Auf der andern Seite unterscheidet sich jener älteste Anfang der Naturwissenschaft von dem jetzigen Zustand derselben darinnen, daß jener eigentlich zunächst nicht Wissenschaft, sondern vielmehr Naturcultus, Reli- gionslehre der Völker war. Viele religiöse Sagen der Indier, handeln von der Geschichte des Pla- neten und seiner Ausbildung, die Astronomie und alle jene Lehren derselben, von denen wir hier gehandelt haben, waren nicht allein in Indien, Egypten, und bey andern alten Völkern ein Eigenthum der Priester, und in den Religionsbüchern der Völker aufbewahrt, sondern fast alle Feste und Religionsübungen waren, wo nicht astronomischen Ursprungs, doch in Bezie- hung auf die Geschichte des Planeten und sein Verhält- niß zur Sonne.
Nur ein flüchtiger Blick auf die älteste Geschichte der Völker, nur einzelne Züge aus derselben, können uns belehren, wie die Astronomie und überhaupt Na- turcultus, nicht Mittel zu irgend einem äußerlichen Zweck, sondern höchstes, heiligstes Werk des Lebens, der erhabenste Beruf des damaligen Menschen war. Bey vielen Völkern wo die Classe der Priester nicht die- sen höchsten Beruf übernommen, waren die Könige zugleich Oberpriester, und als solche übten sie vor allem Volke den astronomischen Cultus. So werden die Nahmen der alten Könige Uranus, Saturn und Atlas, welche sich in der Naturweisheit vor andern Sterblichen hervorgethan, so unsterblich seyn als die
Auf der andern Seite unterſcheidet ſich jener aͤlteſte Anfang der Naturwiſſenſchaft von dem jetzigen Zuſtand derſelben darinnen, daß jener eigentlich zunaͤchſt nicht Wiſſenſchaft, ſondern vielmehr Naturcultus, Reli- gionslehre der Voͤlker war. Viele religioͤſe Sagen der Indier, handeln von der Geſchichte des Pla- neten und ſeiner Ausbildung, die Aſtronomie und alle jene Lehren derſelben, von denen wir hier gehandelt haben, waren nicht allein in Indien, Egypten, und bey andern alten Voͤlkern ein Eigenthum der Prieſter, und in den Religionsbuͤchern der Voͤlker aufbewahrt, ſondern faſt alle Feſte und Religionsuͤbungen waren, wo nicht aſtronomiſchen Urſprungs, doch in Bezie- hung auf die Geſchichte des Planeten und ſein Verhaͤlt- niß zur Sonne.
Nur ein fluͤchtiger Blick auf die aͤlteſte Geſchichte der Voͤlker, nur einzelne Zuͤge aus derſelben, koͤnnen uns belehren, wie die Aſtronomie und uͤberhaupt Na- turcultus, nicht Mittel zu irgend einem aͤußerlichen Zweck, ſondern hoͤchſtes, heiligſtes Werk des Lebens, der erhabenſte Beruf des damaligen Menſchen war. Bey vielen Voͤlkern wo die Claſſe der Prieſter nicht die- ſen hoͤchſten Beruf uͤbernommen, waren die Koͤnige zugleich Oberprieſter, und als ſolche uͤbten ſie vor allem Volke den aſtronomiſchen Cultus. So werden die Nahmen der alten Koͤnige Uranus, Saturn und Atlas, welche ſich in der Naturweisheit vor andern Sterblichen hervorgethan, ſo unſterblich ſeyn als die
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0068"n="54"/><p>Auf der andern Seite unterſcheidet ſich jener aͤlteſte<lb/>
Anfang der Naturwiſſenſchaft von dem jetzigen Zuſtand<lb/>
