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Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894.

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schätzung, mit welcher der Volksschullehrer auf die Volks-
schullehrerin herabzusehen sich für berechtigt hält. Da,
wo beide in den Seminaren auf denselben Bänken sitzen,
dieselben Lehrer haben, dieselben Examen bestehen, wie z. B.
in Küßnacht bei Zürich in der Schweiz, da würde der
Lehrer sich selbst und sein Können herabsetzen, urtheilte
er gering über das Wissen der Lehrerin. Und darum
werde ich stets mit aller Kraft einstehen für gemeinsames
Studium, mit alleinigem Ausschluß gewisser, besonders
heikler Themata des jeweiligen Faches. Der sittliche
Ton der Vorträge sowohl, als des collegialischen Umgangs
auch der Studenten unter einander, mindestens, wo sie
mit Colleginnen zusammen sind, wird durch diese Ge-
meinsamkeit nichts verlieren; ich verweise noch einmal
auf den Artikel "Weibliche Studenten" in der Braun-
schweigischen Landeszeitung (13. Mai 1891), worin es
heißt: "Jn mehr als einem Colleg hat Schreiber mit
Studentinnen zusammen gesessen und mit ihnen sogar
lebhaft disputirt. Der gegenseitige Verkehr war der
höflichste von der Welt, und man kann entschieden mit
mehr Recht behaupten, daß das weibliche Element einen
wohlthätigen Einfluß auf das studentische Leben haben
werde, als umgekehrt. Oder glaubt man wirklich, daß dem
Ernst der Wissenschaft gegenüber der Umgang der beiden
Geschlechter freier sein werde, als in der erhitzenden Fröhlich-
keit des Ballsaals?" -



Die Gesammtheit der Colleginnen bietet in ihrer Zu-
sammensetzung ein so buntes Bild, daß man beinahe aus-
rufen möchte: Wer zählt die Völker, nennt die Namen!
Sie stammen buchstäblich aus aller Herren Ländern, was
bei ihrer relativ geringen Anzahl nur um so mehr hervor-

Schubert-Feder, Leben der Studentinnen. 2

schätzung, mit welcher der Volksschullehrer auf die Volks-
schullehrerin herabzusehen sich für berechtigt hält. Da,
wo beide in den Seminaren auf denselben Bänken sitzen,
dieselben Lehrer haben, dieselben Examen bestehen, wie z. B.
in Küßnacht bei Zürich in der Schweiz, da würde der
Lehrer sich selbst und sein Können herabsetzen, urtheilte
er gering über das Wissen der Lehrerin. Und darum
werde ich stets mit aller Kraft einstehen für gemeinsames
Studium, mit alleinigem Ausschluß gewisser, besonders
heikler Themata des jeweiligen Faches. Der sittliche
Ton der Vorträge sowohl, als des collegialischen Umgangs
auch der Studenten unter einander, mindestens, wo sie
mit Colleginnen zusammen sind, wird durch diese Ge-
meinsamkeit nichts verlieren; ich verweise noch einmal
auf den Artikel „Weibliche Studenten“ in der Braun-
schweigischen Landeszeitung (13. Mai 1891), worin es
heißt: „Jn mehr als einem Colleg hat Schreiber mit
Studentinnen zusammen gesessen und mit ihnen sogar
lebhaft disputirt. Der gegenseitige Verkehr war der
höflichste von der Welt, und man kann entschieden mit
mehr Recht behaupten, daß das weibliche Element einen
wohlthätigen Einfluß auf das studentische Leben haben
werde, als umgekehrt. Oder glaubt man wirklich, daß dem
Ernst der Wissenschaft gegenüber der Umgang der beiden
Geschlechter freier sein werde, als in der erhitzenden Fröhlich-
keit des Ballsaals?“ –



Die Gesammtheit der Colleginnen bietet in ihrer Zu-
sammensetzung ein so buntes Bild, daß man beinahe aus-
rufen möchte: Wer zählt die Völker, nennt die Namen!
Sie stammen buchstäblich aus aller Herren Ländern, was
bei ihrer relativ geringen Anzahl nur um so mehr hervor-

Schubert-Feder, Leben der Studentinnen. 2
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[17/0020] schätzung, mit welcher der Volksschullehrer auf die Volks- schullehrerin herabzusehen sich für berechtigt hält. Da, wo beide in den Seminaren auf denselben Bänken sitzen, dieselben Lehrer haben, dieselben Examen bestehen, wie z. B. in Küßnacht bei Zürich in der Schweiz, da würde der Lehrer sich selbst und sein Können herabsetzen, urtheilte er gering über das Wissen der Lehrerin. Und darum werde ich stets mit aller Kraft einstehen für gemeinsames Studium, mit alleinigem Ausschluß gewisser, besonders heikler Themata des jeweiligen Faches. Der sittliche Ton der Vorträge sowohl, als des collegialischen Umgangs auch der Studenten unter einander, mindestens, wo sie mit Colleginnen zusammen sind, wird durch diese Ge- meinsamkeit nichts verlieren; ich verweise noch einmal auf den Artikel „Weibliche Studenten“ in der Braun- schweigischen Landeszeitung (13. Mai 1891), worin es heißt: „Jn mehr als einem Colleg hat Schreiber mit Studentinnen zusammen gesessen und mit ihnen sogar lebhaft disputirt. Der gegenseitige Verkehr war der höflichste von der Welt, und man kann entschieden mit mehr Recht behaupten, daß das weibliche Element einen wohlthätigen Einfluß auf das studentische Leben haben werde, als umgekehrt. Oder glaubt man wirklich, daß dem Ernst der Wissenschaft gegenüber der Umgang der beiden Geschlechter freier sein werde, als in der erhitzenden Fröhlich- keit des Ballsaals?“ – Die Gesammtheit der Colleginnen bietet in ihrer Zu- sammensetzung ein so buntes Bild, daß man beinahe aus- rufen möchte: Wer zählt die Völker, nennt die Namen! Sie stammen buchstäblich aus aller Herren Ländern, was bei ihrer relativ geringen Anzahl nur um so mehr hervor- Schubert-Feder, Leben der Studentinnen. 2

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Zitationshilfe: Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubertfeder_studentinnen_1894/20>, abgerufen am 21.11.2024.