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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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diese zu verbessern, nutzte er jenen verschwen-
derisch, und man kann sagen, daß er sich zu
Grunde richtete, um seine Geburt in Verges-
senheit zu bringen, so wie seine Muster sich
zu Grunde richten, um die ihrige in Gedächt-
niß zu erhalten. Er erhob sich auf doppelten
Adelsbriefen, auf einem warschauischen und ei-
nem wienerischen, über den Bürgerstand hin-
aus und kaufte sich sodann ein Malteser-Kreuz
der dritten Klasse, das er standhaft im Knopf-
loche trug. Es ist natürlich, daß ihm diese
Ab- und Erhöhungszeichen zehnfach mehr ko-
steten, als sie jedem andern kosten können; in-
dessen würde diese Ausgabe unbedeutend für
ihn gewesen seyn, wenn er nicht dem Range,
den er dadurch erhalten zu haben sich einbil-
dete, noch andere Opfer gebracht hätte. Ein
reicher Malteserritter ohne Pallast, ohne offe-
nes Haus, ohne Marstall, ohne Maitresse,
der fleißig seine Schreibstube besuchte, sich um
seine Geschäfte bekümmerte, seinen Buchhal-
tern und Dienern auf die Finger sähe, war

dieſe zu verbeſſern, nutzte er jenen verſchwen-
deriſch, und man kann ſagen, daß er ſich zu
Grunde richtete, um ſeine Geburt in Vergeſ-
ſenheit zu bringen, ſo wie ſeine Muſter ſich
zu Grunde richten, um die ihrige in Gedaͤcht-
niß zu erhalten. Er erhob ſich auf doppelten
Adelsbriefen, auf einem warſchauiſchen und ei-
nem wieneriſchen, uͤber den Buͤrgerſtand hin-
aus und kaufte ſich ſodann ein Malteſer-Kreuz
der dritten Klaſſe, das er ſtandhaft im Knopf-
loche trug. Es iſt natuͤrlich, daß ihm dieſe
Ab- und Erhoͤhungszeichen zehnfach mehr ko-
ſteten, als ſie jedem andern koſten koͤnnen; in-
deſſen wuͤrde dieſe Ausgabe unbedeutend fuͤr
ihn geweſen ſeyn, wenn er nicht dem Range,
den er dadurch erhalten zu haben ſich einbil-
dete, noch andere Opfer gebracht haͤtte. Ein
reicher Malteſerritter ohne Pallaſt, ohne offe-
nes Haus, ohne Marſtall, ohne Maitreſſe,
der fleißig ſeine Schreibſtube beſuchte, ſich um
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[5/0015] dieſe zu verbeſſern, nutzte er jenen verſchwen- deriſch, und man kann ſagen, daß er ſich zu Grunde richtete, um ſeine Geburt in Vergeſ- ſenheit zu bringen, ſo wie ſeine Muſter ſich zu Grunde richten, um die ihrige in Gedaͤcht- niß zu erhalten. Er erhob ſich auf doppelten Adelsbriefen, auf einem warſchauiſchen und ei- nem wieneriſchen, uͤber den Buͤrgerſtand hin- aus und kaufte ſich ſodann ein Malteſer-Kreuz der dritten Klaſſe, das er ſtandhaft im Knopf- loche trug. Es iſt natuͤrlich, daß ihm dieſe Ab- und Erhoͤhungszeichen zehnfach mehr ko- ſteten, als ſie jedem andern koſten koͤnnen; in- deſſen wuͤrde dieſe Ausgabe unbedeutend fuͤr ihn geweſen ſeyn, wenn er nicht dem Range, den er dadurch erhalten zu haben ſich einbil- dete, noch andere Opfer gebracht haͤtte. Ein reicher Malteſerritter ohne Pallaſt, ohne offe- nes Haus, ohne Marſtall, ohne Maitreſſe, der fleißig ſeine Schreibſtube beſuchte, ſich um ſeine Geſchaͤfte bekuͤmmerte, ſeinen Buchhal- tern und Dienern auf die Finger ſaͤhe, war

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/15>, abgerufen am 29.03.2024.