Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.That nicht fehlen lassen. Wie weit Gertrude dafür sich mit ihrer frischen, jungen Persönlichkeit verstrickt und vorgewagt hatte, das scheute Leonore sich zu untersuchen. Sie fühlte sich dem Mädchen tief verpflichtet: aber das Opfer, welches diese ihr brachte, nahm sie ohne Bedenken an. Jetzt aber protestirte Gertrude. Wildpret, das ist nicht möglich! Glauben Sie, daß ich nicht schon längst daran gedacht? Aber die Jagd ist dem Verwalter untersagt, und zum Wilddieben, dazu bringe ich ihn nicht! Auch ist ein neuer Förster oben im Jägerhause eingezogen, der furchtbar strenge sein soll -- die Waldungen und das Gehege hier sind ihm ausschließlich untergeben worden, seitdem der Kurfürst das Gut gekauft -- nein, Wild bekommen wir nicht! Nicht? sagte Leonore stolz -- ich soll nicht einen elenden Hasen oder ein paar Hühner mehr bekommen können aus dem Revier, in welchem Jahrhunderte lang die Hifthörner der Windschrot getönt haben? Gertrude schüttelte den Kopf. Ich will doch sehen, wer es mir wehrt, wenn ich sie selber schieße! Es käme auf die Probe an, lachte Gertrude. Und die will ich machen! Leonore hatte früher an kleinen Jagdstreifereien ihres Bruders nicht selten Theil genommen. Sie schoß ihre Vogelflinte so sicher und ruhig ab, wie nur je irgend ein resolutes Landfräulein. Weßhalb sollte sie, That nicht fehlen lassen. Wie weit Gertrude dafür sich mit ihrer frischen, jungen Persönlichkeit verstrickt und vorgewagt hatte, das scheute Leonore sich zu untersuchen. Sie fühlte sich dem Mädchen tief verpflichtet: aber das Opfer, welches diese ihr brachte, nahm sie ohne Bedenken an. Jetzt aber protestirte Gertrude. Wildpret, das ist nicht möglich! Glauben Sie, daß ich nicht schon längst daran gedacht? Aber die Jagd ist dem Verwalter untersagt, und zum Wilddieben, dazu bringe ich ihn nicht! Auch ist ein neuer Förster oben im Jägerhause eingezogen, der furchtbar strenge sein soll — die Waldungen und das Gehege hier sind ihm ausschließlich untergeben worden, seitdem der Kurfürst das Gut gekauft — nein, Wild bekommen wir nicht! Nicht? sagte Leonore stolz — ich soll nicht einen elenden Hasen oder ein paar Hühner mehr bekommen können aus dem Revier, in welchem Jahrhunderte lang die Hifthörner der Windschrot getönt haben? Gertrude schüttelte den Kopf. Ich will doch sehen, wer es mir wehrt, wenn ich sie selber schieße! Es käme auf die Probe an, lachte Gertrude. Und die will ich machen! Leonore hatte früher an kleinen Jagdstreifereien ihres Bruders nicht selten Theil genommen. Sie schoß ihre Vogelflinte so sicher und ruhig ab, wie nur je irgend ein resolutes Landfräulein. Weßhalb sollte sie, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0045"/> That nicht fehlen lassen. Wie weit Gertrude dafür sich mit ihrer frischen, jungen Persönlichkeit verstrickt und vorgewagt hatte, das scheute Leonore sich zu untersuchen. Sie fühlte sich dem Mädchen tief verpflichtet: aber das Opfer, welches diese ihr brachte, nahm sie ohne Bedenken an.</p><lb/> <p>Jetzt aber protestirte Gertrude. Wildpret, das ist nicht möglich! Glauben Sie, daß ich nicht schon längst daran gedacht? Aber die Jagd ist dem Verwalter untersagt, und zum Wilddieben, dazu bringe ich ihn nicht! Auch ist ein neuer Förster oben im Jägerhause eingezogen, der furchtbar strenge sein soll — die Waldungen und das Gehege hier sind ihm ausschließlich untergeben worden, seitdem der Kurfürst das Gut gekauft — nein, Wild bekommen wir nicht!</p><lb/> <p>Nicht? sagte Leonore stolz — ich soll nicht einen elenden Hasen oder ein paar Hühner mehr bekommen können aus dem Revier, in welchem Jahrhunderte lang die Hifthörner der Windschrot getönt haben?</p><lb/> <p>Gertrude schüttelte den Kopf.</p><lb/> <p>Ich will doch sehen, wer es mir wehrt, wenn ich sie selber schieße!</p><lb/> <p>Es käme auf die Probe an, lachte Gertrude.</p><lb/> <p>Und die will ich machen!</p><lb/> <p>Leonore hatte früher an kleinen Jagdstreifereien ihres Bruders nicht selten Theil genommen. Sie schoß ihre Vogelflinte so sicher und ruhig ab, wie nur je irgend ein resolutes Landfräulein. Weßhalb sollte sie,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
That nicht fehlen lassen. Wie weit Gertrude dafür sich mit ihrer frischen, jungen Persönlichkeit verstrickt und vorgewagt hatte, das scheute Leonore sich zu untersuchen. Sie fühlte sich dem Mädchen tief verpflichtet: aber das Opfer, welches diese ihr brachte, nahm sie ohne Bedenken an.
Jetzt aber protestirte Gertrude. Wildpret, das ist nicht möglich! Glauben Sie, daß ich nicht schon längst daran gedacht? Aber die Jagd ist dem Verwalter untersagt, und zum Wilddieben, dazu bringe ich ihn nicht! Auch ist ein neuer Förster oben im Jägerhause eingezogen, der furchtbar strenge sein soll — die Waldungen und das Gehege hier sind ihm ausschließlich untergeben worden, seitdem der Kurfürst das Gut gekauft — nein, Wild bekommen wir nicht!
Nicht? sagte Leonore stolz — ich soll nicht einen elenden Hasen oder ein paar Hühner mehr bekommen können aus dem Revier, in welchem Jahrhunderte lang die Hifthörner der Windschrot getönt haben?
Gertrude schüttelte den Kopf.
Ich will doch sehen, wer es mir wehrt, wenn ich sie selber schieße!
Es käme auf die Probe an, lachte Gertrude.
Und die will ich machen!
Leonore hatte früher an kleinen Jagdstreifereien ihres Bruders nicht selten Theil genommen. Sie schoß ihre Vogelflinte so sicher und ruhig ab, wie nur je irgend ein resolutes Landfräulein. Weßhalb sollte sie,
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(2017-03-16T11:53:40Z)
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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