Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.dazu bei, ihn in der plötzlich aufgekommenen Vermutung zu bestärken, daß Zdenko aus Garnisonslangeweile und faute de mieux sich in ein Verhältnis mit der armen Doktorin eingelassen habe. Der Ton, den er ihr gegenüber anschlug, war aufmunternd freundlich, das war alles. Von ungewöhnlicher Familiarität ebensowenig eine Spur als von jener betonen Zurückhaltung, mit der zwei heimlich Liebende ihr Verhältnis vor der Welt zu decken trachten. Dabei bewies Swoyschin der kleinen Frau noch immer, wie an jenem ersten Abend, da er den Lancier mit ihr getanzt hatte, die vollendetste Achtung. Nach wie vor nichts, was die Sympathieen des Obersten für den jungen Menschen hätte vermindern können. Und doch war ihm etwas bei dem Ganzen nicht recht. Eine kleine Episode hatte besonders dazu beigetragen, ihn zu verstimmen. Nachdem die Doktorin den schwarzen Kaffee eingeschenkt hatte, zog sie sich zurück, um die Herren ungestört dem Genuß des vorzüglichen Weichselschnapses zu überlassen, den sie selber zu bereiten pflegte, und dem der russischen Cigaretten, die ihr Mann von einem nach Rußland ausgewanderten Kollegen geschenkt bekommen hatte. Ehe sie das Zimmer verließ, war der Doktor auf sie zugekommen, hatte ihre kulinarischen Leistungen gelobt und ihr einen Kuß auf die Wange geben wollen. Sie schrak zusammen, mit einer Bewegung, als ob jemand dazu bei, ihn in der plötzlich aufgekommenen Vermutung zu bestärken, daß Zdenko aus Garnisonslangeweile und faute de mieux sich in ein Verhältnis mit der armen Doktorin eingelassen habe. Der Ton, den er ihr gegenüber anschlug, war aufmunternd freundlich, das war alles. Von ungewöhnlicher Familiarität ebensowenig eine Spur als von jener betonen Zurückhaltung, mit der zwei heimlich Liebende ihr Verhältnis vor der Welt zu decken trachten. Dabei bewies Swoyschin der kleinen Frau noch immer, wie an jenem ersten Abend, da er den Lancier mit ihr getanzt hatte, die vollendetste Achtung. Nach wie vor nichts, was die Sympathieen des Obersten für den jungen Menschen hätte vermindern können. Und doch war ihm etwas bei dem Ganzen nicht recht. Eine kleine Episode hatte besonders dazu beigetragen, ihn zu verstimmen. Nachdem die Doktorin den schwarzen Kaffee eingeschenkt hatte, zog sie sich zurück, um die Herren ungestört dem Genuß des vorzüglichen Weichselschnapses zu überlassen, den sie selber zu bereiten pflegte, und dem der russischen Cigaretten, die ihr Mann von einem nach Rußland ausgewanderten Kollegen geschenkt bekommen hatte. Ehe sie das Zimmer verließ, war der Doktor auf sie zugekommen, hatte ihre kulinarischen Leistungen gelobt und ihr einen Kuß auf die Wange geben wollen. Sie schrak zusammen, mit einer Bewegung, als ob jemand <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="42"/> dazu bei, ihn in der plötzlich aufgekommenen Vermutung zu bestärken, daß Zdenko aus Garnisonslangeweile und <hi rendition="#aq">faute de mieux</hi> sich in ein Verhältnis mit der armen Doktorin eingelassen habe. Der Ton, den er ihr gegenüber anschlug, war aufmunternd freundlich, das war alles. Von ungewöhnlicher Familiarität ebensowenig eine Spur als von jener betonen Zurückhaltung, mit der zwei heimlich Liebende ihr Verhältnis vor der Welt zu decken trachten. Dabei bewies Swoyschin der kleinen Frau noch immer, wie an jenem ersten Abend, da er den Lancier mit ihr getanzt hatte, die vollendetste Achtung. Nach wie vor nichts, was die Sympathieen des Obersten für den jungen Menschen hätte vermindern können. Und doch war ihm etwas bei dem Ganzen nicht recht.</p> <p>Eine kleine Episode hatte besonders dazu beigetragen, ihn zu verstimmen. Nachdem die Doktorin den schwarzen Kaffee eingeschenkt hatte, zog sie sich zurück, um die Herren ungestört dem Genuß des vorzüglichen Weichselschnapses zu überlassen, den sie selber zu bereiten pflegte, und dem der russischen Cigaretten, die ihr Mann von einem nach Rußland ausgewanderten Kollegen geschenkt bekommen hatte. Ehe sie das Zimmer verließ, war der Doktor auf sie zugekommen, hatte ihre kulinarischen Leistungen gelobt und ihr einen Kuß auf die Wange geben wollen. Sie schrak zusammen, mit einer Bewegung, als ob jemand </p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0043]
dazu bei, ihn in der plötzlich aufgekommenen Vermutung zu bestärken, daß Zdenko aus Garnisonslangeweile und faute de mieux sich in ein Verhältnis mit der armen Doktorin eingelassen habe. Der Ton, den er ihr gegenüber anschlug, war aufmunternd freundlich, das war alles. Von ungewöhnlicher Familiarität ebensowenig eine Spur als von jener betonen Zurückhaltung, mit der zwei heimlich Liebende ihr Verhältnis vor der Welt zu decken trachten. Dabei bewies Swoyschin der kleinen Frau noch immer, wie an jenem ersten Abend, da er den Lancier mit ihr getanzt hatte, die vollendetste Achtung. Nach wie vor nichts, was die Sympathieen des Obersten für den jungen Menschen hätte vermindern können. Und doch war ihm etwas bei dem Ganzen nicht recht.
Eine kleine Episode hatte besonders dazu beigetragen, ihn zu verstimmen. Nachdem die Doktorin den schwarzen Kaffee eingeschenkt hatte, zog sie sich zurück, um die Herren ungestört dem Genuß des vorzüglichen Weichselschnapses zu überlassen, den sie selber zu bereiten pflegte, und dem der russischen Cigaretten, die ihr Mann von einem nach Rußland ausgewanderten Kollegen geschenkt bekommen hatte. Ehe sie das Zimmer verließ, war der Doktor auf sie zugekommen, hatte ihre kulinarischen Leistungen gelobt und ihr einen Kuß auf die Wange geben wollen. Sie schrak zusammen, mit einer Bewegung, als ob jemand
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