Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht weniger neu, aber zugleich im höchsten
Grade angenehm war. Jener Windstoß hatte
die Wetterwolken aus einander gerissen und
sie gruppenweise in die Schluchten und Zwi-
schenräume der Berge gejagt, aus denen er sie
nicht wieder vertreiben konnte. Bald nachher
legte er sich. Die Wolken schnellten wieder
aus. Sie überzogen terrassenmäßig die Gipfel
der Felsen, arbeiteten wurmförmig in sich selbst,
und Stück vor Stück riß sich los, hob sich
langsam bis zur Spitze des Felsens empor
und stieg sodann, unendlich verdünnt, wie ein
Nebel oder Dunst, über denselben hinaus, in
den großen allgemeinen Luftstrom. Jetzt blickte
die Sonne wieder hervor und verwandelte das
Ganze in ein gold- und silberfarbiges, mehr
oder weniger durchsichtiges, Flockengewebe,
das, in mancherley Gestalten, besonders aber
in wellenartigen Zügen und Streifen, die äu-
ßersten Spitzen der Felsen umwebte und all-
mählig, je mehr es dem Zuge der äußeren Luft
wieder ausgesetzt wurde, in den abgeklärten

nicht weniger neu, aber zugleich im hoͤchſten
Grade angenehm war. Jener Windſtoß hatte
die Wetterwolken aus einander geriſſen und
ſie gruppenweiſe in die Schluchten und Zwi-
ſchenraͤume der Berge gejagt, aus denen er ſie
nicht wieder vertreiben konnte. Bald nachher
legte er ſich. Die Wolken ſchnellten wieder
aus. Sie uͤberzogen terraſſenmaͤßig die Gipfel
der Felſen, arbeiteten wurmfoͤrmig in ſich ſelbſt,
und Stuͤck vor Stuͤck riß ſich los, hob ſich
langſam bis zur Spitze des Felſens empor
und ſtieg ſodann, unendlich verduͤnnt, wie ein
Nebel oder Dunſt, uͤber denſelben hinaus, in
den großen allgemeinen Luftſtrom. Jetzt blickte
die Sonne wieder hervor und verwandelte das
Ganze in ein gold- und ſilberfarbiges, mehr
oder weniger durchſichtiges, Flockengewebe,
das, in mancherley Geſtalten, beſonders aber
in wellenartigen Zuͤgen und Streifen, die aͤu-
ßerſten Spitzen der Felſen umwebte und all-
maͤhlig, je mehr es dem Zuge der aͤußeren Luft
wieder ausgeſetzt wurde, in den abgeklaͤrten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0037" n="29"/>
nicht weniger neu, aber zugleich im ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Grade angenehm war. Jener Wind&#x017F;toß hatte<lb/>
die Wetterwolken aus einander geri&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
&#x017F;ie gruppenwei&#x017F;e in die Schluchten und Zwi-<lb/>
&#x017F;chenra&#x0364;ume der Berge gejagt, aus denen er &#x017F;ie<lb/>
nicht wieder vertreiben konnte. Bald nachher<lb/>
legte er &#x017F;ich. Die Wolken &#x017F;chnellten wieder<lb/>
aus. Sie u&#x0364;berzogen terra&#x017F;&#x017F;enma&#x0364;ßig die Gipfel<lb/>
der Fel&#x017F;en, arbeiteten wurmfo&#x0364;rmig in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
und Stu&#x0364;ck vor Stu&#x0364;ck riß &#x017F;ich los, hob &#x017F;ich<lb/>
lang&#x017F;am bis zur Spitze des Fel&#x017F;ens empor<lb/>
und &#x017F;tieg &#x017F;odann, unendlich verdu&#x0364;nnt, wie ein<lb/>
Nebel oder Dun&#x017F;t, u&#x0364;ber den&#x017F;elben hinaus, in<lb/>
den großen allgemeinen Luft&#x017F;trom. Jetzt blickte<lb/>
die Sonne wieder hervor und verwandelte das<lb/>
Ganze in ein gold- und &#x017F;ilberfarbiges, mehr<lb/>
oder weniger durch&#x017F;ichtiges, Flockengewebe,<lb/>
das, in mancherley Ge&#x017F;talten, be&#x017F;onders aber<lb/>
in wellenartigen Zu&#x0364;gen und Streifen, die a&#x0364;u-<lb/>
ßer&#x017F;ten Spitzen der Fel&#x017F;en umwebte und all-<lb/>
ma&#x0364;hlig, je mehr es dem Zuge der a&#x0364;ußeren Luft<lb/>
wieder ausge&#x017F;etzt wurde, in den abgekla&#x0364;rten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0037] nicht weniger neu, aber zugleich im hoͤchſten Grade angenehm war. Jener Windſtoß hatte die Wetterwolken aus einander geriſſen und ſie gruppenweiſe in die Schluchten und Zwi- ſchenraͤume der Berge gejagt, aus denen er ſie nicht wieder vertreiben konnte. Bald nachher legte er ſich. Die Wolken ſchnellten wieder aus. Sie uͤberzogen terraſſenmaͤßig die Gipfel der Felſen, arbeiteten wurmfoͤrmig in ſich ſelbſt, und Stuͤck vor Stuͤck riß ſich los, hob ſich langſam bis zur Spitze des Felſens empor und ſtieg ſodann, unendlich verduͤnnt, wie ein Nebel oder Dunſt, uͤber denſelben hinaus, in den großen allgemeinen Luftſtrom. Jetzt blickte die Sonne wieder hervor und verwandelte das Ganze in ein gold- und ſilberfarbiges, mehr oder weniger durchſichtiges, Flockengewebe, das, in mancherley Geſtalten, beſonders aber in wellenartigen Zuͤgen und Streifen, die aͤu- ßerſten Spitzen der Felſen umwebte und all- maͤhlig, je mehr es dem Zuge der aͤußeren Luft wieder ausgeſetzt wurde, in den abgeklaͤrten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/37
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/37>, abgerufen am 21.11.2024.