Mensch selber noch ganz von der Erde abhängig war, geherrscht hatte, wird von ihm zerstört. Nicht mehr die Erde, sondern des Universum, nicht mehr die ein- zelne Erscheinung, sondern das Ideal, führen als Genien die Herrschaft der neuen Zeit.
Endlich wird von dem größten Astronomen aller Zeiten, von Kepler, das ewige Gesetz des Him- mels, und mit ihm der Eingang in das innerste Hei- ligthum der Naturwissenschaft gefunden. Der Vor- hang öffnet sich ein wenig, um hernach, vielleicht auf Jahrhunderte, das innre Licht wieder desto dichter zu verhüllen. Wie der Mensch in der neueren Zeit als etwas Besonderes aus der Harmonie mit dem Ganzen hervorgetreten, hat sein Verstand alle andre Wesen in diesen Abfall mit verstrickt, und sehr vielfältig abge- rissene, blos durch einigen mechanischen Zusammen- hang verbundene Dinge in die lebendige Natur hinein- gedichtet. Deshalb ist jener Riesenschritt Keplers, ist das Licht, welches der deutsche Sinn für alle Zeiten angezündet, Anfangs dem Anschein nach ohne Einfluß geblieben, und neben Keplers erhabenen Ansichten, hat sich noch zu derselben Zeit, in Frankreich, eine mecha- nische und handwerksmäßige Ansicht einer todten Na- tur gebildet, in welcher sich wie Würmer, welche ein moderndes Gebein benagen nur noch die mechanischen Kräfte bewegen. Wir sehen die Geschichte der Wis- senschaft, nicht ohne Zusammenhang mit der Bildungs- geschichte unsres Geschlechts auf einen scheinbaren Ab-
Menſch ſelber noch ganz von der Erde abhaͤngig war, geherrſcht hatte, wird von ihm zerſtoͤrt. Nicht mehr die Erde, ſondern des Univerſum, nicht mehr die ein- zelne Erſcheinung, ſondern das Ideal, fuͤhren als Genien die Herrſchaft der neuen Zeit.
Endlich wird von dem groͤßten Aſtronomen aller Zeiten, von Kepler, das ewige Geſetz des Him- mels, und mit ihm der Eingang in das innerſte Hei- ligthum der Naturwiſſenſchaft gefunden. Der Vor- hang oͤffnet ſich ein wenig, um hernach, vielleicht auf Jahrhunderte, das innre Licht wieder deſto dichter zu verhuͤllen. Wie der Menſch in der neueren Zeit als etwas Beſonderes aus der Harmonie mit dem Ganzen hervorgetreten, hat ſein Verſtand alle andre Weſen in dieſen Abfall mit verſtrickt, und ſehr vielfaͤltig abge- riſſene, blos durch einigen mechaniſchen Zuſammen- hang verbundene Dinge in die lebendige Natur hinein- gedichtet. Deshalb iſt jener Rieſenſchritt Keplers, iſt das Licht, welches der deutſche Sinn fuͤr alle Zeiten angezuͤndet, Anfangs dem Anſchein nach ohne Einfluß geblieben, und neben Keplers erhabenen Anſichten, hat ſich noch zu derſelben Zeit, in Frankreich, eine mecha- niſche und handwerksmaͤßige Anſicht einer todten Na- tur gebildet, in welcher ſich wie Wuͤrmer, welche ein moderndes Gebein benagen nur noch die mechaniſchen Kraͤfte bewegen. Wir ſehen die Geſchichte der Wiſ- ſenſchaft, nicht ohne Zuſammenhang mit der Bildungs- geſchichte unſres Geſchlechts auf einen ſcheinbaren Ab-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0028"n="14"/>
Menſch ſelber noch ganz von der Erde abhaͤngig war,<lb/>
geherrſcht hatte, wird von ihm zerſtoͤrt. Nicht mehr<lb/>
