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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Gott bewahre mich! J'ai d'autres chats a fouetter!

Conde sagte dies mit der Miene eines ausgelernten Heuchlers. Aber Karl von Artois traute ihm nicht. Er beobachtete ihn mit mißtrauischen Seitenblicken. Beide hatten schon einmal -- sie standen damals in der höchsten Blüte ihrer Etourderie -- ein Duell einer Dame wegen gehabt, welche Niemand anders war, als die erlauchte Gemahlin unseres Herzogs von Bourbon. Es war unblutig beendet, und seitdem waren sie die besten Freunde von der Welt. Aber dies hielt sie keineswegs ab, sich bei den Frauen jeden irgend möglichen Streich zu spielen. Karl von Artois bereute deßhalb, daß er Conde den ungewöhnlich tiefen Eindruck verrathen, den Leonore auf ihn gemacht hatte.

Als er in dem Jagdschloße zu Schönbornslust angekommen war, das jetzt einem ganzen Heere französischer Flüchtlinge zum Aufenthalt diente, begab er sich augenblicklich zu einer alten Dame, Frau von Breteuil geheißen, welche die ausgezeichnete Gunst genoß, von ihm bei allen leichtfertigen Unternehmungen und delicaten Angelegenheiten einer gewissen Art ins Geheimniß gezogen zu werden. Nach einer halben Stunde wurde dann der Kastellan des Schlosses, unter dem Vorwande, Befehle über einige für den folgenden Abend nöthige Einrichtungen entgegenzunehmen, zu Frau von Breteuil beschieden. Als der alte Diener das Zimmer der Dame wieder verließ, fiel ihm ein, daß man ihm

Gott bewahre mich! J’ai d’autres chats à fouetter!

Condé sagte dies mit der Miene eines ausgelernten Heuchlers. Aber Karl von Artois traute ihm nicht. Er beobachtete ihn mit mißtrauischen Seitenblicken. Beide hatten schon einmal — sie standen damals in der höchsten Blüte ihrer Etourderie — ein Duell einer Dame wegen gehabt, welche Niemand anders war, als die erlauchte Gemahlin unseres Herzogs von Bourbon. Es war unblutig beendet, und seitdem waren sie die besten Freunde von der Welt. Aber dies hielt sie keineswegs ab, sich bei den Frauen jeden irgend möglichen Streich zu spielen. Karl von Artois bereute deßhalb, daß er Condé den ungewöhnlich tiefen Eindruck verrathen, den Leonore auf ihn gemacht hatte.

Als er in dem Jagdschloße zu Schönbornslust angekommen war, das jetzt einem ganzen Heere französischer Flüchtlinge zum Aufenthalt diente, begab er sich augenblicklich zu einer alten Dame, Frau von Breteuil geheißen, welche die ausgezeichnete Gunst genoß, von ihm bei allen leichtfertigen Unternehmungen und delicaten Angelegenheiten einer gewissen Art ins Geheimniß gezogen zu werden. Nach einer halben Stunde wurde dann der Kastellan des Schlosses, unter dem Vorwande, Befehle über einige für den folgenden Abend nöthige Einrichtungen entgegenzunehmen, zu Frau von Breteuil beschieden. Als der alte Diener das Zimmer der Dame wieder verließ, fiel ihm ein, daß man ihm

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[0072] Gott bewahre mich! J’ai d’autres chats à fouetter! Condé sagte dies mit der Miene eines ausgelernten Heuchlers. Aber Karl von Artois traute ihm nicht. Er beobachtete ihn mit mißtrauischen Seitenblicken. Beide hatten schon einmal — sie standen damals in der höchsten Blüte ihrer Etourderie — ein Duell einer Dame wegen gehabt, welche Niemand anders war, als die erlauchte Gemahlin unseres Herzogs von Bourbon. Es war unblutig beendet, und seitdem waren sie die besten Freunde von der Welt. Aber dies hielt sie keineswegs ab, sich bei den Frauen jeden irgend möglichen Streich zu spielen. Karl von Artois bereute deßhalb, daß er Condé den ungewöhnlich tiefen Eindruck verrathen, den Leonore auf ihn gemacht hatte. Als er in dem Jagdschloße zu Schönbornslust angekommen war, das jetzt einem ganzen Heere französischer Flüchtlinge zum Aufenthalt diente, begab er sich augenblicklich zu einer alten Dame, Frau von Breteuil geheißen, welche die ausgezeichnete Gunst genoß, von ihm bei allen leichtfertigen Unternehmungen und delicaten Angelegenheiten einer gewissen Art ins Geheimniß gezogen zu werden. Nach einer halben Stunde wurde dann der Kastellan des Schlosses, unter dem Vorwande, Befehle über einige für den folgenden Abend nöthige Einrichtungen entgegenzunehmen, zu Frau von Breteuil beschieden. Als der alte Diener das Zimmer der Dame wieder verließ, fiel ihm ein, daß man ihm

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/72>, abgerufen am 13.05.2024.