Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Frauen zu denken haben, versetzte die Dame mit einem leisen Anfluge von Spott. Wenn ich nun mein Waldhüteramt geltend mache, das mir die Pflicht auflegt, Unheil in meinen Forsten zu verhüten -- werden Sie dann meine Begleitung annehmen? Keinenfalls können Sie verwehren, daß ich Ihnen folge, um im Falle der Noth zu Ihrem Schutze nahe zu sein. Das kann ich freilich nicht -- aber unser Weg ist durchaus nicht kurz! Glauben Sie, daß ich ihn so wünsche? Der Jäger warf seine Büchse über die Schulter, und um seiner Galanterie die Krone aufzusetzen, nahm er der Kleinen den Korb ab, welchen diese am Arme trug. Das Mädchen erschrak sichtlich dabei und lehnte stotternd die Höflichkeit des Fremden ab. Der junge Mann aber hatte bei aller Zuvorkommenheit etwas so Entschiedenes, daß ihm nicht zu widerstehen war. In den Gesichtern der jungen Mädchen hatte sich bis jetzt eine gewisse versteckte Schelmerei gespiegelt, in ihren Worten etwas Spöttisches gelegen. Seltsamerweise war dieser Ausdruck in Zügen und Reden plötzlich auf den jungen Mann übergegangen, seitdem er den Korb in der Hand trug. Für diesen Korb bezeigte übrigens auch Leo ein außerordentliches Interesse. Er schnupperte in allen Richtungen an dem Weidengeflecht umher. Frauen zu denken haben, versetzte die Dame mit einem leisen Anfluge von Spott. Wenn ich nun mein Waldhüteramt geltend mache, das mir die Pflicht auflegt, Unheil in meinen Forsten zu verhüten — werden Sie dann meine Begleitung annehmen? Keinenfalls können Sie verwehren, daß ich Ihnen folge, um im Falle der Noth zu Ihrem Schutze nahe zu sein. Das kann ich freilich nicht — aber unser Weg ist durchaus nicht kurz! Glauben Sie, daß ich ihn so wünsche? Der Jäger warf seine Büchse über die Schulter, und um seiner Galanterie die Krone aufzusetzen, nahm er der Kleinen den Korb ab, welchen diese am Arme trug. Das Mädchen erschrak sichtlich dabei und lehnte stotternd die Höflichkeit des Fremden ab. Der junge Mann aber hatte bei aller Zuvorkommenheit etwas so Entschiedenes, daß ihm nicht zu widerstehen war. In den Gesichtern der jungen Mädchen hatte sich bis jetzt eine gewisse versteckte Schelmerei gespiegelt, in ihren Worten etwas Spöttisches gelegen. Seltsamerweise war dieser Ausdruck in Zügen und Reden plötzlich auf den jungen Mann übergegangen, seitdem er den Korb in der Hand trug. Für diesen Korb bezeigte übrigens auch Leo ein außerordentliches Interesse. Er schnupperte in allen Richtungen an dem Weidengeflecht umher. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0013"/> Frauen zu denken haben, versetzte die Dame mit einem leisen Anfluge von Spott.</p><lb/> <p>Wenn ich nun mein Waldhüteramt geltend mache, das mir die Pflicht auflegt, Unheil in meinen Forsten zu verhüten — werden Sie dann meine Begleitung annehmen? Keinenfalls können Sie verwehren, daß ich Ihnen folge, um im Falle der Noth zu Ihrem Schutze nahe zu sein.</p><lb/> <p>Das kann ich freilich nicht — aber unser Weg ist durchaus nicht kurz!</p><lb/> <p>Glauben Sie, daß ich ihn so wünsche?</p><lb/> <p>Der Jäger warf seine Büchse über die Schulter, und um seiner Galanterie die Krone aufzusetzen, nahm er der Kleinen den Korb ab, welchen diese am Arme trug.</p><lb/> <p>Das Mädchen erschrak sichtlich dabei und lehnte stotternd die Höflichkeit des Fremden ab. Der junge Mann aber hatte bei aller Zuvorkommenheit etwas so Entschiedenes, daß ihm nicht zu widerstehen war. In den Gesichtern der jungen Mädchen hatte sich bis jetzt eine gewisse versteckte Schelmerei gespiegelt, in ihren Worten etwas Spöttisches gelegen.</p><lb/> <p>Seltsamerweise war dieser Ausdruck in Zügen und Reden plötzlich auf den jungen Mann übergegangen, seitdem er den Korb in der Hand trug.</p><lb/> <p>Für diesen Korb bezeigte übrigens auch Leo ein außerordentliches Interesse. Er schnupperte in allen Richtungen an dem Weidengeflecht umher.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
Frauen zu denken haben, versetzte die Dame mit einem leisen Anfluge von Spott.
Wenn ich nun mein Waldhüteramt geltend mache, das mir die Pflicht auflegt, Unheil in meinen Forsten zu verhüten — werden Sie dann meine Begleitung annehmen? Keinenfalls können Sie verwehren, daß ich Ihnen folge, um im Falle der Noth zu Ihrem Schutze nahe zu sein.
Das kann ich freilich nicht — aber unser Weg ist durchaus nicht kurz!
Glauben Sie, daß ich ihn so wünsche?
Der Jäger warf seine Büchse über die Schulter, und um seiner Galanterie die Krone aufzusetzen, nahm er der Kleinen den Korb ab, welchen diese am Arme trug.
Das Mädchen erschrak sichtlich dabei und lehnte stotternd die Höflichkeit des Fremden ab. Der junge Mann aber hatte bei aller Zuvorkommenheit etwas so Entschiedenes, daß ihm nicht zu widerstehen war. In den Gesichtern der jungen Mädchen hatte sich bis jetzt eine gewisse versteckte Schelmerei gespiegelt, in ihren Worten etwas Spöttisches gelegen.
Seltsamerweise war dieser Ausdruck in Zügen und Reden plötzlich auf den jungen Mann übergegangen, seitdem er den Korb in der Hand trug.
Für diesen Korb bezeigte übrigens auch Leo ein außerordentliches Interesse. Er schnupperte in allen Richtungen an dem Weidengeflecht umher.
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Zitationshilfe: | Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/13>, abgerufen am 16.02.2025. |