Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

überhaupt jede Kunst der Cultur des Landes, erst zu der
Zeit der Entstehung und Verbreitung der Mysterien
unter den Völkern entstanden und verbreitet. Von
diesen aber werden wir später sehen, daß sie sich erst
aus den Zeiten des Verfalls und Untergangs der ei-
gentlichen alten Zeit, und jenes Naturcultus von des-
sen letzten Ueberresten wir vorhin sprachen, erhoben ha-
ben.

Wenn, nach einer allgemeinen Sage, die Erde im
Anfang in der höchsten Fülle und Ueppigkeit die Le-
bensbedürfnisse hervorbrachte, und jener kräftige Trieb
der ersten Zeit allmählig abnahm, so kam sich die
Natur durch den Menschen, den sie den Ackerbau ge-
lehrt, erst dann zu Hülfe, als die Zeit des ersten
Ueberflusses schon vorüber war.

Wir haben in den ältesten Sagen der meisten oder
aller Völker, Beweise, daß die erste Vorwelt von
freywachsenden Früchten, und nächst dem von der
Milch der Kühe gelebt habe. Doch gehört hierher
nicht die Verehrung der Kuh, welche dem ganzen äl-
teren Orient ein Symbol der ernährenden mütterlichen
Erde ist, vielmehr hat diese eine viel tiefere Bedeutung
in der Geschichte des Planeten und der Thierwelt, und
überhaupt scheint aus später anzuführenden Gründen
der Gebrauch der Milch als Nahrung schon viel später
als der ursprüngliche der Früchte, doch sind gewiß bey-
de in der Geschichte des Ganzen älter als der Ackerbau.


D 2

uͤberhaupt jede Kunſt der Cultur des Landes, erſt zu der
Zeit der Entſtehung und Verbreitung der Myſterien
unter den Voͤlkern entſtanden und verbreitet. Von
dieſen aber werden wir ſpaͤter ſehen, daß ſie ſich erſt
aus den Zeiten des Verfalls und Untergangs der ei-
gentlichen alten Zeit, und jenes Naturcultus von deſ-
ſen letzten Ueberreſten wir vorhin ſprachen, erhoben ha-
ben.

Wenn, nach einer allgemeinen Sage, die Erde im
Anfang in der hoͤchſten Fuͤlle und Ueppigkeit die Le-
bensbeduͤrfniſſe hervorbrachte, und jener kraͤftige Trieb
der erſten Zeit allmaͤhlig abnahm, ſo kam ſich die
Natur durch den Menſchen, den ſie den Ackerbau ge-
lehrt, erſt dann zu Huͤlfe, als die Zeit des erſten
Ueberfluſſes ſchon voruͤber war.

Wir haben in den aͤlteſten Sagen der meiſten oder
aller Voͤlker, Beweiſe, daß die erſte Vorwelt von
freywachſenden Fruͤchten, und naͤchſt dem von der
Milch der Kuͤhe gelebt habe. Doch gehoͤrt hierher
nicht die Verehrung der Kuh, welche dem ganzen aͤl-
teren Orient ein Symbol der ernaͤhrenden muͤtterlichen
Erde iſt, vielmehr hat dieſe eine viel tiefere Bedeutung
in der Geſchichte des Planeten und der Thierwelt, und
uͤberhaupt ſcheint aus ſpaͤter anzufuͤhrenden Gruͤnden
der Gebrauch der Milch als Nahrung ſchon viel ſpaͤter
als der urſpruͤngliche der Fruͤchte, doch ſind gewiß bey-
de in der Geſchichte des Ganzen aͤlter als der Ackerbau.


