Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Sinnesorganen die des Gesichts am vollkommensten,
und dem Auge der höheren Thierklassen am analogesten
ausgebildet. Denn ob es gleich gewiß ist, daß die
Antennen an dem Kopf derselben ihnen zum Fühlen
gegeben sind, weicht doch bey ihnen die Natur, in der
Lage und Anordnung dieser Theile, aus den Gränzen
der Analogie mit der höheren Thierwelt heraus. Ein
scharfer Geruch sehr entfernter riechbarer Gegenstände,
ist bey verschiedenen Insekten bemerkt worden, ohne
daß die Organe desselben entdeckt wären. So zieht
die Bienen der Geruch der blühenden Linden in einer
bedeutenden Entfernung an, und jene ausländischen
Insekten, die sich seitdem bey uns eingefunden haben,
seitdem die Pflanzen, auf denen sie sich gewöhnlich
aufhalten, bey uns ausgesäet wurden, könnte nur
dieser Sinn aus jenen großen Fernen hergeführt haben,
wenn man ihre selbstständige Erzeugung aus den Pflan-
zen nicht zugeben will.

Noch vollkommener organisirt als die Insekten,
sind die Mollusken, zu denen die Schnecken, die
Muscheln und andre Schaalenthiere, und die Tinten-
fische gehören. Mit Recht hat Cuvier diese Thierar-
ten von den Würmern, zu denen sie andre Naturfor-
scher gesellten, getrennt, und eine eigne Thierklasse
aus ihnen gebildet, welche einen vollkommnen Ueber-
gang von den Fischen zu den untersten Thierklassen, den
Insekten und Würmern macht. Das Nervensystem
nimmt auf einmal eine ganz andre Gestalt an, die vie-

Sinnesorganen die des Geſichts am vollkommenſten,
und dem Auge der hoͤheren Thierklaſſen am analogeſten
ausgebildet. Denn ob es gleich gewiß iſt, daß die
Antennen an dem Kopf derſelben ihnen zum Fuͤhlen
gegeben ſind, weicht doch bey ihnen die Natur, in der
Lage und Anordnung dieſer Theile, aus den Graͤnzen
der Analogie mit der hoͤheren Thierwelt heraus. Ein
ſcharfer Geruch ſehr entfernter riechbarer Gegenſtaͤnde,
iſt bey verſchiedenen Inſekten bemerkt worden, ohne
daß die Organe deſſelben entdeckt waͤren. So zieht
die Bienen der Geruch der bluͤhenden Linden in einer
bedeutenden Entfernung an, und jene auslaͤndiſchen
Inſekten, die ſich ſeitdem bey uns eingefunden haben,
ſeitdem die Pflanzen, auf denen ſie ſich gewoͤhnlich
aufhalten, bey uns ausgeſaͤet wurden, koͤnnte nur
dieſer Sinn aus jenen großen Fernen hergefuͤhrt haben,
wenn man ihre ſelbſtſtaͤndige Erzeugung aus den Pflan-
zen nicht zugeben will.

