chen begegnen, oder es mischen sich doch nur theil- weise hieroglyphische und bildliche Bezeichnungen ein. So sehen wir z. B. einen sehr entfernt geglaubten Freund, der uns am andern Tag auf einmal durch seine Ankunft überrascht, im Traume wirklich ankom- men; das aber, was uns derselbe zu sagen hat, wird, entweder mimisch dargestellt, oder wieder in Bilderaus- drücke eingekleidet. Oder wir sehen im Traume in ei- nem Zimmer voller Blut einen noch gesund geglaubten Bekannten, der uns mit ernstem, bleichem Gesichte sagt: es sey heute sein Geburtstag, und am andern Tage müssen wir unvermuthet in demselben Zimmer das wir im Traume sahen, Zeugen der Section jenes plötz- lich Gestorbenen seyn. Selbst das, was wir im voll- kommeneren Traume sprechen, behält, in so ferne es eine große Verwandschaft mit der Region des Trau- mes (Gefühles) hat, öfters ganz den im Wachen ge- wöhnlichen Ausdruck und Zusammenhang bey, und nur hie und da werden einzelne Gedanken auf eine im Traume gewöhnliche symbolische Weise bezeichnet. Ueberhaupt ist bey Vielen, eben vermöge jener Ver- wandschaft, der Traum ein treuer Spiegel des Wa- chens. Dagegen ist in andern Fällen der Bilderaus- druck des Traumes so weit von dem Wortausdruck des Wachens entfernt, daß er erst einer Uebersetzung in diesen bedarf. Von dieser dem Traume eigenthümli- cheren symbolischen Sprache, reden wir hier zunächst.
Die eine Wortklasse jener Sprache, die, worinnen sie noch die meiste Verwandschaft mit der gewöhnli- chen Wortsprache zeigt, bestehet aus Bildern, die ohn- gefähr hier dieselbe Bedeutung haben, wie im gemein
poeti-
chen begegnen, oder es miſchen ſich doch nur theil- weiſe hieroglyphiſche und bildliche Bezeichnungen ein. So ſehen wir z. B. einen ſehr entfernt geglaubten Freund, der uns am andern Tag auf einmal durch ſeine Ankunft uͤberraſcht, im Traume wirklich ankom- men; das aber, was uns derſelbe zu ſagen hat, wird, entweder mimiſch dargeſtellt, oder wieder in Bilderaus- druͤcke eingekleidet. Oder wir ſehen im Traume in ei- nem Zimmer voller Blut einen noch geſund geglaubten Bekannten, der uns mit ernſtem, bleichem Geſichte ſagt: es ſey heute ſein Geburtstag, und am andern Tage muͤſſen wir unvermuthet in demſelben Zimmer das wir im Traume ſahen, Zeugen der Section jenes ploͤtz- lich Geſtorbenen ſeyn. Selbſt das, was wir im voll- kommeneren Traume ſprechen, behaͤlt, in ſo ferne es eine große Verwandſchaft mit der Region des Trau- mes (Gefuͤhles) hat, oͤfters ganz den im Wachen ge- woͤhnlichen Ausdruck und Zuſammenhang bey, und nur hie und da werden einzelne Gedanken auf eine im Traume gewoͤhnliche ſymboliſche Weiſe bezeichnet. Ueberhaupt iſt bey Vielen, eben vermoͤge jener Ver- wandſchaft, der Traum ein treuer Spiegel des Wa- chens. Dagegen iſt in andern Faͤllen der Bilderaus- druck des Traumes ſo weit von dem Wortausdruck des Wachens entfernt, daß er erſt einer Ueberſetzung in dieſen bedarf. Von dieſer dem Traume eigenthuͤmli- cheren ſymboliſchen Sprache, reden wir hier zunaͤchſt.
Die eine Wortklaſſe jener Sprache, die, worinnen ſie noch die meiſte Verwandſchaft mit der gewoͤhnli- chen Wortſprache zeigt, beſtehet aus Bildern, die ohn- gefaͤhr hier dieſelbe Bedeutung haben, wie im gemein
poeti-
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chen begegnen, oder es miſchen ſich doch nur theil-
weiſe hieroglyphiſche und bildliche Bezeichnungen ein.
So ſehen wir z. B. einen ſehr entfernt geglaubten
Freund, der uns am andern Tag auf einmal durch
ſeine Ankunft uͤberraſcht, im Traume wirklich ankom-
men; das aber, was uns derſelbe zu ſagen hat, wird,
entweder mimiſch dargeſtellt, oder wieder in Bilderaus-
druͤcke eingekleidet. Oder wir ſehen im Traume in ei-
nem Zimmer voller Blut einen noch geſund geglaubten
Bekannten, der uns mit ernſtem, bleichem Geſichte
ſagt: es ſey heute ſein Geburtstag, und am andern
Tage muͤſſen wir unvermuthet in demſelben Zimmer das
wir im Traume ſahen, Zeugen der Section jenes ploͤtz-
lich Geſtorbenen ſeyn. Selbſt das, was wir im voll-
kommeneren Traume ſprechen, behaͤlt, in ſo ferne es
eine große Verwandſchaft mit der Region des Trau-
mes (Gefuͤhles) hat, oͤfters ganz den im Wachen ge-
woͤhnlichen Ausdruck und Zuſammenhang bey, und
nur hie und da werden einzelne Gedanken auf eine im
Traume gewoͤhnliche ſymboliſche Weiſe bezeichnet.
Ueberhaupt iſt bey Vielen, eben vermoͤge jener Ver-
wandſchaft, der Traum ein treuer Spiegel des Wa-
chens. Dagegen iſt in andern Faͤllen der Bilderaus-
druck des Traumes ſo weit von dem Wortausdruck des
Wachens entfernt, daß er erſt einer Ueberſetzung in
dieſen bedarf. Von dieſer dem Traume eigenthuͤmli-
cheren ſymboliſchen Sprache, reden wir hier zunaͤchſt.
Die eine Wortklaſſe jener Sprache, die, worinnen
ſie noch die meiſte Verwandſchaft mit der gewoͤhnli-
chen Wortſprache zeigt, beſtehet aus Bildern, die ohn-
gefaͤhr hier dieſelbe Bedeutung haben, wie im gemein
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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/16>, abgerufen am 05.07.2024.
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