D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0065" n="51"/>
u&#x0364;berhaupt jede Kun&#x017F;t der Cultur des Landes, er&#x017F;t zu der<lb/>
Zeit der Ent&#x017F;tehung und Verbreitung der My&#x017F;terien<lb/>
unter den Vo&#x0364;lkern ent&#x017F;tanden und verbreitet. Von<lb/>
die&#x017F;en aber werden wir &#x017F;pa&#x0364;ter &#x017F;ehen, daß &#x017F;ie &#x017F;ich er&#x017F;t<lb/>
aus den Zeiten des Verfalls und Untergangs der ei-<lb/>
gentlichen alten Zeit, und jenes Naturcultus von de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en letzten Ueberre&#x017F;ten wir vorhin &#x017F;prachen, erhoben ha-<lb/>
ben.</p><lb/>
        <p>Wenn, nach einer allgemeinen Sage, die Erde im<lb/>
Anfang in der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Fu&#x0364;lle und Ueppigkeit die Le-<lb/>
bensbedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e hervorbrachte, und jener kra&#x0364;ftige Trieb<lb/>
der er&#x017F;ten Zeit allma&#x0364;hlig abnahm, &#x017F;o kam &#x017F;ich die<lb/>
Natur durch den Men&#x017F;chen, den &#x017F;ie den Ackerbau ge-<lb/>
lehrt, er&#x017F;t dann zu Hu&#x0364;lfe, als die Zeit des er&#x017F;ten<lb/>
Ueberflu&#x017F;&#x017F;es &#x017F;chon voru&#x0364;ber war.</p><lb/>
        <p>Wir haben in den a&#x0364;lte&#x017F;ten Sagen der mei&#x017F;ten oder<lb/>
aller Vo&#x0364;lker, Bewei&#x017F;e, daß die er&#x017F;te Vorwelt von<lb/>
freywach&#x017F;enden Fru&#x0364;chten, und na&#x0364;ch&#x017F;t dem von der<lb/>
Milch der Ku&#x0364;he gelebt habe. Doch geho&#x0364;rt hierher<lb/>
nicht die Verehrung der Kuh, welche dem ganzen a&#x0364;l-<lb/>
teren Orient ein Symbol der erna&#x0364;hrenden mu&#x0364;tterlichen<lb/>
Erde i&#x017F;t, vielmehr hat die&#x017F;e eine viel tiefere Bedeutung<lb/>
in der Ge&#x017F;chichte des Planeten und der Thierwelt, und<lb/>
u&#x0364;berhaupt &#x017F;cheint aus &#x017F;pa&#x0364;ter anzufu&#x0364;hrenden Gru&#x0364;nden<lb/>
der Gebrauch der Milch als Nahrung &#x017F;chon viel &#x017F;pa&#x0364;ter<lb/>
als der ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche der Fru&#x0364;chte, doch &#x017F;ind gewiß bey-<lb/>
de in der Ge&#x017F;chichte des Ganzen a&#x0364;lter als der Ackerbau.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0065] uͤberhaupt jede Kunſt der Cultur des Landes, erſt zu der Zeit der Entſtehung und Verbreitung der Myſterien unter den Voͤlkern entſtanden und verbreitet. Von dieſen aber werden wir ſpaͤter ſehen, daß ſie ſich erſt aus den Zeiten des Verfalls und Untergangs der ei- gentlichen alten Zeit, und jenes Naturcultus von deſ- ſen letzten Ueberreſten wir vorhin ſprachen, erhoben ha- ben. Wenn, nach einer allgemeinen Sage, die Erde im Anfang in der hoͤchſten Fuͤlle und Ueppigkeit die Le- bensbeduͤrfniſſe hervorbrachte, und jener kraͤftige Trieb der erſten Zeit allmaͤhlig abnahm, ſo kam ſich die Natur durch den Menſchen, den ſie den Ackerbau ge- lehrt, erſt dann zu Huͤlfe, als die Zeit des erſten Ueberfluſſes ſchon voruͤber war. Wir haben in den aͤlteſten Sagen der meiſten oder aller Voͤlker, Beweiſe, daß die erſte Vorwelt von freywachſenden Fruͤchten, und naͤchſt dem von der Milch der Kuͤhe gelebt habe. Doch gehoͤrt hierher nicht die Verehrung der Kuh, welche dem ganzen aͤl- teren Orient ein Symbol der ernaͤhrenden muͤtterlichen Erde iſt, vielmehr hat dieſe eine viel tiefere Bedeutung in der Geſchichte des Planeten und der Thierwelt, und uͤberhaupt ſcheint aus ſpaͤter anzufuͤhrenden Gruͤnden der Gebrauch der Milch als Nahrung ſchon viel ſpaͤter als der urſpruͤngliche der Fruͤchte, doch ſind gewiß bey- de in der Geſchichte des Ganzen aͤlter als der Ackerbau. D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/65
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/65>, abgerufen am 23.11.2024.