Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

für die Maßregeln der monarchischen Staa-
ten, die sich auf das Gefühl der Ehre wenig,
auf die Moral noch weniger und auf die Theo-
logie am allerwenigsten in solchen Fällen ver-
lassen. Man zwinge also immer die Ritter,
die rückständig sind, und man sey sicher, daß
sie sich über diesen Zwang mehr ärgern, als
schämen werden.

Dies Hospital ist nicht bloß für Findlinge
(die übrigens auf die gewöhnliche Weise dem
Hause, mittelst einer Drehe, zugebracht wer-
den) allein bestimmt, sondern es sind auch
Betten und Stuben für andre Kranke und
Nothleidende darin. Eine Anzahl der Kinder
ist einzeln auf dem Lande gegen Kostgeld aus-
gethan; eine andre wird in dem Hause selbst
ernährt und erzogen. Jch bin einige Säle
durchgangen; aber ich bekenne, daß ich das
Schnupftuch habe vor den Mund nehmen
müssen, so wenig ich mich sonst vor etwas zu
ekeln pflege, was menschlich ist. Noch dazu
war dies an einem Tage, wo man sich große

fuͤr die Maßregeln der monarchiſchen Staa-
ten, die ſich auf das Gefuͤhl der Ehre wenig,
auf die Moral noch weniger und auf die Theo-
logie am allerwenigſten in ſolchen Faͤllen ver-
laſſen. Man zwinge alſo immer die Ritter,
die ruͤckſtaͤndig ſind, und man ſey ſicher, daß
ſie ſich uͤber dieſen Zwang mehr aͤrgern, als
ſchaͤmen werden.

Dies Hoſpital iſt nicht bloß fuͤr Findlinge
(die uͤbrigens auf die gewoͤhnliche Weiſe dem
Hauſe, mittelſt einer Drehe, zugebracht wer-
den) allein beſtimmt, ſondern es ſind auch
Betten und Stuben fuͤr andre Kranke und
Nothleidende darin. Eine Anzahl der Kinder
iſt einzeln auf dem Lande gegen Koſtgeld aus-
gethan; eine andre wird in dem Hauſe ſelbſt
ernaͤhrt und erzogen. Jch bin einige Saͤle
durchgangen; aber ich bekenne, daß ich das
Schnupftuch habe vor den Mund nehmen
muͤſſen, ſo wenig ich mich ſonſt vor etwas zu
ekeln pflege, was menſchlich iſt. Noch dazu
war dies an einem Tage, wo man ſich große

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0176" n="158"/>
fu&#x0364;r die Maßregeln der monarchi&#x017F;chen Staa-<lb/>
ten, die &#x017F;ich auf das Gefu&#x0364;hl der Ehre wenig,<lb/>
auf die Moral noch weniger und auf die Theo-<lb/>
logie am allerwenig&#x017F;ten in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Man zwinge al&#x017F;o immer die Ritter,<lb/>
die ru&#x0364;ck&#x017F;ta&#x0364;ndig &#x017F;ind, und man &#x017F;ey &#x017F;icher, daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber die&#x017F;en Zwang mehr a&#x0364;rgern, als<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;men werden.</p><lb/>
          <p>Dies Ho&#x017F;pital i&#x017F;t nicht bloß fu&#x0364;r Findlinge<lb/>
(die u&#x0364;brigens auf die gewo&#x0364;hnliche Wei&#x017F;e dem<lb/>
Hau&#x017F;e, mittel&#x017F;t einer Drehe, zugebracht wer-<lb/>
den) allein be&#x017F;timmt, &#x017F;ondern es &#x017F;ind auch<lb/>
Betten und Stuben fu&#x0364;r andre Kranke und<lb/>
Nothleidende darin. Eine Anzahl der Kinder<lb/>
i&#x017F;t einzeln auf dem Lande gegen Ko&#x017F;tgeld aus-<lb/>
gethan; eine andre wird in dem Hau&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erna&#x0364;hrt und erzogen. Jch bin einige Sa&#x0364;le<lb/>
durchgangen; aber ich bekenne, daß ich das<lb/>
Schnupftuch habe vor den Mund nehmen<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wenig ich mich &#x017F;on&#x017F;t vor etwas zu<lb/>
ekeln pflege, was men&#x017F;chlich i&#x017F;t. Noch dazu<lb/>
war dies an einem Tage, wo man &#x017F;ich große<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0176] fuͤr die Maßregeln der monarchiſchen Staa- ten, die ſich auf das Gefuͤhl der Ehre wenig, auf die Moral noch weniger und auf die Theo- logie am allerwenigſten in ſolchen Faͤllen ver- laſſen. Man zwinge alſo immer die Ritter, die ruͤckſtaͤndig ſind, und man ſey ſicher, daß ſie ſich uͤber dieſen Zwang mehr aͤrgern, als ſchaͤmen werden. Dies Hoſpital iſt nicht bloß fuͤr Findlinge (die uͤbrigens auf die gewoͤhnliche Weiſe dem Hauſe, mittelſt einer Drehe, zugebracht wer- den) allein beſtimmt, ſondern es ſind auch Betten und Stuben fuͤr andre Kranke und Nothleidende darin. Eine Anzahl der Kinder iſt einzeln auf dem Lande gegen Koſtgeld aus- gethan; eine andre wird in dem Hauſe ſelbſt ernaͤhrt und erzogen. Jch bin einige Saͤle durchgangen; aber ich bekenne, daß ich das Schnupftuch habe vor den Mund nehmen muͤſſen, ſo wenig ich mich ſonſt vor etwas zu ekeln pflege, was menſchlich iſt. Noch dazu war dies an einem Tage, wo man ſich große

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/176
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/176>, abgerufen am 27.04.2024.