Noch vollkommener organiſirt als die Inſekten,
ſind die Mollusken, zu denen die Schnecken, die
Muſcheln und andre Schaalenthiere, und die Tinten-
fiſche gehoͤren. Mit Recht hat Cuvier dieſe Thierar-
ten von den Wuͤrmern, zu denen ſie andre Naturfor-
ſcher geſellten, getrennt, und eine eigne Thierklaſſe
aus ihnen gebildet, welche einen vollkommnen Ueber-
gang von den Fiſchen zu den unterſten Thierklaſſen, den
Inſekten und Wuͤrmern macht. Das Nervenſyſtem
nimmt auf einmal eine ganz andre Geſtalt an, die vie-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0275" n="261"/>
Sinnesorganen die des Ge&#x017F;ichts am vollkommen&#x017F;ten,<lb/>
und dem Auge der ho&#x0364;heren Thierkla&#x017F;&#x017F;en am analoge&#x017F;ten<lb/>
ausgebildet. Denn ob es gleich gewiß i&#x017F;t, daß die<lb/>
Antennen an dem Kopf der&#x017F;elben ihnen zum Fu&#x0364;hlen<lb/>
gegeben &#x017F;ind, weicht doch bey ihnen die Natur, in der<lb/>
Lage und Anordnung die&#x017F;er Theile, aus den Gra&#x0364;nzen<lb/>
der Analogie mit der ho&#x0364;heren Thierwelt heraus. Ein<lb/>
&#x017F;charfer Geruch &#x017F;ehr entfernter riechbarer Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde,<lb/>
i&#x017F;t bey ver&#x017F;chiedenen In&#x017F;ekten bemerkt worden, ohne<lb/>
daß die Organe de&#x017F;&#x017F;elben entdeckt wa&#x0364;ren. So zieht<lb/>
die Bienen der Geruch der blu&#x0364;henden Linden in einer<lb/>
bedeutenden Entfernung an, und jene ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen<lb/>
In&#x017F;ekten, die &#x017F;ich &#x017F;eitdem bey uns eingefunden haben,<lb/>
&#x017F;eitdem die Pflanzen, auf denen &#x017F;ie &#x017F;ich gewo&#x0364;hnlich<lb/>
aufhalten, bey uns ausge&#x017F;a&#x0364;et wurden, ko&#x0364;nnte nur<lb/>
die&#x017F;er Sinn aus jenen großen Fernen hergefu&#x0364;hrt haben,<lb/>
wenn man ihre &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndige Erzeugung aus den Pflan-<lb/>
zen nicht zugeben will.</p><lb/>
        <p>Noch vollkommener organi&#x017F;irt als die In&#x017F;ekten,<lb/>
&#x017F;ind die Mollusken, zu denen die Schnecken, die<lb/>
Mu&#x017F;cheln und andre Schaalenthiere, und die Tinten-<lb/>
fi&#x017F;che geho&#x0364;ren. Mit Recht hat Cuvier die&#x017F;e Thierar-<lb/>
ten von den Wu&#x0364;rmern, zu denen &#x017F;ie andre Naturfor-<lb/>
&#x017F;cher ge&#x017F;ellten, getrennt, und eine eigne Thierkla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
aus ihnen gebildet, welche einen vollkommnen Ueber-<lb/>
gang von den Fi&#x017F;chen zu den unter&#x017F;ten Thierkla&#x017F;&#x017F;en, den<lb/>
In&#x017F;ekten und Wu&#x0364;rmern macht. Das Nerven&#x017F;y&#x017F;tem<lb/>
nimmt auf einmal eine ganz andre Ge&#x017F;talt an, die vie-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0275] Sinnesorganen die des Geſichts am vollkommenſten, und dem Auge der hoͤheren Thierklaſſen am analogeſten ausgebildet. Denn ob es gleich gewiß iſt, daß die Antennen an dem Kopf derſelben ihnen zum Fuͤhlen gegeben ſind, weicht doch bey ihnen die Natur, in der Lage und Anordnung dieſer Theile, aus den Graͤnzen der Analogie mit der hoͤheren Thierwelt heraus. Ein ſcharfer Geruch ſehr entfernter riechbarer Gegenſtaͤnde, iſt bey verſchiedenen Inſekten bemerkt worden, ohne daß die Organe deſſelben entdeckt waͤren. So zieht die Bienen der Geruch der bluͤhenden Linden in einer bedeutenden Entfernung an, und jene auslaͤndiſchen Inſekten, die ſich ſeitdem bey uns eingefunden haben, ſeitdem die Pflanzen, auf denen ſie ſich gewoͤhnlich aufhalten, bey uns ausgeſaͤet wurden, koͤnnte nur dieſer Sinn aus jenen großen Fernen hergefuͤhrt haben, wenn man ihre ſelbſtſtaͤndige Erzeugung aus den Pflan- zen nicht zugeben will. Noch vollkommener organiſirt als die Inſekten, ſind die Mollusken, zu denen die Schnecken, die Muſcheln und andre Schaalenthiere, und die Tinten- fiſche gehoͤren. Mit Recht hat Cuvier dieſe Thierar- ten von den Wuͤrmern, zu denen ſie andre Naturfor- ſcher geſellten, getrennt, und eine eigne Thierklaſſe aus ihnen gebildet, welche einen vollkommnen Ueber- gang von den Fiſchen zu den unterſten Thierklaſſen, den Inſekten und Wuͤrmern macht. Das Nervenſyſtem nimmt auf einmal eine ganz andre Geſtalt an, die vie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/275
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/275>, abgerufen am 26.11.2024.