ich sage dieß, ohne durch die schauerliche Däm- merung, während welcher ich sie sah, ohne durch den eigensinnig - abwechselnden Nachti- gallengesang, der mich dort entzückte, gewon- nen zu seyn. Jch fühlte mein Herz, nach ei- ner Reihe von erkältenden und verengenden Geschäften, zum erstenmal wieder erwärmt und erweitert, und alle die Saiten auf einmal wieder angezogen, mit deren Erschlaffung ein großer Theil meiner Gesundheit und ein klei- nerer Theil meiner Heiterkeit verloren gegan- gen war.
Das Jnnere des Schlosses ist ziemlich leer und etwas vernachläßigt, seitdem die Besitze- rin in Warschau lebt; indessen fehlt es nicht an schönen Zimmern und Sälen, die man auf diesem Flecke zwischen Petersburg und War- schau nicht zu finden vermuthet.
Jch fuhr denselben Abend noch weiter nach Woyszk (3 M.) und Bielsk, (2 M.) und fand den Weg immer noch sehr einförmig, fast durchgehends sandigt, waldigt, übrigens
D
ich ſage dieß, ohne durch die ſchauerliche Daͤm- merung, waͤhrend welcher ich ſie ſah, ohne durch den eigenſinnig - abwechſelnden Nachti- gallengeſang, der mich dort entzuͤckte, gewon- nen zu ſeyn. Jch fuͤhlte mein Herz, nach ei- ner Reihe von erkaͤltenden und verengenden Geſchaͤften, zum erſtenmal wieder erwaͤrmt und erweitert, und alle die Saiten auf einmal wieder angezogen, mit deren Erſchlaffung ein großer Theil meiner Geſundheit und ein klei- nerer Theil meiner Heiterkeit verloren gegan- gen war.
Das Jnnere des Schloſſes iſt ziemlich leer und etwas vernachlaͤßigt, ſeitdem die Beſitze- rin in Warſchau lebt; indeſſen fehlt es nicht an ſchoͤnen Zimmern und Saͤlen, die man auf dieſem Flecke zwiſchen Petersburg und War- ſchau nicht zu finden vermuthet.
Jch fuhr denſelben Abend noch weiter nach Woyszk (3 M.) und Bielsk, (2 M.) und fand den Weg immer noch ſehr einfoͤrmig, faſt durchgehends ſandigt, waldigt, uͤbrigens
D
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0067"n="49"/>
ich ſage dieß, ohne durch die ſchauerliche Daͤm-<lb/>
merung, waͤhrend welcher ich ſie ſah, ohne<lb/>
durch den eigenſinnig - abwechſelnden Nachti-<lb/>
gallengeſang, der mich dort entzuͤckte, gewon-<lb/>
nen zu ſeyn. Jch fuͤhlte mein Herz, nach ei-<lb/>
ner Reihe von erkaͤltenden und verengenden<lb/>
Geſchaͤften, zum erſtenmal wieder erwaͤrmt<lb/>
und erweitert, und alle die Saiten auf einmal<lb/>
wieder angezogen, mit deren Erſchlaffung ein<lb/>
großer Theil meiner Geſundheit und ein klei-<lb/>
nerer Theil meiner Heiterkeit verloren gegan-<lb/>
gen war.</p><lb/><p>Das Jnnere des Schloſſes iſt ziemlich leer<lb/>
und etwas vernachlaͤßigt, ſeitdem die Beſitze-<lb/>
rin in Warſchau lebt; indeſſen fehlt es nicht<lb/>
an ſchoͤnen Zimmern und Saͤlen, die man auf<lb/>
dieſem Flecke zwiſchen Petersburg und War-<lb/>ſchau nicht zu finden vermuthet.</p><lb/><p>Jch fuhr denſelben Abend noch weiter nach<lb/><hirendition="#g">Woyszk</hi> (3 M.) und <hirendition="#g">Bielsk</hi>, (2 M.) und<lb/>
fand den Weg immer noch ſehr einfoͤrmig,<lb/>
faſt durchgehends ſandigt, waldigt, uͤbrigens<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[49/0067]
ich ſage dieß, ohne durch die ſchauerliche Daͤm-
merung, waͤhrend welcher ich ſie ſah, ohne
durch den eigenſinnig - abwechſelnden Nachti-
gallengeſang, der mich dort entzuͤckte, gewon-
nen zu ſeyn. Jch fuͤhlte mein Herz, nach ei-
ner Reihe von erkaͤltenden und verengenden
Geſchaͤften, zum erſtenmal wieder erwaͤrmt
und erweitert, und alle die Saiten auf einmal
wieder angezogen, mit deren Erſchlaffung ein
großer Theil meiner Geſundheit und ein klei-
nerer Theil meiner Heiterkeit verloren gegan-
gen war.
Das Jnnere des Schloſſes iſt ziemlich leer
und etwas vernachlaͤßigt, ſeitdem die Beſitze-
rin in Warſchau lebt; indeſſen fehlt es nicht
an ſchoͤnen Zimmern und Saͤlen, die man auf
dieſem Flecke zwiſchen Petersburg und War-
ſchau nicht zu finden vermuthet.
Jch fuhr denſelben Abend noch weiter nach
Woyszk (3 M.) und Bielsk, (2 M.) und
fand den Weg immer noch ſehr einfoͤrmig,
faſt durchgehends ſandigt, waldigt, uͤbrigens
D
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/67>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.