Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
erst so viel später (l. c.) gelungen ist, Peano's Ergebniss zu begründen;
nur in der Exposition differiren unsere Überlegungen, hier allerdings bis
zur Unkenntlichkeit, und vielleicht zum Vorteil der die Priorität besitzenden
Autorin, deren Darstellung jedenfalls die kürzere ist.

Fast gleichzeitig mit meinem Bd. 1 -- ich glaube etwas später --
ist auch das Werk von Robert Grassmann3 erschienen. Es kann
nicht meine Aufgabe sein, dieses umfang- und inhaltreiche Werk,
welches eine vollständige Darstellung der exakten Logik zu verwirklichen
strebt, hier erschöpfend zu rezensiren. Zu seiner Charakterisirung im
allgemeinen will ich nur sagen, dass sein Verfasser zur Auflösung der
Data nach einer Unbekannten sich meiner Modifikation der Boole'schen
Methode anschliesst, -- ohne übrigens erheblichen Gebrauch davon zu
machen. Und ferner, dass derselbe sein System von vornherein auf
"Argumentationen über Individuen" gründet, wogegen ich es mit Voigt
für einfacher halte, gemäss Peirce alles blos auf den Subsumtionsbe-
griff zu gründen und von diesem aus das Individuum erst zu definiren.
In der That muss R. Grassmann bei seinem Verfahren gar zu häufig
mit begrenzten Summen operiren, wodurch manche Beweise für ein-
fache Sätze schon eine etwas unerquickliche Gestalt annehmen.

Im einzelnen muss ich aber wenigstens zwei Fehler richtig stellen.
Der erste findet sich p. IX, X, p. 27 und 35, wo Herr R. Grassmann
jegliche Zulassung einer Subtraktion und einer Division in die Logik als
unvermeidlichen Widerspruch durchaus verwirft. Schon von vorn herein
muss es befremden, wenn man, nach Einführung der Addition und Multiplikation,
die Frage: welche x, zu b addirt, resp. mit b multiplizirt, denn a geben, --
abweisen oder verbieten will. Ein Widerspruch soll sich nun ergeben ver-
möge der beiden folgenden Anwendungen der Subtraktion und der Division,
bezw. wegen a -- a = 0 und a : a = 1:
a = a + 0 = a + (a -- a) = (a + a) -- a = a -- a = 0,
a = a · 1 = a (a : a) = (a a) : a = a : a = 1,

oder, wenn a · [Formel 1] = 1 gesetzt ist,
a = a · 1 = a (a · [Formel 2] ) = a a · [Formel 3] = a [Formel 4] = 1,
womit also allgemein, für jede Klasse a, bewiesen wäre, dass sie erstens
Null, und zweitens, dass sie zugleich Eins sei. -- Werden die beiden in-
versen Operationen so definirt, wie im § 23 und auch schon in meinem
"Operationskreis"2 § 4, p. 28 ff. geschehen, so sind diese angeblichen Be-
weise leicht zu entkräften; schon an letzterer Stelle ist betont, dass
associative Gesetze wie etwa
a + (b -- c) = (a + b) -- c und a (b : c) = (a b) : c
nicht allgemein und nicht unmodifizirt gelten; von diesen Gesetzen macht
aber Herr R. Grassmann einen hiernach nicht zulässigen Gebrauch in den

§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
erst so viel später (l. c.) gelungen ist, Peano’s Ergebniss zu begründen;
nur in der Exposition differiren unsere Überlegungen, hier allerdings bis
zur Unkenntlichkeit, und vielleicht zum Vorteil der die Priorität besitzenden
Autorin, deren Darstellung jedenfalls die kürzere ist.

