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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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So ist das Erste, was uns im Pflanzenreich, und
überhaupt in der Welt des Organischen begegnet, jene
Uebereinstimmung der Lebensperioden der Einzelnen
und ganzen Geschlechter derselben, mit den kleinern
und größern Naturperioden. Wie der Stand der Son-
ne von den Blumen durch die Zeiten ihres Erwachens
und Wiedereinschlummerns angezeigt wird, einige in
den Stunden der Nacht, andre in bestimmten Zeiten
des Tages das stille Fest ihrer Blumenliebe feyern, so
verkündigen sie auch durch ihr Wiedererscheinen die Zei-
ten des Jahres, ja den Verlauf größrer Perioden, wel-
che über das Alter des Menschen, und vielleicht über
die Beobachtungen eines einzelnen Jahrhunderts weit
hinausreichen. Auf diese Weise knüpfen wir das orga-
nische Leben schon von einer Seite, obgleich nur äußer-
lich, an die Erscheinungen des Magnetismus, der Elek-
tricität und des Lichtes an, von welchen wir eine ähn-
liche Uebereinstimmung der Perioden, an welche ihre
Veränderungen gebunden sind, mit den Zeiträumen der
ganzen Natur, früher erwähnt haben.

Das Leben zeigt sich so zuerst als kosmische Er-
scheinung, bey welcher sich das Einzelne selbstständig
und unmittelbar von demselben Geist des Lebens ergrif-
fen zeigt, welcher die ganze Natur bewegt. Das
Einstimmen in die Harmonie der allgemeinen Wechsel-
wirkung der Weltkräfte, ist das Leben.

Die einzelne Pflanze ist nicht in jedem Moment ih-
res Daseyns in einer gleich deutlichen Harmonie mit

So iſt das Erſte, was uns im Pflanzenreich, und
uͤberhaupt in der Welt des Organiſchen begegnet, jene
Uebereinſtimmung der Lebensperioden der Einzelnen
und ganzen Geſchlechter derſelben, mit den kleinern
und groͤßern Naturperioden. Wie der Stand der Son-
ne von den Blumen durch die Zeiten ihres Erwachens
und Wiedereinſchlummerns angezeigt wird, einige in
den Stunden der Nacht, andre in beſtimmten Zeiten
des Tages das ſtille Feſt ihrer Blumenliebe feyern, ſo
verkuͤndigen ſie auch durch ihr Wiedererſcheinen die Zei-
ten des Jahres, ja den Verlauf groͤßrer Perioden, wel-
che uͤber das Alter des Menſchen, und vielleicht uͤber
die Beobachtungen eines einzelnen Jahrhunderts weit
hinausreichen. Auf dieſe Weiſe knuͤpfen wir das orga-
niſche Leben ſchon von einer Seite, obgleich nur aͤußer-
lich, an die Erſcheinungen des Magnetismus, der Elek-
tricitaͤt und des Lichtes an, von welchen wir eine aͤhn-
liche Uebereinſtimmung der Perioden, an welche ihre
Veraͤnderungen gebunden ſind, mit den Zeitraͤumen der
ganzen Natur, fruͤher erwaͤhnt haben.

Das Leben zeigt ſich ſo zuerſt als kosmiſche Er-
ſcheinung, bey welcher ſich das Einzelne ſelbſtſtaͤndig
und unmittelbar von demſelben Geiſt des Lebens ergrif-
fen zeigt, welcher die ganze Natur bewegt. Das
Einſtimmen in die Harmonie der allgemeinen Wechſel-
wirkung der Weltkraͤfte, iſt das Leben.

Die einzelne Pflanze iſt nicht in jedem Moment ih-
res Daſeyns in einer gleich deutlichen Harmonie mit

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[235/0249] So iſt das Erſte, was uns im Pflanzenreich, und uͤberhaupt in der Welt des Organiſchen begegnet, jene Uebereinſtimmung der Lebensperioden der Einzelnen und ganzen Geſchlechter derſelben, mit den kleinern und groͤßern Naturperioden. Wie der Stand der Son- ne von den Blumen durch die Zeiten ihres Erwachens und Wiedereinſchlummerns angezeigt wird, einige in den Stunden der Nacht, andre in beſtimmten Zeiten des Tages das ſtille Feſt ihrer Blumenliebe feyern, ſo verkuͤndigen ſie auch durch ihr Wiedererſcheinen die Zei- ten des Jahres, ja den Verlauf groͤßrer Perioden, wel- che uͤber das Alter des Menſchen, und vielleicht uͤber die Beobachtungen eines einzelnen Jahrhunderts weit hinausreichen. Auf dieſe Weiſe knuͤpfen wir das orga- niſche Leben ſchon von einer Seite, obgleich nur aͤußer- lich, an die Erſcheinungen des Magnetismus, der Elek- tricitaͤt und des Lichtes an, von welchen wir eine aͤhn- liche Uebereinſtimmung der Perioden, an welche ihre Veraͤnderungen gebunden ſind, mit den Zeitraͤumen der ganzen Natur, fruͤher erwaͤhnt haben. Das Leben zeigt ſich ſo zuerſt als kosmiſche Er- ſcheinung, bey welcher ſich das Einzelne ſelbſtſtaͤndig und unmittelbar von demſelben Geiſt des Lebens ergrif- fen zeigt, welcher die ganze Natur bewegt. Das Einſtimmen in die Harmonie der allgemeinen Wechſel- wirkung der Weltkraͤfte, iſt das Leben. Die einzelne Pflanze iſt nicht in jedem Moment ih- res Daſeyns in einer gleich deutlichen Harmonie mit

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/249>, abgerufen am 27.04.2024.