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Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894.

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examen mich seine Principien hart entgelten ließ, Herr
Professor Dr. Rahn, pflegte bei solcher Gelegenheit mich
gütig zu empfangen und sagte höchstens: Ahso, iez gahn
i widder ihs Aexame (jetzt gehe ich wieder ins Examen).
Ganz unmöglich ist es mir aber, meine Dankbarkeit in
dieser Hinsicht gegen die Herren Professoren Dr. Blümner,
Stadler und vor Allem meinem unvergeßlichen, so früh da-
hingegangenen Salomon Vögelin in Worten auszudrücken.
Es widerfahren uns im Leben mitunter Freundlichkeiten,
denen kein Dank zu entsprechen vermag, und zu diesen
zähle ich die selbstlose Förderung, die in ihren freien
Stunden meine Lehrer mir gegönnt. Denn einzige Hörerin
eines besonderen Faches unter ungezählten Herren, über-
kam es mich oft wie Hilf- und Rathlosigkeit, "Hirtenlosig-
keit", wenn das Bild vom irrenden Schaf nicht mißver-
standen wird. Alle diese Herren stellten mir großmüthig
auch ihre Privatbibliothek zur Verfügung, wo die städtischen
Bibliotheken versagten, und beim Holen und Bringen der
Bücher ward wieder manches Jnteressante erörtert, manch
Unverstandenes aufgeklärt. Leise tritt mir die Thräne
schmerzlicher Rührung ins Auge, gedenke ich der unerschöpf-
lichen Güte des wohlwollendsten aller meiner Universitäts-
lehrer, Vögelins, der, volldurchdrungen von der dem Manne
gleichwerthigen, geistigen Begabung der Frau mir, seiner
ersten Specialschülerin, nie müde wurde zu rathen und aus-
zuhelfen, und indem er die höchsten Anforderungen stellte,
mich doch stetig zu ermuntern. Mögen den Colleginnen einst
auch im deutschen Vaterlande gleich gütige Freunde in
ihren Professoren beschieden sein!

Dann und wann, aber auch nicht öfter, erfreut sich
die Studentin einer Einladung in die Familie ihrer Pro-
fessoren, vorzugsweise ihrer deutschen Professoren, und solche

examen mich seine Principien hart entgelten ließ, Herr
Professor Dr. Rahn, pflegte bei solcher Gelegenheit mich
gütig zu empfangen und sagte höchstens: Ahso, iez gahn
i widder ihs Aexame (jetzt gehe ich wieder ins Examen).
Ganz unmöglich ist es mir aber, meine Dankbarkeit in
dieser Hinsicht gegen die Herren Professoren Dr. Blümner,
Stadler und vor Allem meinem unvergeßlichen, so früh da-
hingegangenen Salomon Vögelin in Worten auszudrücken.
Es widerfahren uns im Leben mitunter Freundlichkeiten,
denen kein Dank zu entsprechen vermag, und zu diesen
zähle ich die selbstlose Förderung, die in ihren freien
Stunden meine Lehrer mir gegönnt. Denn einzige Hörerin
eines besonderen Faches unter ungezählten Herren, über-
kam es mich oft wie Hilf- und Rathlosigkeit, „Hirtenlosig-
keit“, wenn das Bild vom irrenden Schaf nicht mißver-
standen wird. Alle diese Herren stellten mir großmüthig
auch ihre Privatbibliothek zur Verfügung, wo die städtischen
Bibliotheken versagten, und beim Holen und Bringen der
Bücher ward wieder manches Jnteressante erörtert, manch
Unverstandenes aufgeklärt. Leise tritt mir die Thräne
schmerzlicher Rührung ins Auge, gedenke ich der unerschöpf-
lichen Güte des wohlwollendsten aller meiner Universitäts-
lehrer, Vögelins, der, volldurchdrungen von der dem Manne
gleichwerthigen, geistigen Begabung der Frau mir, seiner
ersten Specialschülerin, nie müde wurde zu rathen und aus-
zuhelfen, und indem er die höchsten Anforderungen stellte,
mich doch stetig zu ermuntern. Mögen den Colleginnen einst
auch im deutschen Vaterlande gleich gütige Freunde in
ihren Professoren beschieden sein!

Dann und wann, aber auch nicht öfter, erfreut sich
die Studentin einer Einladung in die Familie ihrer Pro-
fessoren, vorzugsweise ihrer deutschen Professoren, und solche

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[10/0013] examen mich seine Principien hart entgelten ließ, Herr Professor Dr. Rahn, pflegte bei solcher Gelegenheit mich gütig zu empfangen und sagte höchstens: Ahso, iez gahn i widder ihs Aexame (jetzt gehe ich wieder ins Examen). Ganz unmöglich ist es mir aber, meine Dankbarkeit in dieser Hinsicht gegen die Herren Professoren Dr. Blümner, Stadler und vor Allem meinem unvergeßlichen, so früh da- hingegangenen Salomon Vögelin in Worten auszudrücken. Es widerfahren uns im Leben mitunter Freundlichkeiten, denen kein Dank zu entsprechen vermag, und zu diesen zähle ich die selbstlose Förderung, die in ihren freien Stunden meine Lehrer mir gegönnt. Denn einzige Hörerin eines besonderen Faches unter ungezählten Herren, über- kam es mich oft wie Hilf- und Rathlosigkeit, „Hirtenlosig- keit“, wenn das Bild vom irrenden Schaf nicht mißver- standen wird. Alle diese Herren stellten mir großmüthig auch ihre Privatbibliothek zur Verfügung, wo die städtischen Bibliotheken versagten, und beim Holen und Bringen der Bücher ward wieder manches Jnteressante erörtert, manch Unverstandenes aufgeklärt. Leise tritt mir die Thräne schmerzlicher Rührung ins Auge, gedenke ich der unerschöpf- lichen Güte des wohlwollendsten aller meiner Universitäts- lehrer, Vögelins, der, volldurchdrungen von der dem Manne gleichwerthigen, geistigen Begabung der Frau mir, seiner ersten Specialschülerin, nie müde wurde zu rathen und aus- zuhelfen, und indem er die höchsten Anforderungen stellte, mich doch stetig zu ermuntern. Mögen den Colleginnen einst auch im deutschen Vaterlande gleich gütige Freunde in ihren Professoren beschieden sein! Dann und wann, aber auch nicht öfter, erfreut sich die Studentin einer Einladung in die Familie ihrer Pro- fessoren, vorzugsweise ihrer deutschen Professoren, und solche

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Zitationshilfe: Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubertfeder_studentinnen_1894/13>, abgerufen am 16.07.2024.