-
genſchein nimbt/ wuͤrde er die Venus-Toͤchter nicht vor ſeine Her-
tzens-Koͤniginnen erwehlen/ ſondern vielmehr leibeygene deß Flei-
ſches und der ſchnoͤden Wolluͤſte nennen/ wuͤrde ſie nicht vor ſeiner
Sinnen Sonne/ ſondern Seelen Finſternuͤſſen halten. Wuͤrde
nicht ſo inniglich nach denen Stunden ſeufftzen/ die jhm jhre Ge-
genwarten vorſtellen/ ſondern wuͤrde Sie vielmehr vermaledeyen/
und ſolche ſchoͤne Welt-Geſellſchafft vor die Furcht- und grauſam-
ſten Wuͤſteneyen der Seelenzerreiſſenden grimmigen Thiere achten.
Er wuͤrde die ſchoͤnen Geſichter nicht vor ſo groſſe Welt-Wunder
anſchauen/ wann Er die Maͤngel von den Vollkommenheiten wolte
unterſcheiden/ und gedencken/ daß auch dieſelbſte Ungeſtalt ſich vor
ſchoͤn koͤnne außgeben/ wañ ſie unter der kalſch-angeſtrichenen Ant-
litz-Farbe verſteckt liegt.
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/1173>, abgerufen am 29.06.2024. |