Fast gleichzeitig mit meinem Bd. 1 — ich glaube etwas später —
ist auch das Werk von Robert Grassmann3 erschienen. Es kann
nicht meine Aufgabe sein, dieses umfang- und inhaltreiche Werk,
welches eine vollständige Darstellung der exakten Logik zu verwirklichen
strebt, hier erschöpfend zu rezensiren. Zu seiner Charakterisirung im
allgemeinen will ich nur sagen, dass sein Verfasser zur Auflösung der
Data nach einer Unbekannten sich meiner Modifikation der Boole’schen
Methode anschliesst, — ohne übrigens erheblichen Gebrauch davon zu
machen. Und ferner, dass derselbe sein System von vornherein auf
„Argumentationen über Individuen“ gründet, wogegen ich es mit Voigt
für einfacher halte, gemäss Peirce alles blos auf den Subsumtionsbe-
griff zu gründen und von diesem aus das Individuum erst zu definiren.
In der That muss R. Grassmann bei seinem Verfahren gar zu häufig
mit begrenzten Summen operiren, wodurch manche Beweise für ein-
fache Sätze schon eine etwas unerquickliche Gestalt annehmen.

Im einzelnen muss ich aber wenigstens zwei Fehler richtig stellen.
Der erste findet sich p. IX, X, p. 27 und 35, wo Herr R. Grassmann
jegliche Zulassung einer Subtraktion und einer Division in die Logik als
unvermeidlichen Widerspruch durchaus verwirft. Schon von vorn herein
muss es befremden, wenn man, nach Einführung der Addition und Multiplikation,
die Frage: welche x, zu b addirt, resp. mit b multiplizirt, denn a geben, —
abweisen oder verbieten will. Ein Widerspruch soll sich nun ergeben ver-
möge der beiden folgenden Anwendungen der Subtraktion und der Division,
bezw. wegen aa = 0 und a : a = 1:
a = a + 0 = a + (aa) = (a + a) — a = aa = 0,
a = a · 1 = a (a : a) = (a a) : a = a : a = 1,

