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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Fünfzehnte Vorlesung.
Subsumtion und die Redensarten, durch welche wir sie wiedergeben,
sollen vielmehr diesen Zusammenhang lediglich als einen faktisch be-
stehenden, thatsächlichen darstellen, es offen lassend, ob er denknot-
wendig, eventuell als ein "kausaler" bestehe, oder vielleicht blos ein
empirisch ermittelter, für den Stand unsrer Erkenntniss "zufälliger" ist.

Zum Exempel, es bedeute b die Aussage: "Es ist Tag (hier)" --
für den Augenblick unter "Tag" die Zeit verstanden, während welcher
die Sonne über dem Horizont steht*),
und a die Aussage: "die Sonne scheint (hier, unverhüllt von Wolken)",
so gilt a b, d. h. Wenn die Sonne scheint, so ist es Tag.

Die Beziehung zwischen den Gültigkeitsdauern der beiderseitigen
Aussagen möge die Figur veranschaulichen:

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 7.
welche, durch Nächte getrennt, drei Tage b auf der Zeitlinie dar-
gestellt zeigt, an deren drittem die Sonne unausgesetzt schien, während
sie an den beiden vorhergehenden je zweimal längere Zeit von Wolken
verhüllt blieb, etc.

Allerdings ist in dem gewählten Beispiel das "Subjekt" a (der Be-
dingungssatz) zugleich Erkenntnissgrund des "Prädikates" b (des Folge-
satzes): aus dem Scheinen der Sonne kann gefolgert, geschlossen
werden, dass es Tag ist. Weil die Sonne scheint (sofern sie das thut),
darum muss es Tag sein.

Das kausale Verhältniss scheint hier eher umgekehrt zu liegen: weil
die Sonne über dem Horizont steht, darum kann sie überhaupt scheinen;
dass sie scheint ist eventuelle Folge, und Wirkung, ihrer Stellung über dem
Horizonte.

Jener Umstand ist aber, wie angedeutet, als ein Nebenumstand zu
betrachten, der in der Subsumtion a b sowol, als in deren verbaler
Umschreibung mittelst der Konjunktionen "wenn .., so .." nicht ge-
fordert ist. Man könnte ebensogut, die vorige Aussage a z. B. fest-
haltend, unter b die Aussage verstehen: "Paris liegt an der Seine",
oder etwa auch: "Carnot ist Präsident der französischen Republik."
Und wiederum würde dermalen die Subsumtion a b gelten, die Be-
hauptung zulässig sein: Wenn (genauer: wann, während, solange, so-

*) Der Einfachheit halber will ich mich auf die Berücksichtigung der Strahlen-
brechung und des Unterschiedes zwischen mathematischem und physischem Hori-
zont des Ortes hier nicht einlassen.

Fünfzehnte Vorlesung.
Subsumtion und die Redensarten, durch welche wir sie wiedergeben,
sollen vielmehr diesen Zusammenhang lediglich als einen faktisch be-
stehenden, thatsächlichen darstellen, es offen lassend, ob er denknot-
wendig, eventuell als ein „kausaler“ bestehe, oder vielleicht blos ein
empirisch ermittelter, für den Stand unsrer Erkenntniss „zufälliger“ ist.

Zum Exempel, es bedeute b die Aussage: „Es ist Tag (hier)“ —
für den Augenblick unter „Tag“ die Zeit verstanden, während welcher
die Sonne über dem Horizont steht*),
und a die Aussage: „die Sonne scheint (hier, unverhüllt von Wolken)“,
so gilt a b, d. h. Wenn die Sonne scheint, so ist es Tag.

Die Beziehung zwischen den Gültigkeitsdauern der beiderseitigen
Aussagen möge die Figur veranschaulichen:

[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 7.
welche, durch Nächte getrennt, drei Tage b auf der Zeitlinie dar-
gestellt zeigt, an deren drittem die Sonne unausgesetzt schien, während
sie an den beiden vorhergehenden je zweimal längere Zeit von Wolken
verhüllt blieb, etc.

