Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.Zeitungsausschnitt erspähte der Oberst, welcher, wie fast alle Reiteroberste, sehr rasche Augen hatte, die in Fettschrift gedruckten Worte: "Weiblicher Doppelselbstmord - beklagenswerte Opfer aristokratischen Leichtsinns. Die Stelle des herzlosen Verführers hat in diesem Fall Graf S..." Und plötzlich trat dem Freiherrn eine dunkle, jämmerliche Geschichte ins Gedächtnis zurück - eine Geschichte, die er vor etwa drei Jahren in der Zeitung gelesen hatte und welche zwei junge Mädchen betraf, von denen sich die eine aus unglücklicher Liebe zu einem jungen Kavalier, Grafen S..., erschossen, nachdem ihre Freundin, um ihr Mut zu machen, sich durch einen ersten Schuß aus demselben Revolver entleibt hatte. Er sah den Adjutanten verdutzt an. Dieser war totenblaß geworden. "Sie wußten doch von der Sache," begann er heiser. "Von dem unglückseligen Vorfall hatte ich allerdings gehört," stotterte der Oberst -, "vielmehr hatte ich davon in der Zeitung gelesen ... Aber ich war damals in Polen. Um zu erfahren, wer dieser Graf S... sei, hätte ich erst nach Wien schreiben müssen, - dazu interessierte mich die Sache zu wenig. Damals wußte ich noch gar nicht von Ihrer Existenz, mein lieber Swoyschin, und als Sie in mein Regiment eintraten, hatte ich den Jammer längst vergessen. Zeitungsausschnitt erspähte der Oberst, welcher, wie fast alle Reiteroberste, sehr rasche Augen hatte, die in Fettschrift gedruckten Worte: „Weiblicher Doppelselbstmord – beklagenswerte Opfer aristokratischen Leichtsinns. Die Stelle des herzlosen Verführers hat in diesem Fall Graf S…“ Und plötzlich trat dem Freiherrn eine dunkle, jämmerliche Geschichte ins Gedächtnis zurück – eine Geschichte, die er vor etwa drei Jahren in der Zeitung gelesen hatte und welche zwei junge Mädchen betraf, von denen sich die eine aus unglücklicher Liebe zu einem jungen Kavalier, Grafen S…, erschossen, nachdem ihre Freundin, um ihr Mut zu machen, sich durch einen ersten Schuß aus demselben Revolver entleibt hatte. Er sah den Adjutanten verdutzt an. Dieser war totenblaß geworden. „Sie wußten doch von der Sache,“ begann er heiser. „Von dem unglückseligen Vorfall hatte ich allerdings gehört,“ stotterte der Oberst –, „vielmehr hatte ich davon in der Zeitung gelesen … Aber ich war damals in Polen. Um zu erfahren, wer dieser Graf S… sei, hätte ich erst nach Wien schreiben müssen, – dazu interessierte mich die Sache zu wenig. Damals wußte ich noch gar nicht von Ihrer Existenz, mein lieber Swoyschin, und als Sie in mein Regiment eintraten, hatte ich den Jammer längst vergessen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="56"/> Zeitungsausschnitt erspähte der Oberst, welcher, wie fast alle Reiteroberste, sehr rasche Augen hatte, die in Fettschrift gedruckten Worte:</p> <p>„Weiblicher Doppelselbstmord – beklagenswerte Opfer aristokratischen Leichtsinns. Die Stelle des herzlosen Verführers hat in diesem Fall Graf S…“</p> <p>Und plötzlich trat dem Freiherrn eine dunkle, jämmerliche Geschichte ins Gedächtnis zurück – eine Geschichte, die er vor etwa drei Jahren in der Zeitung gelesen hatte und welche zwei junge Mädchen betraf, von denen sich die eine aus unglücklicher Liebe zu einem jungen Kavalier, Grafen S…, erschossen, nachdem ihre Freundin, um ihr Mut zu machen, sich durch einen ersten Schuß aus demselben Revolver entleibt hatte.</p> <p>Er sah den Adjutanten verdutzt an. Dieser war totenblaß geworden. „Sie wußten doch von der Sache,“ begann er heiser.</p> <p>„Von dem unglückseligen Vorfall hatte ich allerdings gehört,“ stotterte der Oberst –, „vielmehr hatte ich davon in der Zeitung gelesen … Aber ich war damals in Polen. Um zu erfahren, wer dieser Graf S… sei, hätte ich erst nach Wien schreiben müssen, – dazu interessierte mich die Sache zu wenig. Damals wußte ich noch gar nicht von Ihrer Existenz, mein lieber Swoyschin, und als Sie in mein Regiment eintraten, hatte ich den Jammer längst vergessen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0057]
Zeitungsausschnitt erspähte der Oberst, welcher, wie fast alle Reiteroberste, sehr rasche Augen hatte, die in Fettschrift gedruckten Worte:
„Weiblicher Doppelselbstmord – beklagenswerte Opfer aristokratischen Leichtsinns. Die Stelle des herzlosen Verführers hat in diesem Fall Graf S…“
Und plötzlich trat dem Freiherrn eine dunkle, jämmerliche Geschichte ins Gedächtnis zurück – eine Geschichte, die er vor etwa drei Jahren in der Zeitung gelesen hatte und welche zwei junge Mädchen betraf, von denen sich die eine aus unglücklicher Liebe zu einem jungen Kavalier, Grafen S…, erschossen, nachdem ihre Freundin, um ihr Mut zu machen, sich durch einen ersten Schuß aus demselben Revolver entleibt hatte.
Er sah den Adjutanten verdutzt an. Dieser war totenblaß geworden. „Sie wußten doch von der Sache,“ begann er heiser.
„Von dem unglückseligen Vorfall hatte ich allerdings gehört,“ stotterte der Oberst –, „vielmehr hatte ich davon in der Zeitung gelesen … Aber ich war damals in Polen. Um zu erfahren, wer dieser Graf S… sei, hätte ich erst nach Wien schreiben müssen, – dazu interessierte mich die Sache zu wenig. Damals wußte ich noch gar nicht von Ihrer Existenz, mein lieber Swoyschin, und als Sie in mein Regiment eintraten, hatte ich den Jammer längst vergessen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |