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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Von J. Lüroth.
Gefechten verbunden war. Aber vor den ernstlichen Zusammenstössen
mit der französischen Südarmee erhielt Schröder die Nachricht, dass
er zum Professor befördert sei und wurde bald darauf, am 1. Nov. 1870,
nach Reklamation durch die Schulbehörde in die Heimat zurückgeschickt.
Er wurde zum Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften an dem
Pro- und Realgymnasium zu Baden-Baden ernannt. Diese Stelle behielt
er bis zum Jahre 1874.

Während seines Aufenthaltes in Baden beschäftigte sich Schröder
wesentlich mit den Arbeiten an seinem Lehrbuch der Arithmetik und
Algebra, das 1873 erschien. Allerdings kam er nie dazu, seinen ursprüng-
lichen Plan vollständig auszuführen und das auf 4 Bände berechnete
Werk zu vollenden. Es blieb auf den ersten damals erschienenen Band
beschränkt. In ihm behandelt er zunächst sehr ausführlich und ein-
gehend den Zahlbegriff und erwähnt dabei, wol als der erste, das
allem Zählen zugrunde liegende Axiom, dass die Anzahl unabhängig sei
vom Zählprozess; dass man also, wenn man eine Menge wiederholt zähle,
immer dieselbe Anzahl bekommen müsse, vorausgesetzt man habe sich
nicht verzählt. Dann folgt eine ausführliche Erörterung über die arith-
metischen Operationen und zwar über die direkten und inversen. Die
direkten Operationen werden einmal untersucht auf Grund einer in-
dependenten Definition, und dann, wesentlich nach Grassmann, unter
Annahme eines rekurrenten Bildungsgesetzes. Um den Gebrauch von
Klammern möglichst einzuschränken, gibt Schröder zwei Konventionen,
die seither allgemeine Aufnahme in die Lehrbücher gefunden haben. In
einem Anhang wird das Rechnen mit Produkten und Summenzeichen
ausführlich erörtert, insbesondere werden die Regeln aufgestellt, die bei
Vertauschung der Summationsordnung bei mehrfachen Summen die
Änderung der Grenzen ergeben. In den vorhergehenden Kapiteln führt
Schröder nun aber eine wesentliche Neuerung ein, indem er die
gewöhnlich festgehaltene Eindeutigkeit der Umkehrungen fallen lässt
und das Operiren mit mehrdeutigen Ausdrücken eingehend behandelt.
Er benutzt hierbei schon das Unterordnungzseichen und das Ein-
ordnungszeichen
, das in seinen späteren Veröffentlichungen über die
Logik eine so grosse Rolle spielt. Ferner wurde er -- wenn ich nicht
irre durch die monatelange Einstellung des Druckes, die durch den grossen
Setzerstreik des Jahres 1872 hervorgerufen war --, nach Hankels
Vorgang veranlasst, weitergehende Untersuchungen einzufügen über die
Gestalt, welche die arithmetischen Formeln annehmen würden, wenn
die Operationen anderen als den gewöhnlichen Gesetzen gehorchten.
Inbesondere dachte er dabei, dass die Multiplikation weder kommutativ

Von J. Lüroth.
Gefechten verbunden war. Aber vor den ernstlichen Zusammenstössen
mit der französischen Südarmee erhielt Schröder die Nachricht, dass
er zum Professor befördert sei und wurde bald darauf, am 1. Nov. 1870,
nach Reklamation durch die Schulbehörde in die Heimat zurückgeschickt.
Er wurde zum Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften an dem
Pro- und Realgymnasium zu Baden-Baden ernannt. Diese Stelle behielt
er bis zum Jahre 1874.