die Erde, ſondern des Univerſum, nicht mehr die ein-<lb/>
zelne Erſcheinung, ſondern das Ideal, fuͤhren als Genien<lb/>
die Herrſchaft der neuen Zeit.</p><lb/><p>Endlich wird von dem groͤßten Aſtronomen aller<lb/>
Zeiten, von <hirendition="#g">Kepler,</hi> das ewige Geſetz des Him-<lb/>
mels, und mit ihm der Eingang in das innerſte Hei-<lb/>
ligthum der Naturwiſſenſchaft gefunden. Der Vor-<lb/>
hang oͤffnet ſich ein wenig, um hernach, vielleicht auf<lb/>
Jahrhunderte, das innre Licht wieder deſto dichter zu<lb/>
verhuͤllen. Wie der Menſch in der neueren Zeit als<lb/>
etwas Beſonderes aus der Harmonie mit dem Ganzen<lb/>
hervorgetreten, hat ſein Verſtand alle andre Weſen in<lb/>
dieſen Abfall mit verſtrickt, und ſehr vielfaͤltig abge-<lb/>
riſſene, blos durch einigen mechaniſchen Zuſammen-<lb/>
hang verbundene Dinge in die lebendige Natur hinein-<lb/>
gedichtet. Deshalb iſt jener Rieſenſchritt Keplers,<lb/>
iſt das Licht, welches der deutſche Sinn fuͤr alle Zeiten<lb/>
angezuͤndet, Anfangs dem Anſchein nach ohne Einfluß<lb/>
geblieben, und neben Keplers erhabenen Anſichten, hat<lb/>ſich noch zu derſelben Zeit, in Frankreich, eine mecha-<lb/>
niſche und handwerksmaͤßige Anſicht einer todten Na-<lb/>
tur gebildet, in welcher ſich wie Wuͤrmer, welche ein<lb/>
moderndes Gebein benagen nur noch die mechaniſchen<lb/>
Kraͤfte bewegen. Wir ſehen die Geſchichte der Wiſ-<lb/>ſenſchaft, nicht ohne Zuſammenhang mit der Bildungs-<lb/>
geſchichte unſres Geſchlechts auf einen ſcheinbaren Ab-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[14/0028]
Menſch ſelber noch ganz von der Erde abhaͤngig war,
geherrſcht hatte, wird von ihm zerſtoͤrt. Nicht mehr
die Erde, ſondern des Univerſum, nicht mehr die ein-
zelne Erſcheinung, ſondern das Ideal, fuͤhren als Genien
die Herrſchaft der neuen Zeit.
Endlich wird von dem groͤßten Aſtronomen aller
Zeiten, von Kepler, das ewige Geſetz des Him-
mels, und mit ihm der Eingang in das innerſte Hei-
ligthum der Naturwiſſenſchaft gefunden. Der Vor-
hang oͤffnet ſich ein wenig, um hernach, vielleicht auf
Jahrhunderte, das innre Licht wieder deſto dichter zu
verhuͤllen. Wie der Menſch in der neueren Zeit als
etwas Beſonderes aus der Harmonie mit dem Ganzen
hervorgetreten, hat ſein Verſtand alle andre Weſen in
dieſen Abfall mit verſtrickt, und ſehr vielfaͤltig abge-
riſſene, blos durch einigen mechaniſchen Zuſammen-
hang verbundene Dinge in die lebendige Natur hinein-
gedichtet. Deshalb iſt jener Rieſenſchritt Keplers,
iſt das Licht, welches der deutſche Sinn fuͤr alle Zeiten
angezuͤndet, Anfangs dem Anſchein nach ohne Einfluß
geblieben, und neben Keplers erhabenen Anſichten, hat
ſich noch zu derſelben Zeit, in Frankreich, eine mecha-
niſche und handwerksmaͤßige Anſicht einer todten Na-
tur gebildet, in welcher ſich wie Wuͤrmer, welche ein
moderndes Gebein benagen nur noch die mechaniſchen
Kraͤfte bewegen. Wir ſehen die Geſchichte der Wiſ-
ſenſchaft, nicht ohne Zuſammenhang mit der Bildungs-
geſchichte unſres Geſchlechts auf einen ſcheinbaren Ab-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/28>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.