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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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rebellischer Thoren und den Herd seiner Vorfahren, die Heimat eines ritterlichen Geschlechts, in fremden Händen zu sehen. Es ist gut, daß sein Auge sich geschlossen, ehe der Schild, auf dem nie ein Flecken gehaftet hat, von seiner stolzen Stelle am Giebel unseres Schlosses niedergeworfen und zertrümmert wurde!

Je ärmer und verlassener Leonore geworden, desto höher war ihr Adelstolz gewachsen -- es war ihr letztes Besitzthum, das einzige, was sie aus dem Schiffbruch retten konnte.

In dieser Lage befand sich Leonore, als sie im Laufe einer und derselben Woche drei Nachrichten erhielt, von denen eine immer erschütternder auf sie wirkte, als die andere. Ein Brief der Tante meldete ihr, daß eine reiche ältliche Dame ohne Kinder sie als Gesellschafterin zu sich nehmen wolle, sobald sie von der Badereise zurückgekommen, welche sie anzutreten beabsichtige. Es war also vom Schicksale unwiderruflich beschlossen -- Leonore sollte das Brod der Dienstbarkeit essen! -- Wie viel Andere hätten bei einer solchen Lage in der Nachricht eine Botschaft des Glücks gesehen: Leonoren war es eine demüthigende Hiobspost. Das Unglück weckt das Selbstbewußtsein, und doch führt es dann immer einen Schlag nach dem andern wider dieses Selbstbewußtsein, als verfolge es in seinem eigenen Kinde eine empörerische Macht, die es nicht dulden wolle und völlig zernichten müsse. Dies ist das Geheimniß jedes Kampfes zwischen dem Indi-

rebellischer Thoren und den Herd seiner Vorfahren, die Heimat eines ritterlichen Geschlechts, in fremden Händen zu sehen. Es ist gut, daß sein Auge sich geschlossen, ehe der Schild, auf dem nie ein Flecken gehaftet hat, von seiner stolzen Stelle am Giebel unseres Schlosses niedergeworfen und zertrümmert wurde!

Je ärmer und verlassener Leonore geworden, desto höher war ihr Adelstolz gewachsen — es war ihr letztes Besitzthum, das einzige, was sie aus dem Schiffbruch retten konnte.

In dieser Lage befand sich Leonore, als sie im Laufe einer und derselben Woche drei Nachrichten erhielt, von denen eine immer erschütternder auf sie wirkte, als die andere. Ein Brief der Tante meldete ihr, daß eine reiche ältliche Dame ohne Kinder sie als Gesellschafterin zu sich nehmen wolle, sobald sie von der Badereise zurückgekommen, welche sie anzutreten beabsichtige. Es war also vom Schicksale unwiderruflich beschlossen — Leonore sollte das Brod der Dienstbarkeit essen! — Wie viel Andere hätten bei einer solchen Lage in der Nachricht eine Botschaft des Glücks gesehen: Leonoren war es eine demüthigende Hiobspost. Das Unglück weckt das Selbstbewußtsein, und doch führt es dann immer einen Schlag nach dem andern wider dieses Selbstbewußtsein, als verfolge es in seinem eigenen Kinde eine empörerische Macht, die es nicht dulden wolle und völlig zernichten müsse. Dies ist das Geheimniß jedes Kampfes zwischen dem Indi-

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[0032] rebellischer Thoren und den Herd seiner Vorfahren, die Heimat eines ritterlichen Geschlechts, in fremden Händen zu sehen. Es ist gut, daß sein Auge sich geschlossen, ehe der Schild, auf dem nie ein Flecken gehaftet hat, von seiner stolzen Stelle am Giebel unseres Schlosses niedergeworfen und zertrümmert wurde! Je ärmer und verlassener Leonore geworden, desto höher war ihr Adelstolz gewachsen — es war ihr letztes Besitzthum, das einzige, was sie aus dem Schiffbruch retten konnte. In dieser Lage befand sich Leonore, als sie im Laufe einer und derselben Woche drei Nachrichten erhielt, von denen eine immer erschütternder auf sie wirkte, als die andere. Ein Brief der Tante meldete ihr, daß eine reiche ältliche Dame ohne Kinder sie als Gesellschafterin zu sich nehmen wolle, sobald sie von der Badereise zurückgekommen, welche sie anzutreten beabsichtige. Es war also vom Schicksale unwiderruflich beschlossen — Leonore sollte das Brod der Dienstbarkeit essen! — Wie viel Andere hätten bei einer solchen Lage in der Nachricht eine Botschaft des Glücks gesehen: Leonoren war es eine demüthigende Hiobspost. Das Unglück weckt das Selbstbewußtsein, und doch führt es dann immer einen Schlag nach dem andern wider dieses Selbstbewußtsein, als verfolge es in seinem eigenen Kinde eine empörerische Macht, die es nicht dulden wolle und völlig zernichten müsse. Dies ist das Geheimniß jedes Kampfes zwischen dem Indi-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/32>, abgerufen am 24.11.2024.