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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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unterhalten, daß er Nase und Hände leckt,
die er eben so gut wegreißen könnte: diese
und ähnliche Heldenthaten, die dem Wiener
Hetzmeister zum Kinderspiel geworden sind,
bleiben für den Warschauer noch unerreichbar,
und man sieht daraus, daß er sich nicht ein-
bilden darf, die Liebhaber zu befriedigen.
Das größeste Kunst- und Wagstück, welches
ich in Gesellschaft einiger Bekannten von ihm
gesehen habe, war, daß er, auf einem ziem-
lich matten Stiere reitend, in das Amphithea-
ter sprengte und den Stier und sich zugleich
von sechs oder acht Hunden fangen ließ. Der
Pöbel beklatschte dieß freylich, aber bey uns
feinern Kennern konnte er es nicht höher als
zu einem mitleidigen Achselzucken bringen.
Seine Wolfs- und Bärenhetzen raubten uns
vollends alle Geduld; und ein junger Officier
aus Wien konnte seinen edlen Unwillen so we-
nig bergen, daß er ihn förmlich auspfiff und
auspochte. Es war gerade am Namenstage
des Königs, und am Jahrstage der neuen

unterhalten, daß er Naſe und Haͤnde leckt,
die er eben ſo gut wegreißen koͤnnte: dieſe
und aͤhnliche Heldenthaten, die dem Wiener
Hetzmeiſter zum Kinderſpiel geworden ſind,
bleiben fuͤr den Warſchauer noch unerreichbar,
und man ſieht daraus, daß er ſich nicht ein-
bilden darf, die Liebhaber zu befriedigen.
Das groͤßeſte Kunſt- und Wagſtuͤck, welches
ich in Geſellſchaft einiger Bekannten von ihm
geſehen habe, war, daß er, auf einem ziem-
lich matten Stiere reitend, in das Amphithea-
ter ſprengte und den Stier und ſich zugleich
von ſechs oder acht Hunden fangen ließ. Der
Poͤbel beklatſchte dieß freylich, aber bey uns
feinern Kennern konnte er es nicht hoͤher als
zu einem mitleidigen Achſelzucken bringen.
Seine Wolfs- und Baͤrenhetzen raubten uns
vollends alle Geduld; und ein junger Officier
aus Wien konnte ſeinen edlen Unwillen ſo we-
nig bergen, daß er ihn foͤrmlich auspfiff und
auspochte. Es war gerade am Namenstage
des Koͤnigs, und am Jahrstage der neuen

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[36/0046] unterhalten, daß er Naſe und Haͤnde leckt, die er eben ſo gut wegreißen koͤnnte: dieſe und aͤhnliche Heldenthaten, die dem Wiener Hetzmeiſter zum Kinderſpiel geworden ſind, bleiben fuͤr den Warſchauer noch unerreichbar, und man ſieht daraus, daß er ſich nicht ein- bilden darf, die Liebhaber zu befriedigen. Das groͤßeſte Kunſt- und Wagſtuͤck, welches ich in Geſellſchaft einiger Bekannten von ihm geſehen habe, war, daß er, auf einem ziem- lich matten Stiere reitend, in das Amphithea- ter ſprengte und den Stier und ſich zugleich von ſechs oder acht Hunden fangen ließ. Der Poͤbel beklatſchte dieß freylich, aber bey uns feinern Kennern konnte er es nicht hoͤher als zu einem mitleidigen Achſelzucken bringen. Seine Wolfs- und Baͤrenhetzen raubten uns vollends alle Geduld; und ein junger Officier aus Wien konnte ſeinen edlen Unwillen ſo we- nig bergen, daß er ihn foͤrmlich auspfiff und auspochte. Es war gerade am Namenstage des Koͤnigs, und am Jahrstage der neuen

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/46>, abgerufen am 26.04.2024.