Während seines Aufenthaltes in Baden beschäftigte sich Schröder
wesentlich mit den Arbeiten an seinem Lehrbuch der Arithmetik und
Algebra, das 1873 erschien. Allerdings kam er nie dazu, seinen ursprüng-
lichen Plan vollständig auszuführen und das auf 4 Bände berechnete
Werk zu vollenden. Es blieb auf den ersten damals erschienenen Band
beschränkt. In ihm behandelt er zunächst sehr ausführlich und ein-
gehend den Zahlbegriff und erwähnt dabei, wol als der erste, das
allem Zählen zugrunde liegende Axiom, dass die Anzahl unabhängig sei
vom Zählprozess; dass man also, wenn man eine Menge wiederholt zähle,
immer dieselbe Anzahl bekommen müsse, vorausgesetzt man habe sich
nicht verzählt. Dann folgt eine ausführliche Erörterung über die arith-
metischen Operationen und zwar über die direkten und inversen. Die
direkten Operationen werden einmal untersucht auf Grund einer in-
dependenten Definition, und dann, wesentlich nach Grassmann, unter
Annahme eines rekurrenten Bildungsgesetzes. Um den Gebrauch von
Klammern möglichst einzuschränken, gibt Schröder zwei Konventionen,
die seither allgemeine Aufnahme in die Lehrbücher gefunden haben. In
einem Anhang wird das Rechnen mit Produkten und Summenzeichen
ausführlich erörtert, insbesondere werden die Regeln aufgestellt, die bei
Vertauschung der Summationsordnung bei mehrfachen Summen die
Änderung der Grenzen ergeben. In den vorhergehenden Kapiteln führt
Schröder nun aber eine wesentliche Neuerung ein, indem er die
gewöhnlich festgehaltene Eindeutigkeit der Umkehrungen fallen lässt
und das Operiren mit mehrdeutigen Ausdrücken eingehend behandelt.
Er benutzt hierbei schon das Unterordnungzseichen ⊂ und das Ein-
ordnungszeichen
, das in seinen späteren Veröffentlichungen über die
Logik eine so grosse Rolle spielt. Ferner wurde er — wenn ich nicht
irre durch die monatelange Einstellung des Druckes, die durch den grossen
Setzerstreik des Jahres 1872 hervorgerufen war —, nach Hankels
Vorgang veranlasst, weitergehende Untersuchungen einzufügen über die
Gestalt, welche die arithmetischen Formeln annehmen würden, wenn
die Operationen anderen als den gewöhnlichen Gesetzen gehorchten.
Inbesondere dachte er dabei, dass die Multiplikation weder kommutativ

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[VII/0019] Von J. Lüroth. Gefechten verbunden war. Aber vor den ernstlichen Zusammenstössen mit der französischen Südarmee erhielt Schröder die Nachricht, dass er zum Professor befördert sei und wurde bald darauf, am 1. Nov. 1870, nach Reklamation durch die Schulbehörde in die Heimat zurückgeschickt. Er wurde zum Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften an dem Pro- und Realgymnasium zu Baden-Baden ernannt. Diese Stelle behielt er bis zum Jahre 1874. Während seines Aufenthaltes in Baden beschäftigte sich Schröder wesentlich mit den Arbeiten an seinem Lehrbuch der Arithmetik und Algebra, das 1873 erschien. Allerdings kam er nie dazu, seinen ursprüng- lichen Plan vollständig auszuführen und das auf 4 Bände berechnete Werk zu vollenden. Es blieb auf den ersten damals erschienenen Band beschränkt. In ihm behandelt er zunächst sehr ausführlich und ein- gehend den Zahlbegriff und erwähnt dabei, wol als der erste, das allem Zählen zugrunde liegende Axiom, dass die Anzahl unabhängig sei vom Zählprozess; dass man also, wenn man eine Menge wiederholt zähle, immer dieselbe Anzahl bekommen müsse, vorausgesetzt man habe sich nicht verzählt. Dann folgt eine ausführliche Erörterung über die arith- metischen Operationen und zwar über die direkten und inversen. Die direkten Operationen werden einmal untersucht auf Grund einer in- dependenten Definition, und dann, wesentlich nach Grassmann, unter Annahme eines rekurrenten Bildungsgesetzes. Um den Gebrauch von Klammern möglichst einzuschränken, gibt Schröder zwei Konventionen, die seither allgemeine Aufnahme in die Lehrbücher gefunden haben. In einem Anhang wird das Rechnen mit Produkten und Summenzeichen ausführlich erörtert, insbesondere werden die Regeln aufgestellt, die bei Vertauschung der Summationsordnung bei mehrfachen Summen die Änderung der Grenzen ergeben. In den vorhergehenden Kapiteln führt Schröder nun aber eine wesentliche Neuerung ein, indem er die gewöhnlich festgehaltene Eindeutigkeit der Umkehrungen fallen lässt und das Operiren mit mehrdeutigen Ausdrücken eingehend behandelt. Er benutzt hierbei schon das Unterordnungzseichen ⊂ und das Ein- ordnungszeichen , das in seinen späteren Veröffentlichungen über die Logik eine so grosse Rolle spielt. Ferner wurde er — wenn ich nicht irre durch die monatelange Einstellung des Druckes, die durch den grossen Setzerstreik des Jahres 1872 hervorgerufen war —, nach Hankels Vorgang veranlasst, weitergehende Untersuchungen einzufügen über die Gestalt, welche die arithmetischen Formeln annehmen würden, wenn die Operationen anderen als den gewöhnlichen Gesetzen gehorchten. Inbesondere dachte er dabei, dass die Multiplikation weder kommutativ

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/19>, abgerufen am 22.11.2024.