sich wiederum fast in so viel Haufen als Zünfte sind: der Künstler dünkt sich besser als der Handwerker und eben so gut als der Kauf- mann; der Handwerker will nicht weniger seyn als der Künstler, aber weit mehr als der Unzünftige und Tagelöhner; und welcher der letztern hielte sich nicht für besser als der Bauer? So leiden alle an Einer Krankheit, und das sündige Gift derselben sind die Pri- vilegien. Jeder Stand hat einen privilegirten Kreis um sich her, und Kreise sind nicht die- jenigen mathematischen Figuren, die sich an einander schließen, ohne Lücken zu lassen; jeder treibt vielmehr seine Zuründung durch das Gebiet des andern und hält für sein, was er davon einschließt. Daher ewige Reibung, ewige Gährung, ewiger Kampf der Stände unter einander, hier, wie -- in allen Frey- staaten.
In Absicht des Luxus, des Aufwandes und der Sittenbildung ist Nürnberg in, Vergleich mit mancher kleinern Stadt in Deutschland,
ſich wiederum faſt in ſo viel Haufen als Zuͤnfte ſind: der Kuͤnſtler duͤnkt ſich beſſer als der Handwerker und eben ſo gut als der Kauf- mann; der Handwerker will nicht weniger ſeyn als der Kuͤnſtler, aber weit mehr als der Unzuͤnftige und Tageloͤhner; und welcher der letztern hielte ſich nicht fuͤr beſſer als der Bauer? So leiden alle an Einer Krankheit, und das ſuͤndige Gift derſelben ſind die Pri- vilegien. Jeder Stand hat einen privilegirten Kreis um ſich her, und Kreiſe ſind nicht die- jenigen mathematiſchen Figuren, die ſich an einander ſchließen, ohne Luͤcken zu laſſen; jeder treibt vielmehr ſeine Zuruͤndung durch das Gebiet des andern und haͤlt fuͤr ſein, was er davon einſchließt. Daher ewige Reibung, ewige Gaͤhrung, ewiger Kampf der Staͤnde unter einander, hier, wie — in allen Frey- ſtaaten.
In Abſicht des Luxus, des Aufwandes und der Sittenbildung iſt Nuͤrnberg in, Vergleich mit mancher kleinern Stadt in Deutſchland,
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ſich wiederum faſt in ſo viel Haufen als Zuͤnfte
ſind: der Kuͤnſtler duͤnkt ſich beſſer als der
Handwerker und eben ſo gut als der Kauf-
mann; der Handwerker will nicht weniger
ſeyn als der Kuͤnſtler, aber weit mehr als der
Unzuͤnftige und Tageloͤhner; und welcher der
letztern hielte ſich nicht fuͤr beſſer als der
Bauer? So leiden alle an Einer Krankheit,
und das ſuͤndige Gift derſelben ſind die Pri-
vilegien. Jeder Stand hat einen privilegirten
Kreis um ſich her, und Kreiſe ſind nicht die-
jenigen mathematiſchen Figuren, die ſich an
einander ſchließen, ohne Luͤcken zu laſſen; jeder
treibt vielmehr ſeine Zuruͤndung durch das
Gebiet des andern und haͤlt fuͤr ſein, was
er davon einſchließt. Daher ewige Reibung,
ewige Gaͤhrung, ewiger Kampf der Staͤnde
unter einander, hier, wie — in allen Frey-
ſtaaten.
In Abſicht des Luxus, des Aufwandes und
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/174>, abgerufen am 24.11.2024.
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