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Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894.

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Wenn nun der Hunger der Frau ebenso wehe thut
wie dem Manne, wenn die Sehnsucht nach seelischer Be-
friedigung wie im Manne so in der Frau rege ist und je
nach der Jndividualität auf verschiedenem Wege sich er-
füllt, wenn also sowohl innere als äußere Noth uns Frauen
treibt zur Bethätigung in Berufsarbeit, so wolle man an-
statt zu schelten, loben und diesen Fortschritt im allerbesten
Sinne froh begrüßen. Aber freilich, wenn es sich heraus-
stellen sollte, daß die studirten Frauen minder liebevolle
Gattinnen, minder verständige Mütter und minder tüchtige
Hausfrauen wären, als die andern Frauen ihrer resp.
Gesellschaftsschicht, dann entziehe man ihnen die Berechti-
gung wieder, in die höheren und gelehrten Berufe einzu-
treten; denn dann freilich wären sie derselben nicht würdig,
und der Rücksicht auf das Ganze weiche stets der Vortheil
des Einzelnen. Davor aber werden die Frauen sich selber
schützen, davor wird ihr angeborener Hausfrauensinn sie
sicherlich dauerd bewahren.

Und wenn meine Mittheilungen aus dem Leben der
Züricher Studentinnen durchweht sind von dem Gefühl des
Dankes gegen das Land, das uns Frauen gewährt, was
das Vaterland uns bis jetzt versagte, so darf ich sie doch
schließen in der freudigen Hoffnung, daß bald die deutschen
Töchter nicht mehr werden in's Ausland ziehen müssen, um
fern von ihren Lieben und dem Heimathlande sich Berufs-
bildung zu erwerben, manchen Entbehrungen und Gefahren
ausgesetzt, sondern daß in nicht ferner Zeit, und nicht
minder Gutes, wird zu melden sein von dem Leben der
Studentinnen im deutschen Vaterlande.



Wenn nun der Hunger der Frau ebenso wehe thut
wie dem Manne, wenn die Sehnsucht nach seelischer Be-
friedigung wie im Manne so in der Frau rege ist und je
nach der Jndividualität auf verschiedenem Wege sich er-
füllt, wenn also sowohl innere als äußere Noth uns Frauen
treibt zur Bethätigung in Berufsarbeit, so wolle man an-
statt zu schelten, loben und diesen Fortschritt im allerbesten
Sinne froh begrüßen. Aber freilich, wenn es sich heraus-
stellen sollte, daß die studirten Frauen minder liebevolle
Gattinnen, minder verständige Mütter und minder tüchtige
Hausfrauen wären, als die andern Frauen ihrer resp.
Gesellschaftsschicht, dann entziehe man ihnen die Berechti-
gung wieder, in die höheren und gelehrten Berufe einzu-
treten; denn dann freilich wären sie derselben nicht würdig,
und der Rücksicht auf das Ganze weiche stets der Vortheil
des Einzelnen. Davor aber werden die Frauen sich selber
schützen, davor wird ihr angeborener Hausfrauensinn sie
sicherlich dauerd bewahren.

Und wenn meine Mittheilungen aus dem Leben der
Züricher Studentinnen durchweht sind von dem Gefühl des
Dankes gegen das Land, das uns Frauen gewährt, was
das Vaterland uns bis jetzt versagte, so darf ich sie doch
schließen in der freudigen Hoffnung, daß bald die deutschen
Töchter nicht mehr werden in‘s Ausland ziehen müssen, um
fern von ihren Lieben und dem Heimathlande sich Berufs-
bildung zu erwerben, manchen Entbehrungen und Gefahren
ausgesetzt, sondern daß in nicht ferner Zeit, und nicht
minder Gutes, wird zu melden sein von dem Leben der
Studentinnen im deutschen Vaterlande.



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[28/0031] Wenn nun der Hunger der Frau ebenso wehe thut wie dem Manne, wenn die Sehnsucht nach seelischer Be- friedigung wie im Manne so in der Frau rege ist und je nach der Jndividualität auf verschiedenem Wege sich er- füllt, wenn also sowohl innere als äußere Noth uns Frauen treibt zur Bethätigung in Berufsarbeit, so wolle man an- statt zu schelten, loben und diesen Fortschritt im allerbesten Sinne froh begrüßen. Aber freilich, wenn es sich heraus- stellen sollte, daß die studirten Frauen minder liebevolle Gattinnen, minder verständige Mütter und minder tüchtige Hausfrauen wären, als die andern Frauen ihrer resp. Gesellschaftsschicht, dann entziehe man ihnen die Berechti- gung wieder, in die höheren und gelehrten Berufe einzu- treten; denn dann freilich wären sie derselben nicht würdig, und der Rücksicht auf das Ganze weiche stets der Vortheil des Einzelnen. Davor aber werden die Frauen sich selber schützen, davor wird ihr angeborener Hausfrauensinn sie sicherlich dauerd bewahren. Und wenn meine Mittheilungen aus dem Leben der Züricher Studentinnen durchweht sind von dem Gefühl des Dankes gegen das Land, das uns Frauen gewährt, was das Vaterland uns bis jetzt versagte, so darf ich sie doch schließen in der freudigen Hoffnung, daß bald die deutschen Töchter nicht mehr werden in‘s Ausland ziehen müssen, um fern von ihren Lieben und dem Heimathlande sich Berufs- bildung zu erwerben, manchen Entbehrungen und Gefahren ausgesetzt, sondern daß in nicht ferner Zeit, und nicht minder Gutes, wird zu melden sein von dem Leben der Studentinnen im deutschen Vaterlande.

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Zitationshilfe: Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubertfeder_studentinnen_1894/31>, abgerufen am 24.11.2024.