Sie tritt nämlich erst ein, indem wir (ev. gewohnheitsmässig) Urteile fällen, zu denen wir nur berechtigt sind, einmal im Hinblick auf eine bestimmte von den Bedeutungen des Namens und bei Aus- schluss seiner übrigen Bedeutungen, ein andermal ebenso im Hinblick auf eine andere von diesen Bedeutungen bei Ausschluss, vielleicht, der erstern, u. s. w.
Begegnen wir z. B. Urteilen, wie: "Alle Metalle sind chemische Elemente" und ferner: "Messing ist ein Metall", so erscheint dadurch der Name Metall zu einem doppelsinnigen gestempelt. Jedes von diesen Urteilen kann für sich als richtig anerkannt werden, wenn nur die Be- deutung des Namens Metall auf eine bestimmte Weise aufgefasst, be- grenzt wird. Diese Abgrenzung ist aber beidemal verschieden; sie ist eine andere (und zwar hier blos eine "engere") bei dem erstern Urteile, wo sie mit der in der chemischen Wissenschaft üblichen zusammen- fällt, als bei dem zweiten Urteile, wo sie sich deckt mit der ("wei- teren") Auffassung, welche dem Namen Metall in der Technik und im gewöhnlichen Leben zuteil wird.
Wer nun solche Doppelsinnigkeit übersähe, der würde sich schwer- lich der Schlussfolgerung erwehren können, dass Messing ein chemisches Element sein müsse -- wogegen es bekanntlich doch eine Mischung, Legirung aus Zink und Kupfer ist.
In ähnlicher Weise vollziehen wir, sooft zwei oder mehr Bedeu- tungen eines Wortes uns unbewusst vermengt werden, fast unver- meidlich logische Fehlschlüsse -- eine Bemerkung, zu welcher spätere Betrachtungen uns noch vielfach Belege liefern werden. (Vergl. be- sonders § 4.)
Um (mit Jevons) dies noch durch ein Beispiel zu illustriren, wo der Doppelsinn etwas weniger augenfällig ist, so könnte jemand argumentiren: "Strafe ist ein Übel". "Andern (wenn auch in bester Absicht) ein Übel zuzufügen, sollte nicht erlaubt sein, ist unrecht." Ergo: "Andern eine Strafe angedeihen zu lassen (zuzufügen), ist unrecht." Der Doppelsinn liegt im Worte "Übel", welches im ersten Satze aufzufassen war als physisches Übel oder Leid, im zweiten dagegen als moralisches Übel. Etc.
Sehr treffend sagt Baco von Verulam: Die Menschen glauben zwar, dass ihr Verstand die Worte beherrsche, aber es kommt auch vor, dass die Worte ihre Gewalt über den Verstand rückwirkend geltend machen ("Credunt homines, rationem suam verbis imperare, sed fit etiam, ut verba vim suam super rationem retorqueant").
ph1) Es ist darum Jevons6 beizupflichten, wenn er sagt, dass nichts zur Erlangung korrekter Gewohnheiten des Denkens und Schliessens
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Einleitung.
Sie tritt nämlich erst ein, indem wir (ev. gewohnheitsmässig) Urteile fällen, zu denen wir nur berechtigt sind, einmal im Hinblick auf eine bestimmte von den Bedeutungen des Namens und bei Aus- schluss seiner übrigen Bedeutungen, ein andermal ebenso im Hinblick auf eine andere von diesen Bedeutungen bei Ausschluss, vielleicht, der erstern, u. s. w.
Begegnen wir z. B. Urteilen, wie: „Alle Metalle sind chemische Elemente“ und ferner: „Messing ist ein Metall“, so erscheint dadurch der Name Metall zu einem doppelsinnigen gestempelt. Jedes von diesen Urteilen kann für sich als richtig anerkannt werden, wenn nur die Be- deutung des Namens Metall auf eine bestimmte Weise aufgefasst, be- grenzt wird. Diese Abgrenzung ist aber beidemal verschieden; sie ist eine andere (und zwar hier blos eine „engere“) bei dem erstern Urteile, wo sie mit der in der chemischen Wissenschaft üblichen zusammen- fällt, als bei dem zweiten Urteile, wo sie sich deckt mit der („wei- teren“) Auffassung, welche dem Namen Metall in der Technik und im gewöhnlichen Leben zuteil wird.
Wer nun solche Doppelsinnigkeit übersähe, der würde sich schwer- lich der Schlussfolgerung erwehren können, dass Messing ein chemisches Element sein müsse — wogegen es bekanntlich doch eine Mischung, Legirung aus Zink und Kupfer ist.
