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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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haben sich endlich den Vorwurf der härtesten
Unduldsamkeit zugezogen, die sich, in den grau-
samsten Bürgerkriegen, Jahre hindurch, auf
das deutlichste veroffenbaret hat.

Der Grund dieser Erscheinungen ist aber
weniger kirchlich als politisch. Das römisch-
katholische Bekenntniß war von den ältesten Zeiten
her die Bedingung und Grundlage der polni-
schen Staatsbürgerschaft und aller daraus flie-
ßenden Ehren- und Geldvortheile. Man ach-
tet ersteres, in sofern es letztere verschaft, man
hütet sich also, es durch Spott über dessen
Lehren und Gebräuche zu untergraben; man
nimmt sich in Acht, sich in Erörterungen dar-
über einzulassen, theils, weil man es nur sehr
dürftig kennt, theils, weil man anders Den-
kenden den Vorzug ihres Bekenntnisses nicht
einräumen kann, ohne einzugestehen, daß es
folgewidrig sey, sie, eben ihres verständigern
Bekenntnisses wegen, von den Staatsvorthei-
len auszuschließen; sie nehmen, bey feyerli-
chen Gelegenheiten, z. B. bey den verordne-

haben ſich endlich den Vorwurf der haͤrteſten
Unduldſamkeit zugezogen, die ſich, in den grau-
ſamſten Buͤrgerkriegen, Jahre hindurch, auf
das deutlichſte veroffenbaret hat.

Der Grund dieſer Erſcheinungen iſt aber
weniger kirchlich als politiſch. Das roͤmiſch-
katholiſche Bekenntniß war von den aͤlteſten Zeiten
her die Bedingung und Grundlage der polni-
ſchen Staatsbuͤrgerſchaft und aller daraus flie-
ßenden Ehren- und Geldvortheile. Man ach-
tet erſteres, in ſofern es letztere verſchaft, man
huͤtet ſich alſo, es durch Spott uͤber deſſen
Lehren und Gebraͤuche zu untergraben; man
nimmt ſich in Acht, ſich in Eroͤrterungen dar-
uͤber einzulaſſen, theils, weil man es nur ſehr
duͤrftig kennt, theils, weil man anders Den-
kenden den Vorzug ihres Bekenntniſſes nicht
einraͤumen kann, ohne einzugeſtehen, daß es
folgewidrig ſey, ſie, eben ihres verſtaͤndigern
Bekenntniſſes wegen, von den Staatsvorthei-
len auszuſchließen; ſie nehmen, bey feyerli-
chen Gelegenheiten, z. B. bey den verordne-

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[84/0094] haben ſich endlich den Vorwurf der haͤrteſten Unduldſamkeit zugezogen, die ſich, in den grau- ſamſten Buͤrgerkriegen, Jahre hindurch, auf das deutlichſte veroffenbaret hat. Der Grund dieſer Erſcheinungen iſt aber weniger kirchlich als politiſch. Das roͤmiſch- katholiſche Bekenntniß war von den aͤlteſten Zeiten her die Bedingung und Grundlage der polni- ſchen Staatsbuͤrgerſchaft und aller daraus flie- ßenden Ehren- und Geldvortheile. Man ach- tet erſteres, in ſofern es letztere verſchaft, man huͤtet ſich alſo, es durch Spott uͤber deſſen Lehren und Gebraͤuche zu untergraben; man nimmt ſich in Acht, ſich in Eroͤrterungen dar- uͤber einzulaſſen, theils, weil man es nur ſehr duͤrftig kennt, theils, weil man anders Den- kenden den Vorzug ihres Bekenntniſſes nicht einraͤumen kann, ohne einzugeſtehen, daß es folgewidrig ſey, ſie, eben ihres verſtaͤndigern Bekenntniſſes wegen, von den Staatsvorthei- len auszuſchließen; ſie nehmen, bey feyerli- chen Gelegenheiten, z. B. bey den verordne-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/94>, abgerufen am 21.11.2024.