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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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noch unterhält, bewohnt werden. Das Jnnere
des Pallastes ist meist leer, und was etwa an
bewohnbaren Zimmern noch da ist, hat entwe-
der keine Möbel mehr, oder wurmfräßige.
Die Tapeten sind verrottet. Man zeigte mir
noch das Zimmer, aus dessen Fenster August
der Zweyte, zum Zeitvertreib, Hunde schoß,
die er, durch hingelegtes Fleisch, ausdrücklich
auf den Hof lockte. Er schoß sie aber nur an,
nicht todt, um das Vergnügen zu haben, die
Verwundeten, trotz ihren zerschmetterten Bei-
nen, bey der nächsten Fleischlieferung doch wie-
der daher hinken zu sehen. Da er (wer zwei-
felt daran?) durch diese sinnreiche Erfindung
seine Thierkenntniß, vielleicht gar seine Kennt-
niß der Menschen (denn diese machen es nicht
anders) vermehren wollte: so scheint er mir
wegen dieser philosophischen Barbarey eben so
gut zu entschuldigen zu seyn, als Zergliederer
und Naturforscher, die Hunde, Katzen, Mäuse,
Frösche lebendig auf-und zerschneiden, um,
zur Erweiterung der Wissenschaft, Entdeckun-

noch unterhaͤlt, bewohnt werden. Das Jnnere
des Pallaſtes iſt meiſt leer, und was etwa an
bewohnbaren Zimmern noch da iſt, hat entwe-
der keine Moͤbel mehr, oder wurmfraͤßige.
Die Tapeten ſind verrottet. Man zeigte mir
noch das Zimmer, aus deſſen Fenſter Auguſt
der Zweyte, zum Zeitvertreib, Hunde ſchoß,
die er, durch hingelegtes Fleiſch, ausdruͤcklich
auf den Hof lockte. Er ſchoß ſie aber nur an,
nicht todt, um das Vergnuͤgen zu haben, die
Verwundeten, trotz ihren zerſchmetterten Bei-
nen, bey der naͤchſten Fleiſchlieferung doch wie-
der daher hinken zu ſehen. Da er (wer zwei-
felt daran?) durch dieſe ſinnreiche Erfindung
ſeine Thierkenntniß, vielleicht gar ſeine Kennt-
niß der Menſchen (denn dieſe machen es nicht
anders) vermehren wollte: ſo ſcheint er mir
wegen dieſer philoſophiſchen Barbarey eben ſo
gut zu entſchuldigen zu ſeyn, als Zergliederer
und Naturforſcher, die Hunde, Katzen, Maͤuſe,
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zur Erweiterung der Wiſſenſchaft, Entdeckun-

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[100/0118] noch unterhaͤlt, bewohnt werden. Das Jnnere des Pallaſtes iſt meiſt leer, und was etwa an bewohnbaren Zimmern noch da iſt, hat entwe- der keine Moͤbel mehr, oder wurmfraͤßige. Die Tapeten ſind verrottet. Man zeigte mir noch das Zimmer, aus deſſen Fenſter Auguſt der Zweyte, zum Zeitvertreib, Hunde ſchoß, die er, durch hingelegtes Fleiſch, ausdruͤcklich auf den Hof lockte. Er ſchoß ſie aber nur an, nicht todt, um das Vergnuͤgen zu haben, die Verwundeten, trotz ihren zerſchmetterten Bei- nen, bey der naͤchſten Fleiſchlieferung doch wie- der daher hinken zu ſehen. Da er (wer zwei- felt daran?) durch dieſe ſinnreiche Erfindung ſeine Thierkenntniß, vielleicht gar ſeine Kennt- niß der Menſchen (denn dieſe machen es nicht anders) vermehren wollte: ſo ſcheint er mir wegen dieſer philoſophiſchen Barbarey eben ſo gut zu entſchuldigen zu ſeyn, als Zergliederer und Naturforſcher, die Hunde, Katzen, Maͤuſe, Froͤſche lebendig auf-und zerſchneiden, um, zur Erweiterung der Wiſſenſchaft, Entdeckun-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/118>, abgerufen am 27.04.2024.