In ähnlicher Weise vollziehen wir, sooft zwei oder mehr Bedeu- tungen eines Wortes uns unbewusst vermengt werden, fast unver- meidlich logische Fehlschlüsse — eine Bemerkung, zu welcher spätere Betrachtungen uns noch vielfach Belege liefern werden. (Vergl. be- sonders § 4.)
Um (mit Jevons) dies noch durch ein Beispiel zu illustriren, wo der Doppelsinn etwas weniger augenfällig ist, so könnte jemand argumentiren: „Strafe ist ein Übel“. „Andern (wenn auch in bester Absicht) ein Übel zuzufügen, sollte nicht erlaubt sein, ist unrecht.“ Ergo: „Andern eine Strafe angedeihen zu lassen (zuzufügen), ist unrecht.“ Der Doppelsinn liegt im Worte „Übel“, welches im ersten Satze aufzufassen war als physisches Übel oder Leid, im zweiten dagegen als moralisches Übel. Etc.
Sehr treffend sagt Baco von Verulam: Die Menschen glauben zwar, dass ihr Verstand die Worte beherrsche, aber es kommt auch vor, dass die Worte ihre Gewalt über den Verstand rückwirkend geltend machen („Credunt homines, rationem suam verbis imperare, sed fit etiam, ut verba vim suam super rationem retorqueant“).
φ1) Es ist darum Jevons6 beizupflichten, wenn er sagt, dass nichts zur Erlangung korrekter Gewohnheiten des Denkens und Schliessens
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Einleitung.
Sie tritt nämlich erst ein, indem wir (ev. gewohnheitsmässig)
Urteile fällen, zu denen wir nur berechtigt sind, einmal im Hinblick
auf eine bestimmte von den Bedeutungen des Namens und bei Aus-
schluss seiner übrigen Bedeutungen, ein andermal ebenso im Hinblick
auf eine andere von diesen Bedeutungen bei Ausschluss, vielleicht, der
erstern, u. s. w.
Begegnen wir z. B. Urteilen, wie: „Alle Metalle sind chemische
Elemente“ und ferner: „Messing ist ein Metall“, so erscheint dadurch
der Name Metall zu einem doppelsinnigen gestempelt. Jedes von diesen
Urteilen kann für sich als richtig anerkannt werden, wenn nur die Be-
deutung des Namens Metall auf eine bestimmte Weise aufgefasst, be-
grenzt wird. Diese Abgrenzung ist aber beidemal verschieden; sie ist
eine andere (und zwar hier blos eine „engere“) bei dem erstern Urteile,
wo sie mit der in der chemischen Wissenschaft üblichen zusammen-
fällt, als bei dem zweiten Urteile, wo sie sich deckt mit der („wei-
teren“) Auffassung, welche dem Namen Metall in der Technik und im
gewöhnlichen Leben zuteil wird.
Wer nun solche Doppelsinnigkeit übersähe, der würde sich schwer-
lich der Schlussfolgerung erwehren können, dass Messing ein chemisches
Element sein müsse — wogegen es bekanntlich doch eine Mischung,
Legirung aus Zink und Kupfer ist.
In ähnlicher Weise vollziehen wir, sooft zwei oder mehr Bedeu-
tungen eines Wortes uns unbewusst vermengt werden, fast unver-
meidlich logische Fehlschlüsse — eine Bemerkung, zu welcher spätere
Betrachtungen uns noch vielfach Belege liefern werden. (Vergl. be-
sonders § 4.)
Um (mit Jevons) dies noch durch ein Beispiel zu illustriren, wo der
Doppelsinn etwas weniger augenfällig ist, so könnte jemand argumentiren:
„Strafe ist ein Übel“. „Andern (wenn auch in bester Absicht) ein Übel
zuzufügen, sollte nicht erlaubt sein, ist unrecht.“ Ergo: „Andern eine Strafe
angedeihen zu lassen (zuzufügen), ist unrecht.“ Der Doppelsinn liegt im
Worte „Übel“, welches im ersten Satze aufzufassen war als physisches Übel
oder Leid, im zweiten dagegen als moralisches Übel. Etc.
Sehr treffend sagt Baco von Verulam: Die Menschen glauben
zwar, dass ihr Verstand die Worte beherrsche, aber es kommt auch
vor, dass die Worte ihre Gewalt über den Verstand rückwirkend geltend
machen („Credunt homines, rationem suam verbis imperare, sed fit
etiam, ut verba vim suam super rationem retorqueant“).
φ1) Es ist darum Jevons6 beizupflichten, wenn er sagt, dass nichts
zur Erlangung korrekter Gewohnheiten des Denkens und Schliessens
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/71>, abgerufen am 05.12.2024.
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