Siebente Vorlesung. Die elementaren Inversionsprobleme.
§ 17. Erste 4 Inversionsprobleme und -Theoreme.
Eine jede Aufgabe lässt sich auch "umkehren", invertiren -- gewöhn- lich sogar in mehrfacher Weise, und sie wird dadurch zum Ausgangspunkt für noch weitre Aufgaben. Die ursprüngliche Aufgabe verlangt, dass man von Gegebenem ausgehend ein Gewünschtes, Gefordertes verwirkliche, aus irgendwelchem Bekannten ein Unbekanntes, Gesuchtes herleite. Sie wird umgekehrt, indem man dieses letztere nun als gegeben ansieht und dafür etwas von jenem (vorhin Gegebenen) nun als gesucht hinstellt.
Was man haben und was man wünschen wird, lässt sich nicht für alle Fälle voraussehen. Ist eine Operation ersonnen um für den Fall, dass man dies habe und jenes wünsche, das Bedürfniss zu decken, so kann die Sache doch auch umgekehrt liegen, und sich ein inverses Problem von dem durch die Operation gelösten aufdrängen.
Und thatsächlich kommen solche Konjunkturen vor. Darauf beruht der Nutzen der Probleme, deren Grundgedanke in der Umkehrung schon gelöster Aufgaben wurzelt.
Aber auch abgesehen von allen Fragen des Nutzens beanspruchen die Inversionsprobleme ein hohes theoretisches Interesse -- ganz mit demselben Rechte, wie die Wissenschaft überhaupt. Zu allen möglichen Prämissen die Konklusionen sozusagen "auf Lager" zu halten -- oder wenigstens die Methoden, um schnellstens zu diesen zu gelangen -- erscheint mir als eins der vornehmsten, wonicht als das letzte Ziel der Mathematik und Logik überhaupt, und ich kann daher einer Äusserung des Herrn Perice nicht zustimmen, die 9c p. 193 den Wert der inversen Operationen herabzusetzen scheint, indem sie dieselben als fast immer nutzlos hinstellt, wofern sich nicht eine direkte Operation mit einer "inversen Quantität" für sie substi- tuiren lasse -- einem bedeutungsvollen Ausspruch, auf den wir S. 261 noch näher eingehn werden.
Von den Inversionsproblemen stehn im Vordergrund die "elementaren", welche die Umkehrung von einer der sechs Grundoperationen oder Spezies zum Gegenstande haben.
Ist xn = a oder aber x = a gegeben, so hat man augenblicklich x = an resp. x = a. Die nicht knüpfenden beiden Spezies lösen daher die inversen Aufgaben ihrerselbst, und ihre Umkehrungen sind gleichwie sie selber
Schröder, Algebra der Relative. 16
Siebente Vorlesung. Die elementaren Inversionsprobleme.
§ 17. Erste 4 Inversionsprobleme und -Theoreme.
Eine jede Aufgabe lässt sich auch „umkehren“, invertiren — gewöhn- lich sogar in mehrfacher Weise, und sie wird dadurch zum Ausgangspunkt für noch weitre Aufgaben. Die ursprüngliche Aufgabe verlangt, dass man von Gegebenem ausgehend ein Gewünschtes, Gefordertes verwirkliche, aus irgendwelchem Bekannten ein Unbekanntes, Gesuchtes herleite. Sie wird umgekehrt, indem man dieses letztere nun als gegeben ansieht und dafür etwas von jenem (vorhin Gegebenen) nun als gesucht hinstellt.
Was man haben und was man wünschen wird, lässt sich nicht für alle Fälle voraussehen. Ist eine Operation ersonnen um für den Fall, dass man dies habe und jenes wünsche, das Bedürfniss zu decken, so kann die Sache doch auch umgekehrt liegen, und sich ein inverses Problem von dem durch die Operation gelösten aufdrängen.
Und thatsächlich kommen solche Konjunkturen vor. Darauf beruht der Nutzen der Probleme, deren Grundgedanke in der Umkehrung schon gelöster Aufgaben wurzelt.