oder, wenn a · [Formel 1] = 1 gesetzt ist,
a = a · 1 = a (a · [Formel 2] ) = a a · [Formel 3] = a [Formel 4] = 1,
womit also allgemein, für jede Klasse a, bewiesen wäre, dass sie erstens
Null, und zweitens, dass sie zugleich Eins sei. — Werden die beiden in-
versen Operationen so definirt, wie im § 23 und auch schon in meinem
„Operationskreis“2 § 4, p. 28 ff. geschehen, so sind diese angeblichen Be-
weise leicht zu entkräften; schon an letzterer Stelle ist betont, dass
associative Gesetze wie etwa
a + (bc) = (a + b) — c und a (b : c) = (a b) : c
nicht allgemein und nicht unmodifizirt gelten; von diesen Gesetzen macht
aber Herr R. Grassmann einen hiernach nicht zulässigen Gebrauch in den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0099" n="455"/><fw place="top" type="header">§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.</fw><lb/>
erst so viel später (l. c.) gelungen ist, <hi rendition="#g">Peano&#x2019;</hi>s Ergebniss zu begründen;<lb/>
nur in der Exposition differiren unsere Überlegungen, hier allerdings bis<lb/>
zur Unkenntlichkeit, und vielleicht zum Vorteil der die Priorität besitzenden<lb/>
Autorin, deren Darstellung jedenfalls die kürzere ist.</p><lb/>
            <p>Fast gleichzeitig mit meinem Bd. 1 &#x2014; ich glaube etwas später &#x2014;<lb/>
ist auch das Werk von <hi rendition="#g">Robert Grassmann</hi><hi rendition="#sup">3</hi> erschienen. Es kann<lb/>
nicht meine Aufgabe sein, dieses umfang- und inhaltreiche Werk,<lb/>
welches eine vollständige Darstellung der exakten Logik zu verwirklichen<lb/>
strebt, hier erschöpfend zu rezensiren. Zu seiner Charakterisirung im<lb/>
allgemeinen will ich nur sagen, dass sein Verfasser zur Auflösung der<lb/>
Data nach einer Unbekannten sich meiner Modifikation der <hi rendition="#g">Boole&#x2019;</hi>schen<lb/>
Methode anschliesst, &#x2014; ohne übrigens erheblichen Gebrauch davon zu<lb/>
machen. Und ferner, dass derselbe sein System von vornherein auf<lb/>
&#x201E;Argumentationen über Individuen&#x201C; gründet, wogegen ich es mit <hi rendition="#g">Voigt</hi><lb/>
für einfacher halte, gemäss <hi rendition="#g">Peirce</hi> alles blos auf den Subsumtionsbe-<lb/>
griff zu gründen und von diesem aus das Individuum erst zu definiren.<lb/>
In der That muss R. <hi rendition="#g">Grassmann</hi> bei seinem Verfahren gar zu häufig<lb/>
mit begrenzten Summen operiren, wodurch manche Beweise für ein-<lb/>
fache Sätze schon eine etwas unerquickliche Gestalt annehmen.</p><lb/>
            <p>Im einzelnen muss ich aber wenigstens zwei Fehler richtig stellen.<lb/>
Der erste findet sich p. IX, X, p. 27 und 35, wo Herr R. <hi rendition="#g">Grassmann</hi><lb/>
jegliche Zulassung einer Subtraktion und einer Division in die Logik als<lb/>
unvermeidlichen Widerspruch durchaus verwirft. Schon von vorn herein<lb/>
muss es befremden, wenn man, nach Einführung der Addition und Multiplikation,<lb/>
die Frage: welche <hi rendition="#i">x</hi>, zu <hi rendition="#i">b</hi> addirt, resp. mit <hi rendition="#i">b</hi> multiplizirt, denn <hi rendition="#i">a</hi> geben, &#x2014;<lb/>
abweisen oder verbieten will. Ein Widerspruch soll sich nun ergeben ver-<lb/>
möge der beiden folgenden Anwendungen der Subtraktion und der Division,<lb/>
bezw. wegen <hi rendition="#i">a</hi> &#x2014; <hi rendition="#i">a</hi> = 0 und <hi rendition="#i">a</hi> : <hi rendition="#i">a</hi> = 1:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#i">a</hi> = <hi rendition="#i">a</hi> + 0 = <hi rendition="#i">a</hi> + (<hi rendition="#i">a</hi> &#x2014; <hi rendition="#i">a</hi>) = (<hi rendition="#i">a</hi> + <hi rendition="#i">a</hi>) &#x2014; <hi rendition="#i">a</hi> = <hi rendition="#i">a</hi> &#x2014; <hi rendition="#i">a</hi> = 0,<lb/><hi rendition="#i">a</hi> = <hi rendition="#i">a</hi> · 1 = <hi rendition="#i">a</hi> (<hi rendition="#i">a</hi> : <hi rendition="#i">a</hi>) = (<hi rendition="#i">a a</hi>) : <hi rendition="#i">a</hi> = <hi rendition="#i">a</hi> : <hi rendition="#i">a</hi> = 1,</hi><lb/>
