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Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.

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dieselben Musikanten wie damals spielten dieselben Walzer.

Es war viel Champagner getrunken worden bei Tisch, alles befand sich in erhöhter Gemütsstimmung, die sich jedoch nicht in Lustigkeit, sondern in einer aufgeregten, von dem unheimlichen Druck Befreiung suchenden Unruhe äußerte.

Es war beschlossen worden, daß nicht getanzt werden sollte, wegen der Braut. Aber plötzlich umfaßten zwei Mädchen einander und begannen über das glatte Parkett hinzuwirbeln. Dann, nachdem sie einmal den Saal umkreist hatten, blieben sie vor Gina stehen, die noch immer, sich langsam fächelnd, neben ihrer zukünftigen Schwiegermutter saß.

"Ich bitte dich, Gina, sei nicht böse," riefen sie, "es ist abscheulich, zu tanzen, wenn du nicht tanzen kannst, aber wir hatten so eine Aufregung in den Füßen."

"Gut, wenn die Aufregung nur in den Füßen war," erwiderte Gina mit einem Spott, durch den es wie leiser Neid hindurchklang, "nehmt keine Rücksicht auf mich, hüpft, soviel ihr wollt," und sie wendete gleichgültig den Kopf von den jungen Mädchen ab und sah nach der Thür, durch die er kommen mußte.

Die Komtessen ließen sich's nicht zweimal sagen. Bald hatte alle Anwesenden eine Art Tanzwut erfaßt,

dieselben Musikanten wie damals spielten dieselben Walzer.

Es war viel Champagner getrunken worden bei Tisch, alles befand sich in erhöhter Gemütsstimmung, die sich jedoch nicht in Lustigkeit, sondern in einer aufgeregten, von dem unheimlichen Druck Befreiung suchenden Unruhe äußerte.

Es war beschlossen worden, daß nicht getanzt werden sollte, wegen der Braut. Aber plötzlich umfaßten zwei Mädchen einander und begannen über das glatte Parkett hinzuwirbeln. Dann, nachdem sie einmal den Saal umkreist hatten, blieben sie vor Gina stehen, die noch immer, sich langsam fächelnd, neben ihrer zukünftigen Schwiegermutter saß.

„Ich bitte dich, Gina, sei nicht böse,“ riefen sie, „es ist abscheulich, zu tanzen, wenn du nicht tanzen kannst, aber wir hatten so eine Aufregung in den Füßen.“

„Gut, wenn die Aufregung nur in den Füßen war,“ erwiderte Gina mit einem Spott, durch den es wie leiser Neid hindurchklang, „nehmt keine Rücksicht auf mich, hüpft, soviel ihr wollt,“ und sie wendete gleichgültig den Kopf von den jungen Mädchen ab und sah nach der Thür, durch die er kommen mußte.

Die Komtessen ließen sich’s nicht zweimal sagen. Bald hatte alle Anwesenden eine Art Tanzwut erfaßt,

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[122/0122] dieselben Musikanten wie damals spielten dieselben Walzer. Es war viel Champagner getrunken worden bei Tisch, alles befand sich in erhöhter Gemütsstimmung, die sich jedoch nicht in Lustigkeit, sondern in einer aufgeregten, von dem unheimlichen Druck Befreiung suchenden Unruhe äußerte. Es war beschlossen worden, daß nicht getanzt werden sollte, wegen der Braut. Aber plötzlich umfaßten zwei Mädchen einander und begannen über das glatte Parkett hinzuwirbeln. Dann, nachdem sie einmal den Saal umkreist hatten, blieben sie vor Gina stehen, die noch immer, sich langsam fächelnd, neben ihrer zukünftigen Schwiegermutter saß. „Ich bitte dich, Gina, sei nicht böse,“ riefen sie, „es ist abscheulich, zu tanzen, wenn du nicht tanzen kannst, aber wir hatten so eine Aufregung in den Füßen.“ „Gut, wenn die Aufregung nur in den Füßen war,“ erwiderte Gina mit einem Spott, durch den es wie leiser Neid hindurchklang, „nehmt keine Rücksicht auf mich, hüpft, soviel ihr wollt,“ und sie wendete gleichgültig den Kopf von den jungen Mädchen ab und sah nach der Thür, durch die er kommen mußte. Die Komtessen ließen sich’s nicht zweimal sagen. Bald hatte alle Anwesenden eine Art Tanzwut erfaßt,

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Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/122>, abgerufen am 24.11.2024.