Aber auch abgesehen von allen Fragen des Nutzens beanspruchen die Inversionsprobleme ein hohes theoretisches Interesse — ganz mit demselben Rechte, wie die Wissenschaft überhaupt. Zu allen möglichen Prämissen die Konklusionen sozusagen „auf Lager“ zu halten — oder wenigstens die Methoden, um schnellstens zu diesen zu gelangen — erscheint mir als eins der vornehmsten, wonicht als das letzte Ziel der Mathematik und Logik überhaupt, und ich kann daher einer Äusserung des Herrn Perice nicht zustimmen, die 9c p. 193 den Wert der inversen Operationen herabzusetzen scheint, indem sie dieselben als fast immer nutzlos hinstellt, wofern sich nicht eine direkte Operation mit einer „inversen Quantität“ für sie substi- tuiren lasse — einem bedeutungsvollen Ausspruch, auf den wir S. 261 noch näher eingehn werden.
Von den Inversionsproblemen stehn im Vordergrund die „elementaren“, welche die Umkehrung von einer der sechs Grundoperationen oder Spezies zum Gegenstande haben.
Ist x̄ = a oder aber x̆ = a gegeben, so hat man augenblicklich x = ā resp. x = ă. Die nicht knüpfenden beiden Spezies lösen daher die inversen Aufgaben ihrerselbst, und ihre Umkehrungen sind gleichwie sie selber
Schröder, Algebra der Relative. 16
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Siebente Vorlesung.
Die elementaren Inversionsprobleme.
§ 17. Erste 4 Inversionsprobleme und -Theoreme.
Eine jede Aufgabe lässt sich auch „umkehren“, invertiren — gewöhn-
lich sogar in mehrfacher Weise, und sie wird dadurch zum Ausgangspunkt
für noch weitre Aufgaben. Die ursprüngliche Aufgabe verlangt, dass man
von Gegebenem ausgehend ein Gewünschtes, Gefordertes verwirkliche, aus
irgendwelchem Bekannten ein Unbekanntes, Gesuchtes herleite. Sie wird
umgekehrt, indem man dieses letztere nun als gegeben ansieht und dafür
etwas von jenem (vorhin Gegebenen) nun als gesucht hinstellt.
Was man haben und was man wünschen wird, lässt sich nicht für alle
Fälle voraussehen. Ist eine Operation ersonnen um für den Fall, dass
man dies habe und jenes wünsche, das Bedürfniss zu decken, so kann die
Sache doch auch umgekehrt liegen, und sich ein inverses Problem von
dem durch die Operation gelösten aufdrängen.
Und thatsächlich kommen solche Konjunkturen vor. Darauf beruht
der Nutzen der Probleme, deren Grundgedanke in der Umkehrung schon
gelöster Aufgaben wurzelt.
Aber auch abgesehen von allen Fragen des Nutzens beanspruchen die
Inversionsprobleme ein hohes theoretisches Interesse — ganz mit demselben
Rechte, wie die Wissenschaft überhaupt. Zu allen möglichen Prämissen
die Konklusionen sozusagen „auf Lager“ zu halten — oder wenigstens die
Methoden, um schnellstens zu diesen zu gelangen — erscheint mir als eins
der vornehmsten, wonicht als das letzte Ziel der Mathematik und Logik
überhaupt, und ich kann daher einer Äusserung des Herrn Perice nicht
zustimmen, die 9c p. 193 den Wert der inversen Operationen herabzusetzen
scheint, indem sie dieselben als fast immer nutzlos hinstellt, wofern sich
nicht eine direkte Operation mit einer „inversen Quantität“ für sie substi-
tuiren lasse — einem bedeutungsvollen Ausspruch, auf den wir S. 261
noch näher eingehn werden.
Von den Inversionsproblemen stehn im Vordergrund die „elementaren“,
welche die Umkehrung von einer der sechs Grundoperationen oder Spezies
zum Gegenstande haben.
Ist x̄ = a oder aber x̆ = a gegeben, so hat man augenblicklich x = ā
resp. x = ă. Die nicht knüpfenden beiden Spezies lösen daher die inversen
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. [241]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/255>, abgerufen am 24.11.2024.
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