Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

lassen wollen, sie hatte nämlich erst kürzlich ihre Kammerjungfer gewechselt, und die neue machte alles verkehrt, war noch nicht eingeschult. Da konnte die Gräfin Annie wirklich nicht entbehren, und da Annie für eine energische Weigerung keinen Grund hätte finden können, ohne ihr armes Herzensgeheimnis preiszugeben, so hatte sie sich denn geduldig dazu bestimmen lassen, mit der Tante zu reisen.

Ein reizendes Geschöpfchen war sie und so natürlich, ohne jede Pose und Flause, ohne hypermixolydische Überspanntheit, gesunder Menschenverstand in einem reizenden, gesunden Körper, dabei keine Nüchternheit, sondern ein unendlich weiches, poetisches, aber ebenfalls durchaus gesundes Empfinden.

Wenn sie das Zimmer betrat, in welchem das Brautpaar sich befand, blickte Swoyschin jedesmal rasch nach ihr hin, dann heftete er die Augen eigensinnig zu Boden.

Sie zwitscherte indessen mit wohlgespielter Gleichgültigkeit lustiges Zeug, gab einem Teckel, der sich ihr gleich nach ihrer Ankunft verliebt an die Fersen geheftet hatte, Kosenamen, behandelte Swoyschin verwandtschaftlich, humoristisch, legte aber vom ersten Augenblick an die schroffste, ungeschminkteste Abneigung gegen seine Braut an den Tag.

Den andern Damen im Schloß bezeigte sie im Gegenteil tausend herzige Aufmerksamkeiten. Dabei

lassen wollen, sie hatte nämlich erst kürzlich ihre Kammerjungfer gewechselt, und die neue machte alles verkehrt, war noch nicht eingeschult. Da konnte die Gräfin Annie wirklich nicht entbehren, und da Annie für eine energische Weigerung keinen Grund hätte finden können, ohne ihr armes Herzensgeheimnis preiszugeben, so hatte sie sich denn geduldig dazu bestimmen lassen, mit der Tante zu reisen.

Ein reizendes Geschöpfchen war sie und so natürlich, ohne jede Pose und Flause, ohne hypermixolydische Überspanntheit, gesunder Menschenverstand in einem reizenden, gesunden Körper, dabei keine Nüchternheit, sondern ein unendlich weiches, poetisches, aber ebenfalls durchaus gesundes Empfinden.

Wenn sie das Zimmer betrat, in welchem das Brautpaar sich befand, blickte Swoyschin jedesmal rasch nach ihr hin, dann heftete er die Augen eigensinnig zu Boden.

Sie zwitscherte indessen mit wohlgespielter Gleichgültigkeit lustiges Zeug, gab einem Teckel, der sich ihr gleich nach ihrer Ankunft verliebt an die Fersen geheftet hatte, Kosenamen, behandelte Swoyschin verwandtschaftlich, humoristisch, legte aber vom ersten Augenblick an die schroffste, ungeschminkteste Abneigung gegen seine Braut an den Tag.

Den andern Damen im Schloß bezeigte sie im Gegenteil tausend herzige Aufmerksamkeiten. Dabei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0106" n="106"/>
lassen wollen, sie hatte nämlich erst kürzlich ihre Kammerjungfer gewechselt, und die neue machte alles verkehrt, war noch nicht eingeschult. Da konnte die Gräfin Annie wirklich nicht entbehren, und da Annie für eine energische Weigerung keinen Grund hätte finden können, ohne ihr armes Herzensgeheimnis preiszugeben, so hatte sie sich denn geduldig dazu bestimmen lassen, mit der Tante zu reisen.</p>
        <p>Ein reizendes Geschöpfchen war sie und so natürlich, ohne jede Pose und Flause, ohne hypermixolydische Überspanntheit, gesunder Menschenverstand in einem reizenden, gesunden Körper, dabei keine Nüchternheit, sondern ein unendlich weiches, poetisches, aber ebenfalls durchaus gesundes Empfinden.</p>
        <p>Wenn sie das Zimmer betrat, in welchem das Brautpaar sich befand, blickte Swoyschin jedesmal rasch nach ihr hin, dann heftete er die Augen eigensinnig zu Boden.</p>
        <p>Sie zwitscherte indessen mit wohlgespielter Gleichgültigkeit lustiges Zeug, gab einem Teckel, der sich ihr gleich nach ihrer Ankunft verliebt an die Fersen geheftet hatte, Kosenamen, behandelte Swoyschin verwandtschaftlich, humoristisch, legte aber vom ersten Augenblick an die schroffste, ungeschminkteste Abneigung gegen seine Braut an den Tag.</p>
        <p>Den andern Damen im Schloß bezeigte sie im Gegenteil tausend herzige Aufmerksamkeiten. Dabei
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0106] lassen wollen, sie hatte nämlich erst kürzlich ihre Kammerjungfer gewechselt, und die neue machte alles verkehrt, war noch nicht eingeschult. Da konnte die Gräfin Annie wirklich nicht entbehren, und da Annie für eine energische Weigerung keinen Grund hätte finden können, ohne ihr armes Herzensgeheimnis preiszugeben, so hatte sie sich denn geduldig dazu bestimmen lassen, mit der Tante zu reisen. Ein reizendes Geschöpfchen war sie und so natürlich, ohne jede Pose und Flause, ohne hypermixolydische Überspanntheit, gesunder Menschenverstand in einem reizenden, gesunden Körper, dabei keine Nüchternheit, sondern ein unendlich weiches, poetisches, aber ebenfalls durchaus gesundes Empfinden. Wenn sie das Zimmer betrat, in welchem das Brautpaar sich befand, blickte Swoyschin jedesmal rasch nach ihr hin, dann heftete er die Augen eigensinnig zu Boden. Sie zwitscherte indessen mit wohlgespielter Gleichgültigkeit lustiges Zeug, gab einem Teckel, der sich ihr gleich nach ihrer Ankunft verliebt an die Fersen geheftet hatte, Kosenamen, behandelte Swoyschin verwandtschaftlich, humoristisch, legte aber vom ersten Augenblick an die schroffste, ungeschminkteste Abneigung gegen seine Braut an den Tag. Den andern Damen im Schloß bezeigte sie im Gegenteil tausend herzige Aufmerksamkeiten. Dabei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/106
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/106>, abgerufen am 21.11.2024.