Allerdings ist in dem gewählten Beispiel das „Subjekt“ a (der Be-
dingungssatz) zugleich Erkenntnissgrund des „Prädikates“ b (des Folge-
satzes): aus dem Scheinen der Sonne kann gefolgert, geschlossen
werden, dass es Tag ist. Weil die Sonne scheint (sofern sie das thut),
darum muss es Tag sein.

Das kausale Verhältniss scheint hier eher umgekehrt zu liegen: weil
die Sonne über dem Horizont steht, darum kann sie überhaupt scheinen;
dass sie scheint ist eventuelle Folge, und Wirkung, ihrer Stellung über dem
Horizonte.

Jener Umstand ist aber, wie angedeutet, als ein Nebenumstand zu
betrachten, der in der Subsumtion a b sowol, als in deren verbaler
Umschreibung mittelst der Konjunktionen „wenn ‥, so ‥“ nicht ge-
fordert ist. Man könnte ebensogut, die vorige Aussage a z. B. fest-
haltend, unter b die Aussage verstehen: „Paris liegt an der Seine“,
oder etwa auch: „Carnot ist Präsident der französischen Republik.“
Und wiederum würde dermalen die Subsumtion a b gelten, die Be-
hauptung zulässig sein: Wenn (genauer: wann, während, solange, so-

*) Der Einfachheit halber will ich mich auf die Berücksichtigung der Strahlen-
brechung und des Unterschiedes zwischen mathematischem und physischem Hori-
zont des Ortes hier nicht einlassen.
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[14/0038] Fünfzehnte Vorlesung. Subsumtion und die Redensarten, durch welche wir sie wiedergeben, sollen vielmehr diesen Zusammenhang lediglich als einen faktisch be- stehenden, thatsächlichen darstellen, es offen lassend, ob er denknot- wendig, eventuell als ein „kausaler“ bestehe, oder vielleicht blos ein empirisch ermittelter, für den Stand unsrer Erkenntniss „zufälliger“ ist. Zum Exempel, es bedeute b die Aussage: „Es ist Tag (hier)“ — für den Augenblick unter „Tag“ die Zeit verstanden, während welcher die Sonne über dem Horizont steht *), und a die Aussage: „die Sonne scheint (hier, unverhüllt von Wolken)“, so gilt a  b, d. h. Wenn die Sonne scheint, so ist es Tag. Die Beziehung zwischen den Gültigkeitsdauern der beiderseitigen Aussagen möge die Figur veranschaulichen: [Abbildung] [Abbildung Fig. 7.] welche, durch Nächte getrennt, drei Tage b auf der Zeitlinie dar- gestellt zeigt, an deren drittem die Sonne unausgesetzt schien, während sie an den beiden vorhergehenden je zweimal längere Zeit von Wolken verhüllt blieb, etc. Allerdings ist in dem gewählten Beispiel das „Subjekt“ a (der Be- dingungssatz) zugleich Erkenntnissgrund des „Prädikates“ b (des Folge- satzes): aus dem Scheinen der Sonne kann gefolgert, geschlossen werden, dass es Tag ist. Weil die Sonne scheint (sofern sie das thut), darum muss es Tag sein. Das kausale Verhältniss scheint hier eher umgekehrt zu liegen: weil die Sonne über dem Horizont steht, darum kann sie überhaupt scheinen; dass sie scheint ist eventuelle Folge, und Wirkung, ihrer Stellung über dem Horizonte. Jener Umstand ist aber, wie angedeutet, als ein Nebenumstand zu betrachten, der in der Subsumtion a  b sowol, als in deren verbaler Umschreibung mittelst der Konjunktionen „wenn ‥, so ‥“ nicht ge- fordert ist. Man könnte ebensogut, die vorige Aussage a z. B. fest- haltend, unter b die Aussage verstehen: „Paris liegt an der Seine“, oder etwa auch: „Carnot ist Präsident der französischen Republik.“ Und wiederum würde dermalen die Subsumtion a  b gelten, die Be- hauptung zulässig sein: Wenn (genauer: wann, während, solange, so- *) Der Einfachheit halber will ich mich auf die Berücksichtigung der Strahlen- brechung und des Unterschiedes zwischen mathematischem und physischem Hori- zont des Ortes hier nicht einlassen.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/38>, abgerufen am 29.03.2024.