oder, wenn <hi rendition="#i">a</hi> · <formula/> = 1 gesetzt ist,<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#i">a</hi> = <hi rendition="#i">a</hi> · 1 = <hi rendition="#i">a</hi> (<hi rendition="#i">a</hi> · <formula/>) = <hi rendition="#i">a a</hi> · <formula/> = a <formula/> = 1,</hi><lb/>
womit also allgemein, für jede Klasse <hi rendition="#i">a</hi>, bewiesen wäre, dass sie erstens<lb/>
Null, und zweitens, dass sie zugleich Eins sei. &#x2014; Werden die beiden in-<lb/>
versen Operationen so definirt, wie im § 23 und auch schon in meinem<lb/>
&#x201E;Operationskreis&#x201C;<hi rendition="#sup">2</hi> § 4, p. 28 ff. geschehen, so sind diese angeblichen Be-<lb/>
weise leicht zu entkräften; schon an letzterer Stelle ist betont, dass<lb/>
associative Gesetze wie etwa<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">a</hi> + (<hi rendition="#i">b</hi> &#x2014; <hi rendition="#i">c</hi>) = (<hi rendition="#i">a</hi> + <hi rendition="#i">b</hi>) &#x2014; <hi rendition="#i">c</hi> und <hi rendition="#i">a</hi> (<hi rendition="#i">b</hi> : <hi rendition="#i">c</hi>) = (<hi rendition="#i">a b</hi>) : <hi rendition="#i">c</hi></hi><lb/>
nicht allgemein und nicht unmodifizirt gelten; von diesen Gesetzen macht<lb/>
aber Herr R. <hi rendition="#g">Grassmann</hi> einen hiernach nicht zulässigen Gebrauch in den<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[455/0099] § 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse. erst so viel später (l. c.) gelungen ist, Peano’s Ergebniss zu begründen; nur in der Exposition differiren unsere Überlegungen, hier allerdings bis zur Unkenntlichkeit, und vielleicht zum Vorteil der die Priorität besitzenden Autorin, deren Darstellung jedenfalls die kürzere ist. Fast gleichzeitig mit meinem Bd. 1 — ich glaube etwas später — ist auch das Werk von Robert Grassmann3 erschienen. Es kann nicht meine Aufgabe sein, dieses umfang- und inhaltreiche Werk, welches eine vollständige Darstellung der exakten Logik zu verwirklichen strebt, hier erschöpfend zu rezensiren. Zu seiner Charakterisirung im allgemeinen will ich nur sagen, dass sein Verfasser zur Auflösung der Data nach einer Unbekannten sich meiner Modifikation der Boole’schen Methode anschliesst, — ohne übrigens erheblichen Gebrauch davon zu machen. Und ferner, dass derselbe sein System von vornherein auf „Argumentationen über Individuen“ gründet, wogegen ich es mit Voigt für einfacher halte, gemäss Peirce alles blos auf den Subsumtionsbe- griff zu gründen und von diesem aus das Individuum erst zu definiren. In der That muss R. Grassmann bei seinem Verfahren gar zu häufig mit begrenzten Summen operiren, wodurch manche Beweise für ein- fache Sätze schon eine etwas unerquickliche Gestalt annehmen. Im einzelnen muss ich aber wenigstens zwei Fehler richtig stellen. Der erste findet sich p. IX, X, p. 27 und 35, wo Herr R. Grassmann jegliche Zulassung einer Subtraktion und einer Division in die Logik als unvermeidlichen Widerspruch durchaus verwirft. Schon von vorn herein muss es befremden, wenn man, nach Einführung der Addition und Multiplikation, die Frage: welche x, zu b addirt, resp. mit b multiplizirt, denn a geben, — abweisen oder verbieten will. Ein Widerspruch soll sich nun ergeben ver- möge der beiden folgenden Anwendungen der Subtraktion und der Division, bezw. wegen a — a = 0 und a : a = 1: a = a + 0 = a + (a — a) = (a + a) — a = a — a = 0, a = a · 1 = a (a : a) = (a a) : a = a : a = 1, oder, wenn a · [FORMEL] = 1 gesetzt ist, a = a · 1 = a (a · [FORMEL]) = a a · [FORMEL] = a [FORMEL] = 1, womit also allgemein, für jede Klasse a, bewiesen wäre, dass sie erstens Null, und zweitens, dass sie zugleich Eins sei. — Werden die beiden in- versen Operationen so definirt, wie im § 23 und auch schon in meinem „Operationskreis“2 § 4, p. 28 ff. geschehen, so sind diese angeblichen Be- weise leicht zu entkräften; schon an letzterer Stelle ist betont, dass associative Gesetze wie etwa a + (b — c) = (a + b) — c und a (b : c) = (a b) : c nicht allgemein und nicht unmodifizirt gelten; von diesen Gesetzen macht aber Herr R. Grassmann einen hiernach nicht zulässigen Gebrauch in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/99
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/99>, abgerufen am 04.05.2024.