Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.Sitte "Jause" und nicht "five o clock" hieß. Immerhin hatte man dem Zeitgeist auch in Bezug auf diesen Imbiß eine Konzession gemacht, indem man ihn im Salon, die Tasse auf den Knieen oder in der Luft haltend, einnahm. Gina saß mit finsterem Gesicht etwas abseits, wobei sie nicht aufhörte, lange, verträumte Blicke nach Swoyschin zu werfen, den die Gräfin Ronitz in ein tiefsinniges Gespräch über die neuesten nationalen Streitigkeiten verwickelt hatte. Der Oberst, welcher Gina aufmerksam beobachtete, verurteilte ihr Benehmen immer strenger als außerordentlich kurios, und ihre Zudringlichkeiten wunderten ihn um so mehr, als nach allem, was er durch seine Offiziere von Gina Ginori gehört, dieselbe von irgend welcher Koketterie bis dahin auch nicht die geringsten Beweise geliefert, ja dem männlichen Geschlecht gegenüber nicht einmal eine aufreizende Opposition, sondern einfach die entmutigendste Gleichgültigkeit gezeigt hatte. Der Oberst dachte an Annie und gleich darauf an die schwache Seite im Charakter seines Adjutanten. Was wird daraus werden? fragte er sich und schüttelte unwillkürlich den Kopf. Während die Ronitz fortfuhr, mit ihren politischen Fragen Zdenko zu behelligen, näherte sich die Italienerin dem Flügel, griff erst stehend ein paar Sitte „Jause“ und nicht „five o clock“ hieß. Immerhin hatte man dem Zeitgeist auch in Bezug auf diesen Imbiß eine Konzession gemacht, indem man ihn im Salon, die Tasse auf den Knieen oder in der Luft haltend, einnahm. Gina saß mit finsterem Gesicht etwas abseits, wobei sie nicht aufhörte, lange, verträumte Blicke nach Swoyschin zu werfen, den die Gräfin Ronitz in ein tiefsinniges Gespräch über die neuesten nationalen Streitigkeiten verwickelt hatte. Der Oberst, welcher Gina aufmerksam beobachtete, verurteilte ihr Benehmen immer strenger als außerordentlich kurios, und ihre Zudringlichkeiten wunderten ihn um so mehr, als nach allem, was er durch seine Offiziere von Gina Ginori gehört, dieselbe von irgend welcher Koketterie bis dahin auch nicht die geringsten Beweise geliefert, ja dem männlichen Geschlecht gegenüber nicht einmal eine aufreizende Opposition, sondern einfach die entmutigendste Gleichgültigkeit gezeigt hatte. Der Oberst dachte an Annie und gleich darauf an die schwache Seite im Charakter seines Adjutanten. Was wird daraus werden? fragte er sich und schüttelte unwillkürlich den Kopf. Während die Ronitz fortfuhr, mit ihren politischen Fragen Zdenko zu behelligen, näherte sich die Italienerin dem Flügel, griff erst stehend ein paar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0123" n="122"/> Sitte „Jause“ und nicht „<hi rendition="#aq">five o clock</hi>“ hieß.</p> <p>Immerhin hatte man dem Zeitgeist auch in Bezug auf diesen Imbiß eine Konzession gemacht, indem man ihn im Salon, die Tasse auf den Knieen oder in der Luft haltend, einnahm.</p> <p>Gina saß mit finsterem Gesicht etwas abseits, wobei sie nicht aufhörte, lange, verträumte Blicke nach Swoyschin zu werfen, den die Gräfin Ronitz in ein tiefsinniges Gespräch über die neuesten nationalen Streitigkeiten verwickelt hatte. Der Oberst, welcher Gina aufmerksam beobachtete, verurteilte ihr Benehmen immer strenger als außerordentlich kurios, und ihre Zudringlichkeiten wunderten ihn um so mehr, als nach allem, was er durch seine Offiziere von Gina Ginori gehört, dieselbe von irgend welcher Koketterie bis dahin auch nicht die geringsten Beweise geliefert, ja dem männlichen Geschlecht gegenüber nicht einmal eine aufreizende Opposition, sondern einfach die entmutigendste Gleichgültigkeit gezeigt hatte.</p> <p>Der Oberst dachte an Annie und gleich darauf an die schwache Seite im Charakter seines Adjutanten. Was wird daraus werden? fragte er sich und schüttelte unwillkürlich den Kopf.</p> <p>Während die Ronitz fortfuhr, mit ihren politischen Fragen Zdenko zu behelligen, näherte sich die Italienerin dem Flügel, griff erst stehend ein paar </p> </div> </body> </text> </TEI> [122/0123]
Sitte „Jause“ und nicht „five o clock“ hieß.
Immerhin hatte man dem Zeitgeist auch in Bezug auf diesen Imbiß eine Konzession gemacht, indem man ihn im Salon, die Tasse auf den Knieen oder in der Luft haltend, einnahm.
Gina saß mit finsterem Gesicht etwas abseits, wobei sie nicht aufhörte, lange, verträumte Blicke nach Swoyschin zu werfen, den die Gräfin Ronitz in ein tiefsinniges Gespräch über die neuesten nationalen Streitigkeiten verwickelt hatte. Der Oberst, welcher Gina aufmerksam beobachtete, verurteilte ihr Benehmen immer strenger als außerordentlich kurios, und ihre Zudringlichkeiten wunderten ihn um so mehr, als nach allem, was er durch seine Offiziere von Gina Ginori gehört, dieselbe von irgend welcher Koketterie bis dahin auch nicht die geringsten Beweise geliefert, ja dem männlichen Geschlecht gegenüber nicht einmal eine aufreizende Opposition, sondern einfach die entmutigendste Gleichgültigkeit gezeigt hatte.
Der Oberst dachte an Annie und gleich darauf an die schwache Seite im Charakter seines Adjutanten. Was wird daraus werden? fragte er sich und schüttelte unwillkürlich den Kopf.
Während die Ronitz fortfuhr, mit ihren politischen Fragen Zdenko zu behelligen, näherte sich die Italienerin dem Flügel, griff erst stehend ein paar
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