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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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Bildung einschieben läßt. Jhre politischen
Kenntnisse erhalten sie auf gleichem Wege;
denn da der Adel, vermöge seines Stand-
punkts im Staate, nichts anziehenderes kennt,
als Politik, so fließt sein Mund, in großen
und kleinen Gesellschaften, bey jeder Gelegen-
heit davon über. Dazu kömmt, daß ein jun-
ger Edelmann schon im achtzehnten Jahr an
den Verhandlungen der Landtage und anderer
Versammlungen des Adels in seiner Provinz,
Antheil nehmen und gleich durch Praxis über
die dahin gehörigen Gegenstände sich unterrich-
ten kann. Aber, was man Studium, was
man gründliche Wissenschaft nennt, hat er nicht,
bekömmt sie auch, in reifern Jahren, äußerst
selten. Sein lebhafter Geist, seine daraus
fließende leichte Fassungsgabe gilt ihm für das
alles.

So ist die körperliche und geistige Erzie-
hung derjenigen Jünglinge, die ich oben als
Männer in den Gesellschaften und in den öf-
fentlichen Geschäften aufgeführt und geschildert

Bildung einſchieben laͤßt. Jhre politiſchen
Kenntniſſe erhalten ſie auf gleichem Wege;
denn da der Adel, vermoͤge ſeines Stand-
punkts im Staate, nichts anziehenderes kennt,
als Politik, ſo fließt ſein Mund, in großen
und kleinen Geſellſchaften, bey jeder Gelegen-
heit davon uͤber. Dazu koͤmmt, daß ein jun-
ger Edelmann ſchon im achtzehnten Jahr an
den Verhandlungen der Landtage und anderer
Verſammlungen des Adels in ſeiner Provinz,
Antheil nehmen und gleich durch Praxis uͤber
die dahin gehoͤrigen Gegenſtaͤnde ſich unterrich-
ten kann. Aber, was man Studium, was
man gruͤndliche Wiſſenſchaft nennt, hat er nicht,
bekoͤmmt ſie auch, in reifern Jahren, aͤußerſt
ſelten. Sein lebhafter Geiſt, ſeine daraus
fließende leichte Faſſungsgabe gilt ihm fuͤr das
alles.

So iſt die koͤrperliche und geiſtige Erzie-
hung derjenigen Juͤnglinge, die ich oben als
Maͤnner in den Geſellſchaften und in den oͤf-
fentlichen Geſchaͤften aufgefuͤhrt und geſchildert

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[210/0220] Bildung einſchieben laͤßt. Jhre politiſchen Kenntniſſe erhalten ſie auf gleichem Wege; denn da der Adel, vermoͤge ſeines Stand- punkts im Staate, nichts anziehenderes kennt, als Politik, ſo fließt ſein Mund, in großen und kleinen Geſellſchaften, bey jeder Gelegen- heit davon uͤber. Dazu koͤmmt, daß ein jun- ger Edelmann ſchon im achtzehnten Jahr an den Verhandlungen der Landtage und anderer Verſammlungen des Adels in ſeiner Provinz, Antheil nehmen und gleich durch Praxis uͤber die dahin gehoͤrigen Gegenſtaͤnde ſich unterrich- ten kann. Aber, was man Studium, was man gruͤndliche Wiſſenſchaft nennt, hat er nicht, bekoͤmmt ſie auch, in reifern Jahren, aͤußerſt ſelten. Sein lebhafter Geiſt, ſeine daraus fließende leichte Faſſungsgabe gilt ihm fuͤr das alles. So iſt die koͤrperliche und geiſtige Erzie- hung derjenigen Juͤnglinge, die ich oben als Maͤnner in den Geſellſchaften und in den oͤf- fentlichen Geſchaͤften aufgefuͤhrt und geſchildert

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/220>, abgerufen am 02.05.2024.