derſelben darinnen, daß jener eigentlich zunaͤchſt nicht<lb/>
Wiſſenſchaft, ſondern vielmehr Naturcultus, Reli-<lb/>
gionslehre der Voͤlker war. Viele religioͤſe Sagen<lb/>
der Indier, handeln von der Geſchichte des Pla-<lb/>
neten und ſeiner Ausbildung, die Aſtronomie und alle<lb/>
jene Lehren derſelben, von denen wir hier gehandelt<lb/>
haben, waren nicht allein in Indien, Egypten, und<lb/>
bey andern alten Voͤlkern ein Eigenthum der Prieſter,<lb/>
und in den Religionsbuͤchern der Voͤlker aufbewahrt,<lb/>ſondern faſt alle Feſte und Religionsuͤbungen waren,<lb/>
wo nicht aſtronomiſchen Urſprungs, doch in Bezie-<lb/>
hung auf die Geſchichte des Planeten und ſein Verhaͤlt-<lb/>
niß zur Sonne.</p><lb/><p>Nur ein fluͤchtiger Blick auf die aͤlteſte Geſchichte<lb/>
der Voͤlker, nur einzelne Zuͤge aus derſelben, koͤnnen<lb/>
uns belehren, wie die Aſtronomie und uͤberhaupt Na-<lb/>
turcultus, nicht Mittel zu irgend einem aͤußerlichen<lb/>
Zweck, ſondern hoͤchſtes, heiligſtes Werk des Lebens,<lb/>
der erhabenſte Beruf des damaligen Menſchen war.<lb/>
Bey vielen Voͤlkern wo die Claſſe der Prieſter nicht die-<lb/>ſen hoͤchſten Beruf uͤbernommen, waren die Koͤnige<lb/>
zugleich Oberprieſter, und als ſolche uͤbten ſie vor<lb/>
allem Volke den aſtronomiſchen Cultus. So werden<lb/>
die Nahmen der alten Koͤnige Uranus, Saturn und<lb/>
Atlas, welche ſich in der Naturweisheit vor andern<lb/>
Sterblichen hervorgethan, ſo unſterblich ſeyn als die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[54/0068]
Auf der andern Seite unterſcheidet ſich jener aͤlteſte
Anfang der Naturwiſſenſchaft von dem jetzigen Zuſtand
derſelben darinnen, daß jener eigentlich zunaͤchſt nicht
Wiſſenſchaft, ſondern vielmehr Naturcultus, Reli-
gionslehre der Voͤlker war. Viele religioͤſe Sagen
der Indier, handeln von der Geſchichte des Pla-
neten und ſeiner Ausbildung, die Aſtronomie und alle
jene Lehren derſelben, von denen wir hier gehandelt
haben, waren nicht allein in Indien, Egypten, und
bey andern alten Voͤlkern ein Eigenthum der Prieſter,
und in den Religionsbuͤchern der Voͤlker aufbewahrt,
ſondern faſt alle Feſte und Religionsuͤbungen waren,
wo nicht aſtronomiſchen Urſprungs, doch in Bezie-
hung auf die Geſchichte des Planeten und ſein Verhaͤlt-
niß zur Sonne.
Nur ein fluͤchtiger Blick auf die aͤlteſte Geſchichte
der Voͤlker, nur einzelne Zuͤge aus derſelben, koͤnnen
uns belehren, wie die Aſtronomie und uͤberhaupt Na-
turcultus, nicht Mittel zu irgend einem aͤußerlichen
Zweck, ſondern hoͤchſtes, heiligſtes Werk des Lebens,
der erhabenſte Beruf des damaligen Menſchen war.
Bey vielen Voͤlkern wo die Claſſe der Prieſter nicht die-
ſen hoͤchſten Beruf uͤbernommen, waren die Koͤnige
zugleich Oberprieſter, und als ſolche uͤbten ſie vor
allem Volke den aſtronomiſchen Cultus. So werden
die Nahmen der alten Koͤnige Uranus, Saturn und
Atlas, welche ſich in der Naturweisheit vor andern
Sterblichen hervorgethan, ſo unſterblich ſeyn als die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/68>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.