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Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887.

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damit ein Weilchen und läßt sie wieder ruhen. Wie viel er erreicht hat, seitdem er, als blutarmer Collegien die Schule schwänzend, nach Paris gekommen ist, um sein Glück zu machen!

Fast wie ein Feenmärchen will ihn sein eigenes Leben bedünken.

Wie viele Processe hat er nicht gewonnen, wie viele Ehrenstellen nicht erhalten seit seiner Flucht nach Paris! Aber von all' dem Guten, mit dem das Schicksal ihn überhäuft, kann doch nichts sich messen mit dem letzten, herrlichsten Gottesgeschenk - der Liebe Juliens de Soissons.

Er liebt sie rasend, abgöttisch - liebt sie um ihres unschuldigen Selbsts willen, unbeeinflußt durch ihre fürstliche Herkunft - er, der leichtsinnige, verwegene Taugenichts, dem noch keine Frau heilig gewesen, liebt sie zitternd andächtig, ohne daß bis dahin im Verkehr mit ihr der Ausdruck einer sündigen Regung je seinen Lippen oder seiner Feder entschlüpft wäre.

Soeben hat er sich der angenehmen Beschäftigung gewidmet, das Briefchen Julie's zum sechsten Mal zu lesen, als sich die Thür abermals

damit ein Weilchen und läßt sie wieder ruhen. Wie viel er erreicht hat, seitdem er, als blutarmer Collégien die Schule schwänzend, nach Paris gekommen ist, um sein Glück zu machen!

Fast wie ein Feenmärchen will ihn sein eigenes Leben bedünken.

Wie viele Processe hat er nicht gewonnen, wie viele Ehrenstellen nicht erhalten seit seiner Flucht nach Paris! Aber von all’ dem Guten, mit dem das Schicksal ihn überhäuft, kann doch nichts sich messen mit dem letzten, herrlichsten Gottesgeschenk – der Liebe Juliens de Soissons.

Er liebt sie rasend, abgöttisch – liebt sie um ihres unschuldigen Selbsts willen, unbeeinflußt durch ihre fürstliche Herkunft – er, der leichtsinnige, verwegene Taugenichts, dem noch keine Frau heilig gewesen, liebt sie zitternd andächtig, ohne daß bis dahin im Verkehr mit ihr der Ausdruck einer sündigen Regung je seinen Lippen oder seiner Feder entschlüpft wäre.

Soeben hat er sich der angenehmen Beschäftigung gewidmet, das Briefchen Julie’s zum sechsten Mal zu lesen, als sich die Thür abermals

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[41/0041] damit ein Weilchen und läßt sie wieder ruhen. Wie viel er erreicht hat, seitdem er, als blutarmer Collégien die Schule schwänzend, nach Paris gekommen ist, um sein Glück zu machen! Fast wie ein Feenmärchen will ihn sein eigenes Leben bedünken. Wie viele Processe hat er nicht gewonnen, wie viele Ehrenstellen nicht erhalten seit seiner Flucht nach Paris! Aber von all’ dem Guten, mit dem das Schicksal ihn überhäuft, kann doch nichts sich messen mit dem letzten, herrlichsten Gottesgeschenk – der Liebe Juliens de Soissons. Er liebt sie rasend, abgöttisch – liebt sie um ihres unschuldigen Selbsts willen, unbeeinflußt durch ihre fürstliche Herkunft – er, der leichtsinnige, verwegene Taugenichts, dem noch keine Frau heilig gewesen, liebt sie zitternd andächtig, ohne daß bis dahin im Verkehr mit ihr der Ausdruck einer sündigen Regung je seinen Lippen oder seiner Feder entschlüpft wäre. Soeben hat er sich der angenehmen Beschäftigung gewidmet, das Briefchen Julie’s zum sechsten Mal zu lesen, als sich die Thür abermals

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Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887/41>, abgerufen am 28.03.2024.