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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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ihren Netzen selten. Je gefährlicher sie nun,
als junge Weiber, den Genuß ihrer Gunstbe-
zeugungen zu machen wissen, je höher sie, als
junge Wittwen, ihre Schwachheit, die ihre
Ehre bedrohet, anzuschlagen verstehen, desto
freygiebiger ist der verliebte Abentheurer, der
oft glaubt, soviel Gefahr und Liebe mit hal-
ben und ganzen Dutzenden von Dukaten er-
setzen zu müssen. Wer kein geübtes Auge hat,
wird auch durch ihr Aeußeres und ihre Woh-
nung in dieser Täuschung nicht unterbrochen.
Ersteres ist anständig und fein, letztre sauber
aufgeputzt, mit neuem und geschmackvollen
Hausrath, besonders aber mit einem zwey-
schläfrigen Bette versehen, das durch seidene
Polster und Vorhänge sich als die Hauptsache
im Zimmer anmeldet und selbst in Zeiten der
Noth, wo Kleider, Wäsche und Ringe ver-
setzt werden müssen, in seinem vornehmen Zu-
stande erhalten wird.

Diese Art Mädchen läßt sich auch oft ge-
fallen, für die Zeit, die sich ein Fremder in

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ihren Netzen ſelten. Je gefaͤhrlicher ſie nun,
als junge Weiber, den Genuß ihrer Gunſtbe-
zeugungen zu machen wiſſen, je hoͤher ſie, als
junge Wittwen, ihre Schwachheit, die ihre
Ehre bedrohet, anzuſchlagen verſtehen, deſto
freygiebiger iſt der verliebte Abentheurer, der
oft glaubt, ſoviel Gefahr und Liebe mit hal-
ben und ganzen Dutzenden von Dukaten er-
ſetzen zu muͤſſen. Wer kein geuͤbtes Auge hat,
wird auch durch ihr Aeußeres und ihre Woh-
nung in dieſer Taͤuſchung nicht unterbrochen.
Erſteres iſt anſtaͤndig und fein, letztre ſauber
aufgeputzt, mit neuem und geſchmackvollen
Hausrath, beſonders aber mit einem zwey-
ſchlaͤfrigen Bette verſehen, das durch ſeidene
Polſter und Vorhaͤnge ſich als die Hauptſache
im Zimmer anmeldet und ſelbſt in Zeiten der
Noth, wo Kleider, Waͤſche und Ringe ver-
ſetzt werden muͤſſen, in ſeinem vornehmen Zu-
ſtande erhalten wird.

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fallen, fuͤr die Zeit, die ſich ein Fremder in

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[67/0077] ihren Netzen ſelten. Je gefaͤhrlicher ſie nun, als junge Weiber, den Genuß ihrer Gunſtbe- zeugungen zu machen wiſſen, je hoͤher ſie, als junge Wittwen, ihre Schwachheit, die ihre Ehre bedrohet, anzuſchlagen verſtehen, deſto freygiebiger iſt der verliebte Abentheurer, der oft glaubt, ſoviel Gefahr und Liebe mit hal- ben und ganzen Dutzenden von Dukaten er- ſetzen zu muͤſſen. Wer kein geuͤbtes Auge hat, wird auch durch ihr Aeußeres und ihre Woh- nung in dieſer Taͤuſchung nicht unterbrochen. Erſteres iſt anſtaͤndig und fein, letztre ſauber aufgeputzt, mit neuem und geſchmackvollen Hausrath, beſonders aber mit einem zwey- ſchlaͤfrigen Bette verſehen, das durch ſeidene Polſter und Vorhaͤnge ſich als die Hauptſache im Zimmer anmeldet und ſelbſt in Zeiten der Noth, wo Kleider, Waͤſche und Ringe ver- ſetzt werden muͤſſen, in ſeinem vornehmen Zu- ſtande erhalten wird. Dieſe Art Maͤdchen laͤßt ſich auch oft ge- fallen, fuͤr die Zeit, die ſich ein Fremder in E 2

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/77>, abgerufen am 07.05.2024.