Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.Knappheit und Einfachheit. Und wie sie die feinen Knöpfe hielten, und wie sie ausgriffen, immer im Takt - man glaubte, anstatt acht Hufe nur zwei zu hören, die im leichten Staccato über die glatte Straße, die sogenannte "Kaiserstraße", dahinflogen. Swoyschin sparte den Schimmeln gegenüber nicht mit seiner Anerkennung. Der Oberst freute sich wie eine eitle Mutter, der man ihre Kinder lobt. "Noch zwei solche, etwas kleinere, als Vorauspferde zu einem Postzug," meinte er, "dann hoff' ich die Ehre zu haben, nächstes Frühjahr Ihre Frau mit dem Gespann von der Bahn zu holen." Zdenko lachte. "Hübsch wär's," meinte er "und Annie hat so eine Liebe für Pferde, auch Verständnis, was die Liebe bekanntermaßen nicht immer mit sich bringt." "Sie muß überhaupt ein Schatz sein, die Annie," erklärte der Oberst, der das längst zu seiner eigenen Genugthuung festgestellt hatte. "Das ist sie, weiß Gott!" gestand Swoyschin, "ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich manchmal nach dem kleinen Racker sehne! Ein Sonnenstrahl, Herr Oberst, ich versichere Ihnen, ein Sonnenstrahl! Ich kenne kein zweites Mädchen, das ohne alle Ausgelassenheit - notabene, ich kann ausgelassene Mädel nicht leiden - so lustig wäre wie unsre Annie. In unserer Familie geht die Sage, wenn Annie an Knappheit und Einfachheit. Und wie sie die feinen Knöpfe hielten, und wie sie ausgriffen, immer im Takt – man glaubte, anstatt acht Hufe nur zwei zu hören, die im leichten Staccato über die glatte Straße, die sogenannte „Kaiserstraße“, dahinflogen. Swoyschin sparte den Schimmeln gegenüber nicht mit seiner Anerkennung. Der Oberst freute sich wie eine eitle Mutter, der man ihre Kinder lobt. „Noch zwei solche, etwas kleinere, als Vorauspferde zu einem Postzug,“ meinte er, „dann hoff’ ich die Ehre zu haben, nächstes Frühjahr Ihre Frau mit dem Gespann von der Bahn zu holen.“ Zdenko lachte. „Hübsch wär’s,“ meinte er „und Annie hat so eine Liebe für Pferde, auch Verständnis, was die Liebe bekanntermaßen nicht immer mit sich bringt.“ „Sie muß überhaupt ein Schatz sein, die Annie,“ erklärte der Oberst, der das längst zu seiner eigenen Genugthuung festgestellt hatte. „Das ist sie, weiß Gott!“ gestand Swoyschin, „ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich manchmal nach dem kleinen Racker sehne! Ein Sonnenstrahl, Herr Oberst, ich versichere Ihnen, ein Sonnenstrahl! Ich kenne kein zweites Mädchen, das ohne alle Ausgelassenheit – notabene, ich kann ausgelassene Mädel nicht leiden – so lustig wäre wie unsre Annie. In unserer Familie geht die Sage, wenn Annie an <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="106"/> Knappheit und Einfachheit. Und wie sie die feinen Knöpfe hielten, und wie sie ausgriffen, immer im Takt – man glaubte, anstatt acht Hufe nur zwei zu hören, die im leichten Staccato über die glatte Straße, die sogenannte „Kaiserstraße“, dahinflogen.</p> <p>Swoyschin sparte den Schimmeln gegenüber nicht mit seiner Anerkennung. Der Oberst freute sich wie eine eitle Mutter, der man ihre Kinder lobt. „Noch zwei solche, etwas kleinere, als Vorauspferde zu einem Postzug,“ meinte er, „dann hoff’ ich die Ehre zu haben, nächstes Frühjahr Ihre Frau mit dem Gespann von der Bahn zu holen.“</p> <p>Zdenko lachte. „Hübsch wär’s,“ meinte er „und Annie hat so eine Liebe für Pferde, auch Verständnis, was die Liebe bekanntermaßen nicht immer mit sich bringt.“</p> <p>„Sie muß überhaupt ein Schatz sein, die Annie,“ erklärte der Oberst, der das längst zu seiner eigenen Genugthuung festgestellt hatte.</p> <p>„Das ist sie, weiß Gott!“ gestand Swoyschin, „ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich manchmal nach dem kleinen Racker sehne! Ein Sonnenstrahl, Herr Oberst, ich versichere Ihnen, ein Sonnenstrahl! Ich kenne kein zweites Mädchen, das ohne alle Ausgelassenheit – notabene, ich kann ausgelassene Mädel nicht leiden – so lustig wäre wie unsre Annie. In unserer Familie geht die Sage, wenn Annie an </p> </div> </body> </text> </TEI> [106/0107]
Knappheit und Einfachheit. Und wie sie die feinen Knöpfe hielten, und wie sie ausgriffen, immer im Takt – man glaubte, anstatt acht Hufe nur zwei zu hören, die im leichten Staccato über die glatte Straße, die sogenannte „Kaiserstraße“, dahinflogen.
Swoyschin sparte den Schimmeln gegenüber nicht mit seiner Anerkennung. Der Oberst freute sich wie eine eitle Mutter, der man ihre Kinder lobt. „Noch zwei solche, etwas kleinere, als Vorauspferde zu einem Postzug,“ meinte er, „dann hoff’ ich die Ehre zu haben, nächstes Frühjahr Ihre Frau mit dem Gespann von der Bahn zu holen.“
Zdenko lachte. „Hübsch wär’s,“ meinte er „und Annie hat so eine Liebe für Pferde, auch Verständnis, was die Liebe bekanntermaßen nicht immer mit sich bringt.“
„Sie muß überhaupt ein Schatz sein, die Annie,“ erklärte der Oberst, der das längst zu seiner eigenen Genugthuung festgestellt hatte.
„Das ist sie, weiß Gott!“ gestand Swoyschin, „ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich mich manchmal nach dem kleinen Racker sehne! Ein Sonnenstrahl, Herr Oberst, ich versichere Ihnen, ein Sonnenstrahl! Ich kenne kein zweites Mädchen, das ohne alle Ausgelassenheit – notabene, ich kann ausgelassene Mädel nicht leiden – so lustig wäre wie unsre Annie. In unserer Familie geht die Sage, wenn Annie an
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899/107 |
Zitationshilfe: | Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899/107>, abgerufen am 03.03.2025. |