als in jedem andern katholischen Lande. Die Feste, die sich auf den Stifter der christlichen Religion, auf die ersten Verbreiter, und auf die gemarterten Bekenner und Bekennerinnen derselben, beziehen, werden mehr oder weniger feyerlich begangen, durch Umgänge, durch Mes- sen, und durch Wallfahrten. Die niederen Klassen nehmen an dem allen mit großer An- dacht, d. h. mit denjenigen Gebährden, Zeichen und Stellungen Theil, die bey ihnen für An- dacht gelten, und die höhern geben ihnen, da wo es nöthig ist und so lange es nöthig ist, hierin nichts nach; aber in den Zwischenzeiten lassen sie die Absicht, in welcher sie diese Fey- erlichkeiten besuchen, deutlich errathen. Die Weiber kommen nämlich in ein geistliches Schau- spiel, wo sie sehen und gesehn seyn wollen, eben so sorgfältig (nur in bescheidenen Farben, haupsächlich schwarz) angezogen, eben so er- obernd in ihren Blicken und Bewegungen, nur in einer andern Gattung, als ob sie das Thea- ter oder eine große Gesellschaft besuchten. Das
Glöck-
als in jedem andern katholiſchen Lande. Die Feſte, die ſich auf den Stifter der chriſtlichen Religion, auf die erſten Verbreiter, und auf die gemarterten Bekenner und Bekennerinnen derſelben, beziehen, werden mehr oder weniger feyerlich begangen, durch Umgaͤnge, durch Meſ- ſen, und durch Wallfahrten. Die niederen Klaſſen nehmen an dem allen mit großer An- dacht, d. h. mit denjenigen Gebaͤhrden, Zeichen und Stellungen Theil, die bey ihnen fuͤr An- dacht gelten, und die hoͤhern geben ihnen, da wo es noͤthig iſt und ſo lange es noͤthig iſt, hierin nichts nach; aber in den Zwiſchenzeiten laſſen ſie die Abſicht, in welcher ſie dieſe Fey- erlichkeiten beſuchen, deutlich errathen. Die Weiber kommen naͤmlich in ein geiſtliches Schau- ſpiel, wo ſie ſehen und geſehn ſeyn wollen, eben ſo ſorgfaͤltig (nur in beſcheidenen Farben, haupſaͤchlich ſchwarz) angezogen, eben ſo er- obernd in ihren Blicken und Bewegungen, nur in einer andern Gattung, als ob ſie das Thea- ter oder eine große Geſellſchaft beſuchten. Das
Gloͤck-
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als in jedem andern katholiſchen Lande. Die
Feſte, die ſich auf den Stifter der chriſtlichen
Religion, auf die erſten Verbreiter, und auf
die gemarterten Bekenner und Bekennerinnen
derſelben, beziehen, werden mehr oder weniger
feyerlich begangen, durch Umgaͤnge, durch Meſ-
ſen, und durch Wallfahrten. Die niederen
Klaſſen nehmen an dem allen mit großer An-
dacht, d. h. mit denjenigen Gebaͤhrden, Zeichen
und Stellungen Theil, die bey ihnen fuͤr An-
dacht gelten, und die hoͤhern geben ihnen, da
wo es noͤthig iſt und ſo lange es noͤthig iſt,
hierin nichts nach; aber in den Zwiſchenzeiten
laſſen ſie die Abſicht, in welcher ſie dieſe Fey-
erlichkeiten beſuchen, deutlich errathen. Die
Weiber kommen naͤmlich in ein geiſtliches Schau-
ſpiel, wo ſie ſehen und geſehn ſeyn wollen,
eben ſo ſorgfaͤltig (nur in beſcheidenen Farben,
haupſaͤchlich ſchwarz) angezogen, eben ſo er-
obernd in ihren Blicken und Bewegungen, nur
in einer andern Gattung, als ob ſie das Thea-
ter oder eine große Geſellſchaft beſuchten. Das
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/90>, abgerufen am 22.07.2024.
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