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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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noch auf das allgemeine Gefühl einwirkt, in der See-
le die gleichnahmigen Vorstellungen, welche ehedem zu
derselben Zeit durch das Sehen erweckt wurden, zu-
gleich hervortreten, so daß sie das vermittelst des Ge-
meinfühls Erkannte zu sehen glaubt. Ueberdies sind
sich die Weise wie wir mit äußern Gegenständen ver-
mittelst des allgemeinen Gefühls in Wechselwirkung
treten, und die, wie sie uns bey dem Sehen afficiren,
viel näher verwandt als es scheint, und auch die Wir-
kungen des Gemeingefühls geschehen durch eine ähnli-
che Thätigkeit des Brennbaren als die des Auges. Zu
wünschen wäre es in dieser Hinsicht sehr, daß Versu-
che mit dem organischen Magnetismus bey Blindge-
bohrnen gemacht wurden, weil hier vielleicht der Zu-
stand des Somnambulismus, in der erwähnten Hin-
sicht, sonderbare Erscheinungen zeigen würde.

Wie schon erwähnt, erwachen aber auch zuweilen
in jenen von dem gesunden Leben abweichenden Zustän-
den viel tiefer liegende Kräfte unsrer Natur, deren Wirk-
samkeit von einem viel erhabeneren Umfange ist. Wir
haben in ihnen aus der Analogie des Ganzen die noch
unausgebildeten Organe eines künftigen höheren Da-
seyns gesehen. Auch in ihnen pflegt das eigentliche
innre Leben noch so schwach zu wirken, daß es dann
wenn das stärkere, des jetzt noch übermächtigen irdi-
schen Daseyns, in voller Kraft wirkt, nicht zu erken-
nen ist, und nur dann seine hohe Schwinge regt, wenn
dieses gehemmt ist.

Auch die Vorahndungen müssen aus denselben oder
ähnlichen Ursachen hergeleitet werden. Wir werden
diese dunkle Erscheinung der Seelenlehre leichter ver-
stehen, wenn wir sie mit verwandten Phänomenen der
untergeordneten Körperwelt zusammenstellen.


noch auf das allgemeine Gefuͤhl einwirkt, in der See-
le die gleichnahmigen Vorſtellungen, welche ehedem zu
derſelben Zeit durch das Sehen erweckt wurden, zu-
gleich hervortreten, ſo daß ſie das vermittelſt des Ge-
meinfuͤhls Erkannte zu ſehen glaubt. Ueberdies ſind
ſich die Weiſe wie wir mit aͤußern Gegenſtaͤnden ver-
mittelſt des allgemeinen Gefuͤhls in Wechſelwirkung
treten, und die, wie ſie uns bey dem Sehen afficiren,
viel naͤher verwandt als es ſcheint, und auch die Wir-
kungen des Gemeingefuͤhls geſchehen durch eine aͤhnli-
che Thaͤtigkeit des Brennbaren als die des Auges. Zu
wuͤnſchen waͤre es in dieſer Hinſicht ſehr, daß Verſu-
che mit dem organiſchen Magnetismus bey Blindge-
bohrnen gemacht wurden, weil hier vielleicht der Zu-
ſtand des Somnambulismus, in der erwaͤhnten Hin-
ſicht, ſonderbare Erſcheinungen zeigen wuͤrde.

Wie ſchon erwaͤhnt, erwachen aber auch zuweilen
in jenen von dem geſunden Leben abweichenden Zuſtaͤn-
den viel tiefer liegende Kraͤfte unſrer Natur, deren Wirk-
ſamkeit von einem viel erhabeneren Umfange iſt. Wir
haben in ihnen aus der Analogie des Ganzen die noch
unausgebildeten Organe eines kuͤnftigen hoͤheren Da-
ſeyns geſehen. Auch in ihnen pflegt das eigentliche
innre Leben noch ſo ſchwach zu wirken, daß es dann
wenn das ſtaͤrkere, des jetzt noch uͤbermaͤchtigen irdi-
ſchen Daſeyns, in voller Kraft wirkt, nicht zu erken-
nen iſt, und nur dann ſeine hohe Schwinge regt, wenn
dieſes gehemmt iſt.

Auch die Vorahndungen muͤſſen aus denſelben oder
aͤhnlichen Urſachen hergeleitet werden. Wir werden
dieſe dunkle Erſcheinung der Seelenlehre leichter ver-
ſtehen, wenn wir ſie mit verwandten Phaͤnomenen der
untergeordneten Koͤrperwelt zuſammenſtellen.


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[364/0378] noch auf das allgemeine Gefuͤhl einwirkt, in der See- le die gleichnahmigen Vorſtellungen, welche ehedem zu derſelben Zeit durch das Sehen erweckt wurden, zu- gleich hervortreten, ſo daß ſie das vermittelſt des Ge- meinfuͤhls Erkannte zu ſehen glaubt. Ueberdies ſind ſich die Weiſe wie wir mit aͤußern Gegenſtaͤnden ver- mittelſt des allgemeinen Gefuͤhls in Wechſelwirkung treten, und die, wie ſie uns bey dem Sehen afficiren, viel naͤher verwandt als es ſcheint, und auch die Wir- kungen des Gemeingefuͤhls geſchehen durch eine aͤhnli- che Thaͤtigkeit des Brennbaren als die des Auges. Zu wuͤnſchen waͤre es in dieſer Hinſicht ſehr, daß Verſu- che mit dem organiſchen Magnetismus bey Blindge- bohrnen gemacht wurden, weil hier vielleicht der Zu- ſtand des Somnambulismus, in der erwaͤhnten Hin- ſicht, ſonderbare Erſcheinungen zeigen wuͤrde. Wie ſchon erwaͤhnt, erwachen aber auch zuweilen in jenen von dem geſunden Leben abweichenden Zuſtaͤn- den viel tiefer liegende Kraͤfte unſrer Natur, deren Wirk- ſamkeit von einem viel erhabeneren Umfange iſt. Wir haben in ihnen aus der Analogie des Ganzen die noch unausgebildeten Organe eines kuͤnftigen hoͤheren Da- ſeyns geſehen. Auch in ihnen pflegt das eigentliche innre Leben noch ſo ſchwach zu wirken, daß es dann wenn das ſtaͤrkere, des jetzt noch uͤbermaͤchtigen irdi- ſchen Daſeyns, in voller Kraft wirkt, nicht zu erken- nen iſt, und nur dann ſeine hohe Schwinge regt, wenn dieſes gehemmt iſt. Auch die Vorahndungen muͤſſen aus denſelben oder aͤhnlichen Urſachen hergeleitet werden. Wir werden dieſe dunkle Erſcheinung der Seelenlehre leichter ver- ſtehen, wenn wir ſie mit verwandten Phaͤnomenen der untergeordneten Koͤrperwelt zuſammenſtellen.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/378>, abgerufen am 25.11.2024.